„Keine Atomkraft ohne Konsens“

Historiker der Universität Jena legen Teilergebnisse von EU-Großprojekt vor

Im August 1955 luden die Vereinten Nationen zur ersten internationalen Atomkonferenz nach Genf ein. Den Anlass hatte US-Präsident Dwight D. Eisenhower gegeben, der 1953 in seiner Rede „Atoms for Peace“ die Möglichkeiten und Chancen einer friedlichen Nutzung der Kernenergie beschworen hatte. Heute, gut sechs Jahrzehnte später, steht die Kernenergie-Nutzung in vielen Ländern vor dem Aus. Zwei Historiker der Universität Jena legten zu diesem Thema erste Ergebnisse vor.

„Die Atomkonferenz in Genf gab in zahlreichen europäischen Ländern den Anstoß, eigene Programme zur friedlichen Nutzung der Kernkraft aufzulegen“, sagt Christian Forstner von der Universität Jena. Forstner und sein Kollege Bernd Helmbold arbeiten mit am Projekt „History of Nuclear Energy and Society“ (HoNEST), das von der Europäischen Union mit rund drei Millionen Euro gefördert wird. Aktuell haben die Mitarbeiter vom Institut für Geschichte der Medizin, Naturwissenschaft und Technik (Ernst-Haeckel-Haus) den ersten Abschnitt des Forschungsprojekts beendet und eine Publikation mit den Ergebnissen vorgelegt.

„Die Anstrengungen im Reaktorbau zeigen die Relevanz von transnationalen Wissenstransfers“, sagt Forstner. Denn während etwa die Bundesrepublik, Frankreich und Großbritannien eigene Atomprogramme auflegten, blieben Länder wie die DDR, Österreich oder Dänemark auf einen Know-how-Transfer angewiesen. Wie Helmbold in seinem Kapitel über die Atomkraftnutzung in der DDR zeigt, wurden eigene Anstrengungen, Reaktoren zu entwickeln, rasch ad acta gelegt und stattdessen kam Technik aus der Sowjetunion zum Einsatz. In den Ländern des Westens wurde stattdessen eher auf Technik „Made in USA“ gesetzt.

Beispiel Österreich

Interessant ist die Entwicklung in Österreich verlaufen, die Forstner untersucht hat. Hier wurde zunächst in Zwentendorf in der Nähe von Wien ein Forschungsreaktor gebaut. Der ging jedoch nie ans Netz, weil sich 1978 eine knappe Mehrheit der Österreicher in einer Volksabstimmung gegen die Atomkraft ausgesprochen hatte. „Generell lässt sich sagen, dass sich das politische System in Sachen Atomenergie einig sein muss“, konstatiert Forstner. Ohne den politischen Konsens habe die Technologie keine Chance.

In einem zweiten Teil des Forschungsprojekts soll untersucht werden, wie die sozialen Gruppen in den einzelnen Ländern miteinander interagiert haben. Das Ziel dabei: Aus der Geschichte lernen bis hin zur Politikberatung.

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