Durchbruch für Mini-Solaranlagen

Mieter dürfen jetzt Balkon-PV-Strom selbst nutzen

Verbraucher dürfen einer gemeinsamen Medienmitteilung von Greenpeace energy und der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie zufolge ab jetzt steckbare Solarmodule (Solarify berichtete wiederholt, s.u.) zur privaten Stromerzeugung direkt an normale Haushaltsstromkreise anschließen. Das ist das Ergebnis eines Normierungsverfahrens bei VDE und DKE – sie erarbeiten die Sicherheitsbestimmungen für elektrotechnische Geräte. Die Neuregelung der technisch überholten Norm VDE 0100-551 macht die Nutzung von Mini-Solaranlagen nun erheblich einfacher.

Michael Friedrich von Greenpeace energy: „Die Menschen müssen an der Energiewende beteiligt werden und sich damit identifizieren. Dieser Beitrag zur Netzstabilität und zur Energiewende macht auch politisch Sinn. In der Schweiz, in Portugal und Österreich ist die Nutzung von Stecker-Solargeräten schon länger unkompliziert möglich – inzwischen in 200.000 Haushalten.“

„Das ist ein längst überfälliger Durchbruch für die Solarenergie in deutschen Städten“, sagt Sönke Tangermann, Vorstand von Greenpeace Energy. „Die Einigung macht den Weg frei für die massenhafte Nutzung solcher kleinen PV-Anlagen, die Mieter von nun an problemlos auf ihrem Balkon anschließen und damit eigenen Solarstrom ernten können.“

„Eigene Produktnorm für laienbedienbare Geräte fehlt noch“

DGS-Präsident Bernhard Weyres-Borchert nennt die „überarbeitete Norm endlich zeitgemäßer. Denn steckbare Solarmodule mit modernen Wechselrichtern erfüllen seit Jahren sämtliche Sicherheitsstandards. Jetzt fehlt noch eine eigene Produktnorm für solche laienbedienbaren Geräte. Daran arbeiten wir gerade.“ Mit einer Veröffentlichung dieser Norm durch VDE und DKE wird erst für Anfang 2019 gerechnet.

Marcus Vietzke*), Balkon-PV-Pionier und Koordinator der DGS-AG PV-plug, erläutert: „Bei uns ist die Bagatellgrenze von 600W, unterhalb derer jederzeit ein Anschluss möglich ist, trotz Gutachten noch nicht in der Normung angekommen – das muss erst noch durch die Gremien Gremien für Leitungen und Kabel gehen. Weil es aber noch keine Produktnorm gibt, hat die DGS einen Sicherheitsstandard erstellt. Damit sind Anschlüsse bis 600 W sicher möglich, weil sie die eingespeiste Energie nicht ausreicht um die Leitungenzuüberlasten.“ Häufig zitierte Einwände, wie das angebliche Brandrisiko seien damit entkräftet auch  die Gefahr eines Stromschlags am Schukostecker seien durch ultraschnell reagierende Wechselrichter (0,2 Sekunden – Haushaltsgeräte müssen erst nach 1 sec stromlos sein) gegenstandslos geworden.

  • Die Module amortisieren sich energetisch binnen weniger Jahre (in der Regel 2 bis 3 Jahre)
  • Je nach Modul- und Strompreis refinanzieren Module sich binnen 8 bis maximal 16 Jahren
  • Neueste Modelle produzieren Strom schon zu ca. 4 ct/kWh

*) Ein Interview mit Marcus Vietzke auf pv magazine.

„Fehlende Norm = kein Verbot“

Jörn Bringewat von der Stabsstelle Recht bei Greenpeace energy erklärte, dass eine fehlende Norm kein Verbot einer Einrichtung bedeute. Das Ordnungsrecht besage, dass Normen erst dann gültig seien, wenn sie der Gesetzgeber oder die Exekutive eingeführt hätten. Er empfahl die Anmeldung von Balkon-PV-Modulen – selbst dann, wenn keine Sanktion drohe.

Die DGS und Greenpeace Energy, aber auch renommierte Forschungsinstitute wie das Fraunhofer ISE*) hatten die Sicherheit moderner Mini-Solaranlagen wiederholt durch Gutachten belegt und so die Arbeit an den Normen angeregt. Die Energiegenossenschaft klagt zudem am Landgericht Hamburg gegen den Netzbetreiber Stromnetz Hamburg, weil dieser ihr die Nutzung eines modernen steckbaren Solarmoduls untersagt. „Das Ergebnis des jetzt abgeschlossenen Normverfahrens bedeutet: Netzbetreiber müssen nun zügig unkomplizierte Anmeldeverfahren etablieren und ihre Blockade beenden. Das gilt auch für Stromnetz Hamburg“, fordert Vorstand Tangermann.

*) Fazit des Fraunhofer ISE: „Aus Sicht der Gutachter führt die Verknüpfung von Kleinst-PV-Anlagen als elektrische Betriebsmittel mit der Hausinstallation weder zu einer wesentlichen Änderung der elektrischen Anlage noch zu einer wesentlichen Erweiterung. Selbst wenn eine Kleinst-PV-Anlage im Fehlerfall den Zusatzschutz beeinträchtigen kann, so sind davon die Schutzmaßnahmen gegen direktes oder bei indirektem Berühren nicht beeinträchtigt.“

Noch Fragen offen

Es bleiben aber noch Fragen zur Nutzung von Stecker-PV-Geräten. So muss geklärt werden, ob solche Module künftig spezielle Einspeisesteckdosen benötigen oder einfach per Schutzkontakt-Stecker (Schuko-Stecker) ans häusliche Stromnetz angeschlossen werden können, und ob ein rücklauf-gebremster Zähler notwendig ist. „Wenn das Solargerät die vom DGS genannten Sicherheitsstandard erfüllt, reicht eine Schuko-Steckdose völlig aus“, sagt Marcus Vietzke.“ In Deutschland sollen geschätzt bereits 20.000 davon im Einsatz sein.

Folgt: Mini-PV-Anlagen: VDE|DKE bahnt Weg für sicheren Betrieb