Der Carbon-Capture-Traum stirbt

CCS zu teuer und zu ungewiss

Der britische Energieexperte Gerard Wynn verkündete am 21.07.2017 in seinem Blog energyandcarbon.com „The Carbon Capture Dream is dying“. Er begründete das mit dem Zusammenbruch eines niederländischen grünen Energieprojekts mit angeblich „clean coal“ – das habe kurzlebige positive Aussichten für die CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) in der europäischen Stromerzeugung beendet. Den Verfechtern der Technik blieben danach nur noch kleinere industrielle Anwendungen. Während CCS in begrenztem Maß sinnvoll sein könne, beständen auch die großen Probleme weiter.

Der komplizierte Prozess beinhaltet die Abscheidung von Kohlendioxid-Emissionen aus dem Rauchgas von fossilen Kraftwerken oder kohlenstoffintensiven Fabriken und die Komprimierung des CO2 sowie seine Verpressung für die Langzeitlagerung.

Die europäischen Versorger Uniper und Engie hatten schon im Juni angekündigt, dass sie das niederländische CCS-Projekt ROAD (Rotterdam Opslag en Afvang Demonstratieproject oder Rotterdam Capture und Storage Demonstration Project) verlassen würden. ROAD ist der letzte Vorschlag für ein groß angelegtes Kohle- oder Gasenergie-CCS-Projekt in Europa. Sein Niedergang folgte der Streichung der CCS-Finanzierung in Großbritannien und beendete die Aussichten für ein europäisches kommerzielles Demonstrationskraftwerk.

Die langfristigen Aussichten für CCS in der Stromerzeugung sind düster, vor allem nach dem Zusammenbruch des Clean Coal-Kraftwerks in Kemper County in den USA, obwohl es gesichert schien, dass es ebenso viel mit dem Einsatz der Integrated Gasification Combined Cycle (IGCC) -Technologie (Gas-und-Dampf-Prozess mit vorgeschalteter Brennstoffvergasung) wie mit CCS zu tun hatte.

Es wird Zeit für die CCS-Befürworter, dass sie das verdauen und erkennen, was sich entweder als ein kolossales Versagen oder eine gigantische Enttäuschung herausstellt – je nach Perspektive aus der Elektrizitätsversorgung oder der Gruppe von Experten und Politikern, die CCS in der Stromerzeugung für mehr als ein Jahrzehnt unterstützt haben.

2007 hatten die EU-Staats- und Regierungschefs bis 2015 einen Plan der Europäischen Kommission für bis zu 12 CCS-Demonstrationskraftwerke gebilligt. Heute gibt es keine solchen Anlagen und Pläne. CCS genoss auch große Unterstützung der Internationalen Energieagentur und des Intergovernmental Panel on Climate Change, die beide die Technologie als den billigsten Weg zum schnellen Übergang hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gefördert hatten, denn theoretisch erlaubt uns CCS, die bestehende Infrastruktur fossiler Brennstoffe weiter zu nutzen, anstatt sie abzuschreiben.

Das Kernproblem bei CCS ist, dass es so teuer ist. Sogar die Aussicht auf Hunderte von Millionen Euro Subventionen konnte die Kohlekraft in den Niederlanden nicht retten. Die Europäische Kommission hatte 180 Millionen Euro in das Projekt ROAD und die niederländische Regierung bis zu 150 Millionen Euro gesteckt.

Ein weiteres Hindernis für CCS in Europa ist die große Wolke der Ungewissheit, die über Kohlekraftwerken im Allgemeinen hängt, der Gegenwind aus härterne Luftverschmutzungsregeln und strengen Ausstiegszielen. Am Ende waren Engie und Uniper nicht bereit, mehr Geld in Kraftwerke zu stecken, deren Aussichten so unsicher waren.

Die IEEFA dokumentierte im vergangenen Jahr das Managementversagen dieser Versorgungsunternehmen. Das Ergebnis für Engie, Uniper und RWE waren riesige Abschreibungen. Die Entscheidung von Engie und Uniper, sich aus dem ROAD-Projekt zurückzuziehen, ist angesichts der Ungewissheit zwar sinnvoll, aber es erweckt dennoch den Eindruck einer fehlerhaften Entscheidungsfindung der Führungskräfte, da ihre Kraftwerke vom ROAD-Projekt hätten profitieren sollen .

Zugegeben, ROAD ist nicht tot. Die niederländische Regierung kann noch CCS für Industrieanlagen im Hafen von Rotterdam (z. B. die Öl-Raffinerie von Shell Pernis und eine Air Liquide Wasserstoff-Anlage) unterstützen. Die Anwendung von CCS könnte in einem solchen Maßstab funktionieren. Einige Fabriken und Raffinerien emittieren mehr konzentriertes CO2 als Kraftwerke, wodurch die CO2-Abscheidung weniger kostspielig wird. Und kurzfristig haben die Ölraffinerien, die Chemieproduktion, die Stahl- und Zementindustrie nur wenige kohlenstoffarme Alternativen. Industrielle CCS kann in der Tat erforderlich sein, wenn Europa wirklich in eine kohlenstoffarme Wirtschaft eintreten will.

Drei ähnliche Projekte zur Anwendung von CCS auf Industrieanlagen rund um die Nordsee entstehen in Norwegen, England und Schottland. Jede würde CO2 aus mehreren Quellen aufnehmen und es entweder per Rohrleitung oder Schiff offshore auf dem Meeresboden zu lagern. Aber die Probleme der Vor-Ort-Kosten und der Skalierung bleiben. Während der Einbau von CCS in bestehende Fabriken, Raffinerien und Abfallanlagen bescheiden und organisch klingt, erfordert es immer noch Pipeline- und Speicherinfrastruktur im großen Maßstab: Es wäre unerschwinglich kostspielig, CO2-Kompression und Pipeline-Infrastruktur für nur eine Handvoll Fabriken zu bauen.

Alle diese neuen Projekte beantragen eine EU-Pipeline-Finanzierung als „Projekte von gemeinsamem Interesse“ im Rahmen einer „Connecting Europe“-Einrichtung. Letztendlich würde es ehrgeizige, grenzüberschreitende Projekte mit Pipelines erfordern, welche die Nordsee kreuzen und mehrere Industrieanlagen und Länder verbinden. Klingt bekannt? Die Kostensenkung der Einheiten kann vom gleichen Maßstab abhängen, der für CCS mit großen fossil befeuerten Kraftwerken gilt, eine Idee, die passé geworden ist und nun nicht mehr zeitkonform erscheintt. Die Unterstützer der industriellen CCS müssen klar darstellen, was an ihrenProjekte anders ist.

[note Solarify ergänzt: Die Zukunft der CO2-Abscheidung bestand schon immer nicht in der (endgültigen) Speicherung (S) sondern in deren Weiterverwendung (U = Utilization) zu Designer-Fuels oder neuartigen Kunststoffen (siehe den Artikel von Robert Schlögl solarify.eu/die-mobilisierte-energiewende weiter unten oder die Kolumne am rechten Rand der Homepage).]

->Quellen: