Zeit der Erfolge und der Niederlagen

Dinge müssen zueinander passen

Je nachdem welche Fortschritte auf diesen vier Handlungsfeldern erreicht werden, kann die Energiewende gelingen, misslingen oder teilweise misslingen. Doch Erfolg und Misserfolg hängen ab von politischen Entscheidungen auf den verschiedenen Ebenen unseres Gemeinwesens, von Investitionsentscheidungen der Verantwortlichen in der Wirtschaft und von Kaufentscheidungen und Verhaltensweisen der Bürgerinnen und Bürger. Hinzu kommen die Reformbereitschaft der Gesellschaft und der Wille den Transformationsprozess dynamisch und flexibel jedoch zugleich verlässlich zu gestalten.

Vor wenigen Tagen hat Bundeskanzlerin Merkel dazu folgendes in einem Interview gesagt: „ Es kann nicht sein, dass die einen dafür verantwortlich sind, dass die Energieerzeugung modern und umweltfreundlich ist. Und die anderen sind dafür verantwortlich, die Prügel zu bekommen, wenn irgendwo Leitungen gebaut werden müssen … Beides hängt aber zusammen … Wir brauchen hier eine Verantwortungsgemeinschaft aller.“ Das ist wohl wahr. Man hätte das auch schon von einigen Jahren so klar sagen können. Insofern ist diese Stellungnahme gut und überfällig. Beides. Sie weist mit Recht auf einen Schwachpunkt in der bisherigen Umsetzung der Energiewende hin: Die Dinge müssen zueinander passen.

Defizite bei systematischer Vorbereitung auf Unvorhergesehenes und Überraschendes

Alle Schritte der Energiewende kann kein Mensch heute zuverlässig voraussagen. Wir kennen die Zukunft nicht. Deswegen tun wir gut daran, uns auf Unvorhergesehenes und Überraschendes systematisch vorzubereiten. Hier sehe ich Defizite. Wir haben gerade im Energiebereich eine Vielzahl und Vielfalt von Startups. Sie bauen an neuen Speichertechniken und Batterien, Softwarelösungen zur Systemsteuerung, an disruptiven Technologien. Deutschland ist, hier wie sonst auch, zu langsam und zu behäbig, diesen Schatz schneller zu nutzen. Es  ist der einzige Schatz der Welt, der sich bei Ausbeutung vermehrt. Die staatlichen Förderprogramme, besonders die des BMWi, sind gut, aber sie reichen nicht. Es fehlt der Übergang in den harten Markt.

Starke Institutionen können helfen, um einem offenen und transparenten Austausch aller Anspruchsgruppen zu ermöglichen und Orte zu schaffen, wo nach akzeptierten Regeln gestritten wird, wie sichergestellt werden kann, dass bei der Energiewende das eine zum anderen passt. Für den Bereich der Energieforschung tragen beispielsweise Gremien wie die Energiewende-Plattform Forschung und Innovation oder die Forschungsnetzwerke Energie zu diesem Austausch bei. Aber auch die Forschungsinstitutionen selbst vernetzen sich, wie beispielsweise die Helmholtz-Zentren oder auch die Fraunhofer-Institute und viele Universitäten.

Das zeigt: belastbare Institutionen, die den Dialog und die Zusammenarbeit fördern und erleichtern, sind entscheidend, um eine Aufgabe wie die Energiewende zu einem Erfolg werden zu lassen. Eines ist sicher: Unsere Welt wird um einiges vielfältiger und wesentlich mehr Akteure unterschiedlichster Art nehmen auf unsere Energieversorgung Einfluss. Alleine die vielen Windenergie- oder PV-Anlagen die die großen, zentralen Kraftwerke ablösen, verdeutlichen sehr plastisch, wie viel komplexer und vielschichtiger unser System sein wird und teilweise bereits ist. Ohne Institutionen, die unterschiedlichen Interessen aller Akteure zusammenführen und Kooperation im demokratischen Dialog fördern, können wir das nicht bewältigen.

Den Streit um den richtigen Weg zivilisieren

Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Politischer und gesellschaftlicher Konsens ist möglich, aber man muss ihn suchen. So wie wir ihn in der Ethikkommission 2011 gesucht und gefunden haben. 40 Jahre Energieforschung – das ist eine Zeit der Erfolge, der Durchbrüche, der  Erneuerung, der Bereitschaft zum gemeinsamen Lernen. Ja, das alles haben wir erlebt und gestaltet. Aber zu diesen 40 Jahren gehören auch Brüche, Niederlagen, Irrtümer und schmerzhafte Anpassungen. Da wurde uns manches abverlangt; vermeintliche Gewissheiten wurden erschüttert. Die Beispiele sprechen eine klare Sprache:

[note

  • Die Atomenergie ist die sauberste, sicherste und preiswerteste Energie. Aus heutiger Sicht ist das falsch.
  • Das Wirtschaftswachstum ist eng verknüpft mit einem Anstieg des Energieverbrauchs. Eine Entkoppelung ist nicht möglich. Aus heutiger Sicht ist das falsch.
  • Die Regenerativen sind nur eine kleine Ergänzung im Energiesystem; sie können allenfalls Nischen ausfüllen. Aus heutiger Sicht ist das falsch.
  • Der Staat sollte sich auf das Angebot von Energie konzentrieren; aus der Gestaltung der Nachfrage sollte er sich heraushalten. Aus heutiger Sicht ist das falsch.
  • Die Energieversorgung ist ein Problem, das von Experten gelöst wird – vornehmlich mit technischen Mitteln. Aus heutiger Sicht ist das eine fahrlässige Vereinfachung.
  • Die Kohle ist ein Energieträger mit großer Zukunft – mindestens für die nächsten 200 Jahre. Aus heutiger Sicht ist das falsch.]

Unsere demokratische Grundordnung bietet die bestmögliche politische Struktur, um solche Streitfragen zu zivilisieren und auf ein starkes Fundament zu gründen. Aber man muss es auch tun. Auf diese Weise entsteht gute Politik. Bislang hat das institutionelle Setting – trotz erkennbarer Mängel – die Bewährungsprobe der Energiewende alles in allem ganz gut bestanden. Darauf können und darauf dürfen wir stolz sein.

Zum Gelingen haben auch Wissenschaft und Forschung beigetragen: sie haben sich in den letzten 40 Jahren neuen Fragen immer wieder geöffnet. Auch für die Zukunft kommt Ihnen, meine Damen und Herren, als Vertreter der exzellenten deutschen Forschung und der forschenden Unternehmen eine wichtige Rolle zu. Denn Innovationen, die aus Forschung und Entwicklung entstehen, legen die konzeptionelle und technologische Grundlage für den Erfolg der Energiewende.

Folgt: Weg von Erfindung zur Innovation erleichtern