„Große Transformation und die Medien“

Transformation soll nicht, wie Nachhaltigkeit, zu „leerem Plastikbegriff“ werden

Warum die TTIP-Kampagne so erfolgreich gewesen sei, fragte Ronzheimer Stolper: Der nannte zwei Gründe: das Gefühl der Machtlosigkeit, des Nicht-mehr-Einfluss-Nehmen-Könnens und die Finanzkrise.

Müller berichtete, man habe für eine große Tagung von Kirchen und Gewerkschaften einen Begriff gesucht, der sei dann von den Gewerkschaften gekommen und habe erstaunlicherweise Transformation gelautet. Eben wachse wieder ein Interesse an Politik, was aber fehle sei ein klares Bild, eine Zielsetzung:“ Ist das neue Bündnis lediglich ein Abwehrkampf oder eine Zielvorstellung?“ Er habe damals den Begriff Transformation mit entwickelt, wolle aber „vermeiden, dass er wie die Nachhaltigkeit zu einem leeren Plastikbegriff“ werde. Er betonte die prinzipielle Notwendigkeit, zu einem Umdenken zu kommen, denn aus einst lokal spürbaren Umweltschäden sei eine weltweite Globalisierungskrise geworden. Der Konflikt werde verschärft durch die Finanzmarktströme in einer entgrenzten Welt, die ihrerseits aber gleichzeitig sofort wieder an ihre Grenzen gerate. „Das muss aufgebrochen werden, das kann die Politik nicht, das System Merkel der Lähmung schafft das nicht. Die Politik ist noch in der alten Welt verhaftet.“

Füller gab ihm recht, fügte aber an, die Digitalisierung sei die gegenwärtige Revolution – Google, Facebook und Microsoft bräuchten gar kein Geld mehr von außen, seien daher nicht mehr regulierbar. Müller hielt dagegen, die Globalisierung der Umweltbeschädigung sei erst in den vergangenen 30 Jahren unglaublich eskaliert. Wir hätten bereits heute einen Teil der Welt abgeschrieben. Zieschank meinte, die Globalisierungsgewinne seien am Ende, es entstehe ein neuer Nationalismus mit einer Spaltung der Wirtschaft. Damit sei eine internationale gesellschaftliche Regulierung nicht mehr möglich.

Ronzheimer fragte im Blick auf die Bundestagswahl, ob der Stein, den man da mit der Transformation rolle, nicht zu groß sei. Müller beklagte, dass wir – in der aktuellen Kurzfristigkeit – immer mehr Prozesse in Gang setzten, die weit über uns hinauswiesen. Die Reaktionen auf vieles, was die Atomendlager-Kommission erreicht habe, seien jedoch praktisch „gleich Null“.

  1. Hauptverursacher der ökologisch-globalen Schäden sind nicht die Hauptbetroffenen – die sind auf tragische Weise die Ärmsten der Welt
  2. Zeitverzögerung zwischen Ursache und Wirkung, Klimawandel hat eine Vorlaufzeit von 5 Jahrzehnten

Das G20-Ergebnis sei eine Schande, eine Armutserklärung der Politik, die müssten sich schämen, müssten den Chaoten dankbar sein, dass deren Randale von ihrem Scheitern ablenke. Stolper warf ein, dass man sehr aufpassen müsse, nach dem Verlust der sozialen Frage nicht auch noch die Demokratiefrage zu verlieren. „Die Politik flieht vor Trump und rettet sich in alte feststeckende Verhaltensweisen.“

Leitmotiv: „Internalisierung externer Kosten“

Die Umweltverbände hätten zwei Jahrzehnte ein Leitmotiv gehabt: „Internalisierung externer Kosten, aber wir haben den Staat nicht, der das durchsetzt. Durch die soziale Spaltung haben wir aber das Moment verloren, denn gewisse Dinge müssten dann teurer werden.“ Ex-Staatssekretär Stolper: „Wenn wir lediglich die Transformation als unser Prinzip gegen Merkels TINA-Prinzip festschreiben, dann werden wir verlieren.“ Man müsse vielmehr Ross und Reiter benennen, die sich an der Politik bereichern, „wir müssen in den Konflikt gehen“.

Füller nannte als Hauptproblem die FDP („die Ein-Mann-Digitalisierunspartei“), dagegen stünden die Verzicht predigenden Grünen auf verlorenem Posten. Die schwiegen zu Uber, eine drohende tiefgreifende Umwälzung, aber wenn die kämen, sei der Taximarkt weg, das soziale Modell der Mobilität kaputt, das nenne man Disruption. Die FDP werde das Personenbeförderungsgesetz wegzuwischen versuchen. Sie seien die neuen Piraten, professionell und modern. Diese Wahl werde richtig wichtig, weil sie möglicherweise einen Markt, einen Wettbewerb neuen Typs bringe.

Einmischen!

Zieschank zeigte sich optimistischer in Bezug auf die Politik, er habe den Eindruck, dass die deutsche Automobilindustrie wegen der chinesischen Festlegung E-Mobilität kurz vor der Panik stehe, „da entsteht ziemlicher Druck in Richtung Transformation, in Richtung großer Entscheidungen“. Füller hielt dagegen, man müsse sich sehr wohl auch in die kleinen Fragen einmischen. Es reiche nicht, zu sagen, „egal wie die Wähler entscheiden, wir haben die großen Fragen“. Man müsse sich in den Wahlkampf einmischen. Stolper – selbst Mitglied der Grünen, wies daraufhin, dass die FDP einfach angreife, während die Grünen bereits unter den Stühlen verschwinde, wenn das Wort Verzicht falle. In Berlin ärgerten sich sicher viele Autofahrer über die Politik , aber die, welche sich über Autofahrer ärgerten seien sicher mehr. Nach der Wahl würden Schwarze und Gelbe Roten und Grünen und den Gewerkschaften die Schuld zuschieben. „Wer den Konflikt aufnimmt, wird gewinnen, wer ihm ausweicht, wird verlieren.“

Müller als Vorsitzender der Naturfreunde bleib bei der Grundposition, dass es heute darauf ankomme, das Soziale mit dem Ökologischen offensiv zu verbinden. „Das ist eine Auseinandersetzung um unterschiedliche Macht- und Lebensmodelle – das muss ganzheitlich angegangen werden. Es mangelt der Umweltbewegung an diesem ganzheitlichen Angang.“ Sein Problem sei, dass er bei Rot-Rot-Grün nicht erkenne, dass sie ein sozial-ökologisches Fortschrittsmodell habe. Wenn man etwas beseitigen wolle, müsse man wissen, wofür man es beseitige.

Text und Fotos: Gerhard Hofmann