„Wendelstein“ tritt in entscheidende Phase

Kernfusionsexperiment startet ernsthaft

Noch in diesem Jahr will das Max-Planck-Institut für Plasma-Physik in der Greifswalder Kernfusionsanlage „Wendelstein 7-X“ erstes Plasma erzeugen: Der Wendelstein-Reaktor geht in die entscheidende Phase. Anfang September soll das erste, fusionsrelevante Plasma gezündet werden. Bis zur Marktreif der Technologie wird es aber noch lange dauern (so die Zeit, das greenpeace-magazin und der Berliner Tagesspiegel).

„Das Greifswalder Kernfusionsexperiment heizt sein Plasma hoch: auf fusionsfreudige 70 Millionen Grad“, so die Deutsche Welle. Ziel der bis Dezember dauernden Experimente sei es, erstmals in dieser Anlage ein fusionsrelevantes Plasma zu erzeugen, sagt Institutsdirektor Thomas Klinger. Kernfusionsexperten aus aller Welt haben sich nach Institutsangaben zu den Experimenten angemeldet. Sie wollen in der Greifswalder Anlage die Fusion als eine neue Primärenergiequelle auf der Erde erforschen.

[note Wendelstein 7-X ist die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator. Ihre Aufgabe ist es, die Kraftwerkseignung dieses Bautyps zu untersuchen. Dazu wird sie ein optimiertes Magnetfeld für den Einschluss des Plasmas testen. Es wird von einem System aus 50 speziell geformten, supraleitenden Magnetspulen erzeugt – das technische Kernstück der Anlage. Dieser Aufbau aus Einzelspulen erlaubt es, das Magnetfeld im Detail zu formen. Mit großem Theorie- und Rechenaufwand wurde es für Wendelstein 7-X so optimiert, dass die Nachteile früherer klassischer Stellaratoren überwunden werden. Der Vorgänger Wendelstein 7-AS (1988 – 2002), die erste Anlage dieser neuen Generation der „Advanced Stellarators“, unterwarf Elemente des Konzepts einem ersten experimentellen Test. Der weiterentwickelte Nachfolger Wendelstein 7-X soll nun die Kraftwerkstauglichkeit der neuen Stellaratoren untersuchen. Es wird erwartet, dass Plasmagleichgewicht und -einschluss von vergleichbarer Qualität sein werden wie bei einem Tokamak gleicher Größe. Dabei werden jedoch die Nachteile des im Tokamak-Plasma fließenden Stromes vermieden: Mit bis zu 30 Minuten langen Plasmaentladungen soll Wendelstein 7-X die wesentliche Stellaratoreigenschaft zeigen, den Dauerbetrieb. Die Hauptmontage von Wendelstein 7-X wurde 2014 abgeschlossen. Nach der schrittweisen Prüfung aller technischen Systeme wurde das erste Plasma am 10.12.2015 erzeugt. Nach ipp.mpg.de/w7x-letter-14-17]

Dem Tokamak überlegen?

Experimente mit Fusionsbrennstoff sind für „Wendelstein 7-X“ nicht geplant. Vielmehr wollen die Forscher die Kraftwerkstauglichkeit des Stellerator prüfen. Wendelstein 7-X, die weltweit modernste Forschungsanlage dieses Fusionstyps, könnte – so die Annahmen der Greifswalder Forscher – in einem Kraftwerk im Dauerbetrieb gefahren werden und damit dem pulsbetriebenen Fusionstyp Tokamak überlegen sein. Tatsächlich dominieren vom Tokamak-Projekt ITER seit Jahren nur die Meldungen über Kostensteigerungen: „Nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Bundesregierung ist von Kostenabweichungen und Zeitverzögerungen beim Bau des Iter auszugehen“, so die Antwort des BMBF auf eine Anfrage der Grünen vom Juni 2017.

Kernfusion wohl älteste Zukunftstechnologie – seit den 50er Jahren

Womöglich ist die Kernfusion die älteste Zukunftstechnologie überhaupt. Seit fast 60 Jahren versuchen Plasmaphysiker, die Sternenglut künstlich zu entfachen, um daraus Strom und Wärme zu gewinnen. Und genauso lange stehen sie kurz vor dem Durchbruch. In den 50er-Jahren sagten Experten, die Energieprobleme der Welt seien in 20 Jahren gelöst – heute sehen sich die Forscher 40 Jahre vom Ziel entfernt. Vor 2050 rechnet niemand ernsthaft mit einem kommerziellen Fusionsreaktor. Dabei ist im Prinzip lange bewiesen, dass die Reaktion aus dem Inneren der Sonne auch auf Erden funktioniert: 1952 zündeten die USA die erste Wasserstoffbombe. Doch die friedliche Nutzung der Technik steht weiter im Entwicklungsstadium.

Auch die Greifswalder stehen vor großen Herausforderungen: Vor allem Probleme beim Bau der kompliziert gewundenen, je 3,50 Meter hohen Magnetspulen hatten das Projekt um Jahre zurückgeworfen. Die Gesamtkosten für das Greifswalder Fusionsexperiment, das aus dem Euroatom-Programm der EU, vom Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern finanziert wird, hatten sich wegen der längeren Bauzeit von rund 500 Millionen auf über eine Milliarde Euro mehr als verdoppelt. Kritik an der Fusionsforschung kommt vor allem von den Grünen und Umweltverbänden. Sie sehen in ihr ein Hemmnis der Energiewende, so das greenpeace-magazin.

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