Hendricks räumt Klimaversagen der Regierung ein

Seitenhieb auf Kanzlerin und Verkehrsmminister

Jetzt ist die Blamage mit Ansage quasi amtlich: Deutschland wird das selbstgesteckte Klimaziel, die klimaschädlichen Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 zu verringern, auf peinlichere Weise verfehlen als befürchtet – so die Süddeutsche Zeitung. Inzwischen hat Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die Hiobsbotschaft bestätigt. Gegenüber der Deutschen Presseagentur warf sie der Bundeskanzlerin vor, sie habe beim nationalen Klimaschutz „nur von der Seitenauslinie zugesehen“.

Deutschland verfehlt Klimaziel dramatisch

Michael Bauchmüller schrieb in der Süddeutschen Zeitung, Deutschland drohe, sein selbstgestecktes Klimaziel  „dramatischer als gedacht“zu verfehlen. Die Lücke zum Ziel sei nach internen Berechnungen des Bundesumweltministeriums (ein entsprechendes Papier liegt der Süddeutschen Zeitung vor) weit größer als angenommen. Die Wahrheit sei: Ohne eine „Nachsteuerung“ sei 2020 bestenfalls ein Minus von 32,5 (statt 40) Prozent zu erwarten; schlimmstenfalls nur 31,7 %. „Eine Zielverfehlung in einer solchen Größenordnung wäre für die Klimaschutzpolitik Deutschlands ein erheblicher Rückschlag“, formulieren die Autoren des Papiers und warnen vor einer Blamage, „in Bezug auf das internationale Ansehen Deutschlands als Klimaschutzvorreiter verheerend“.

Bauchmüller nennt „eine ganze Reihe Fehleinschätzungen der wirtschaftlichen Entwicklung“ als Gründe für das Desaster: So sei zwar der Anteil Erneuerbarer Energien weiter gestiegen, die deutsche Kohlestromproduktion – „nur eben für den Export“ – habe aber nicht hinreichend abgenommen. Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum ließen zudem den Stromverbrauch ansteigen – insgesamt 20 Millionen Tonnen CO2 mehr als angenommen. Bauchmüller: „Je 12,5 Millionen Tonnen CO2 bedeuten einen Prozentpunkt für das Klimaziel.“ Damit nicht genug: Der Dieselverbrauch für Lkw-Fahrleistungen, Kleinlastwagen und Autos werde ebenfalls höher liegen als befürchtet.

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender, dazu: „Nun ist das klimapolitische Versagen regierungsamtlich. Immerhin hält beim Klimaschutz endlich mehr Realismus Einzug. Die neuen Zahlen des Umweltministeriums bestätigen eine Zielverfehlung von rund acht Prozentpunkten. Andere Prognosen gehen sogar von bis zu zehn Prozentpunkten aus. Die neue Regierung muss auf dieses dramatische Versagen Antworten geben. Hauptursache sind die anhaltend hohe Kohleverstromung und steigende Emissionen im Verkehr. Was zu tun ist, liegt auf der Hand. Es geht um das kurzfristige Abschalten aller alten Kohlekraftwerke, die vor 1990 ans Netz gegangen sind, damit das Klimaziel 2020 noch zu erreichen ist. Die neue Koalition wird daran gemessen, ob sie den Kohleausstieg schafft und Deutschland wieder auf einen klimapolitisch wirksamen Pfad bringt. Kanzlerin Merkel hat das Einhalten des 2020-Ziels versprochen. Sie muss jetzt die möglichen Koalitionäre auf dieses Ziel einschwören.“

„Der Klimaschutz wird die erste Bewährungsprobe der nächsten Bundesregierung“, erklärte auch Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Es müssten schnell „möglichst viele schmutzige Kohlekraftwerke vom Netz“. Der ökologisch orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) forderte, Subventionen für Diesel-Fahrzeuge zu streichen sowie Weichen für mehr Elektromobilität zu stellen.

Hendricks: Verkehr und Kohle Hauptsünder

Die scheidende Umweltministerin erinnerte Merkel  mit Blick auf die anstehenden Koalitionsverhandlungen an deren Klimaschutzversprechen: „Das 40-Prozent-Ziel bis 2020 darf auf keinen Fall aufgegeben werden, das wäre auch international ein falsches Signal“, sagte Hendricks am 11.10.2017. Und: Es sei gut, „dass die Bundeskanzlerin öffentlich versprochen hat, mit der neuen Bundesregierung die Erreichung des Zieles sicherzustellen.“

Hendricks konnte ihren Frust kaum verhehlen – hatte sie doch schon lange davor gewarnt, dass die Regierung die Klimalatte reißen werde. So etwa beim Verkehrssektor (nicht ihr Ressort) – Hendricks dazu: Lediglich überlange Lkw auf die Straße zu stellen, bringe so gut wie keine Klimagas-Reduktion – diesen Seitenhieb auf ihren Ex-Ressortkollegen Dobrindt (CSU) konnte sie sich nicht verkneifen. Aber auch der Stromsektor habe die CO2-Emissionen nicht genügend gesenkt. „Die Kohle verhagelt uns die Klimabilanz“, so Hendricks – das ging ans Wirtschaftsministerium.

EU einigte sich auf Klimaziele bis 2030

Die EU-Länder haben sich am 13.10.2017 laut Hendricks auf die Verteilung der Lasten beim Klimaschutz bis 2030 verständigt. Das sei ein Erfolg und ein Zeichen der Einigkeit, erklärte sie beim Umweltminister-Treffen in Luxemburg. Sie räumte ein, dass sie mehr Ehrgeiz gewünscht habe, das sei aber nicht durchsetzbar gewesen. Die Minister beschlossen Vorgaben, wie viel Treibhausgase die einzelnen Länder zwischen 2021 und 2030 bei Verkehr, Landwirtschaft, Müllentsorgung und im Wärmesektor einsparen sollen. Die Marke für Deutschland lautet 38 Prozent Minus.

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