„Klimaklage“ gegen RWE gescheitert – vorerst

Landgericht Essen weist Zivilklage von peruanischem Kleinbauern ab

„Es war ein in Europa bislang einmaliges Verfahren – und könnte noch weitergehen,“ schrieb das Internetportal EurActiv am 15.12.2015. Der peruanische Bergführer und Landwirt Saúl Luciano Lliuya hatte gegen RWE geklagt, weil er den Energieriesen mitverantwortlich für den Klimawandel in seiner Heimat macht – David gegen Goliath. Sein großes Ziel – weniger im finanziellen, als im symbolischen Sinn: RWE sollte, wenigstens teilweise für Schutzmaßnahmen vor Folgen des Klimawandels in seiner Heimat aufkommen. Doch die Klage scheiterte – vorerst.

Der Fall Huaraz: Saúl gegen RWE - Plakat © GERMANWATCH

Der Fall Huaraz: Saúl gegen RWE – Plakat © GERMANWATCH

Denn der Rechtsstreit sei damit wohl noch nicht beendet, teilte die Presseabteilung von GERMANWATCH mit: LLuyas Anwältin Roda Verheyen habe angekündigt, dass ihr Mandant „höchst wahrscheinlich“ vor die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, ziehen werde. Und weiter: „Das Landgericht Essen hat die ‚Klimaklage‘ des peruanischen Bergführers und Kleinbauern Saúl Luciano Lliuya gegen  heute abgewiesen. Das Zivilgericht begründete dies unter anderem mit einer fehlenden ‚rechtlichen Kausalität‘, räumte aber gleichwohl eine mögliche ’naturwissenschaftliche Kausalität‘ ein.“

[note Das Verfahren ist einmalig: In Lliuyas Heimat droht der 120.000-Einwohner-Stadt Huaráz wegen der massiven Gletscherschmelze (die der IPCC auf den Klimawandel zurückführt) akute Flutgefahr. Denn der Palcacocha-See oberhalb der Stadt ist seit 2003 um mehr als das Vierfache gewachsen. Durch den Klimawandel steigt nun das Risiko, dass sich vom Gletscher über dem See große Eisblöcke lösen und in den See stürzen. In Huaráz könnten dann laut Studien bis zu 50.000 Menschen einer verheerenden Flutwelle zum Opfer fallen. Um diese Gefahr abzuwenden, müssten durch ein neues Entwässerungssystem regelmäßig große Mengen Wasser aus dem See abgepumpt und neue Dämme errichtet werden. LLiuya will erreichen, dass RWE entsprechend seinem Anteil an der Verursachung des Klimawandels für die Schutzmaßnahmen aufkommt. Es geht lediglich um 17.000 Euro. Doch selbst diese kleine Summe lehnt RWE aus grundsätzlichen Erwägungen ab – man hat Angst vor einer dann folgenden Klagewelle.]

Der Kläger und seine Anwältin hatten auf eine Beweisaufnahme zu der Frage gehofft, ob Mitverursacher des Klimawandels für den Schutz vor Risiken aufkommen müssen, die anderen infolge des globalen Klimawandels entstehen. „Wir halten unsere Klage nach wie vor für gut begründet und auch die rechtliche Kausalität für gegeben“, bekräftigt Verheyen. „Nun werden wir höchst wahrscheinlich in Berufung gehen, um vor dem Oberlandesgericht Hamm die Mitverantwortung von RWE zu beweisen. Die endgültige Entscheidung darüber werde ich mit meinem Mandanten aber erst nach Durchsicht des schriftlichen Urteils fällen.“

Saúl Luciano Lliuya: Ich bin froh, aktiv geworden zu sein und nicht einfach zu warten was passiert. Es ist überwältigend für mich, wie viel Interesse und Unterstützung ich in meinem Land und weltweit erfahren habe. Das gibt mir Mut und Kraft weiter zu machen. Der Klimawandel betrifft alle Länder der Welt, wir müssen uns deswegen für die Gerechtigkeit einsetzen.“

Lliuya, der die Neuigkeit in Peru mit großer Spannung erwartet hatte, zeigte sich enttäuscht aber kämpferisch: „Als Bergführer bin ich lange und steinige Wege gewohnt. Da darf man sich von Hindernissen nicht entmutigen lassen. Es geht um Schutz und Gerechtigkeit für meine Familie und viele Tausend weitere Menschen in Huaráz. Und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass uns ein deutsches Gericht die Chance geben wird zu zeigen, dass RWE für unsere gefährliche Situation mitverantwortlich ist.“

Ein Verursacher von vielen nicht verantwortlich? „Das wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit“

Der Energiekonzern bezeichnet sich selbst als den größten [[CO2]]-Einzelemittenten in Europa. Das Unternehmen ist, so zeigt eine Untersuchung von 2014, für rund ein halbes Prozent aller weltweit seit Beginn der Industrialisierung durch menschliches Handeln freigesetzten Treibhausgasemissionen verantwortlich.

„Der Kern der Frage ist: Können sich die Hauptverursacher des Klimawandels einfach mit dem Argument aus der Verantwortung stehlen, dass es ja viele Mitverursacher gebe“, so Klaus Milke, Vorsitzender der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Luciano Lliuyas Anliegen unterstützt. „Das würde die vom Klimawandel betroffenen Menschen tatsächlich zu hilf- und rechtlosen Opfern machen. Es wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit.“

Für die Anwalts- und Gerichtskosten des Klägers in diesem Musterverfahren tritt die Stiftung Zukunftsfähigkeit ein.

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