Umsteuern im Verkehrssektor für Klimaschutz erforderlich

Empfehlungen des SRU für die neue Legislaturperiode

SRU-Sondergutachten Verkehr – Titel – © SRU

Zentrale strategische Weichen für die Verkehrswende sollten in der neuen Legislaturperiode gestellt werden. Dabei bilden der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und das darin vorgesehene Klimaschutzkonzept Straßenverkehr einen sinnvollen Rahmen für klimapolitische Maßnahmen im Verkehrssektor. Es ist eine konsistente Gesamtkonzeption erforderlich, die den betroffenen Akteuren Planungssicherheit bietet und damit langfristige Investitionsentscheidungen ermöglicht. Die nachfolgend skizzierten Empfehlungen stellen nach Ansicht des SRU notwendige Bausteine eines solchen Konzepts dar, wobei ein Fokus auf den Mittelstrecken- und Fernverkehren liegt.

  1. Reform von Steuern und Abgaben
    Das historisch gewachsene System der energiebezogenen Steuern und Abgaben enthält eine Reihe von Hemmnissen für einen effizienten Klimaschutz im Verkehrssektor, gerade auch für eine verstärkte Nutzung von erneuerbarem Strom. Der SRU empfiehlt der Bundesregierung, ein Reformkonzept zu erarbeiten, das den Herausforderungen gerecht wird, die von Klimaschutz, Sektorkopplung und fluktuierender Stromerzeugung ausgehen. Die Steuersätze für die verschiedenen Energieträger im Verkehrsbereich sollten an ihrem jeweiligen spezifischen Treibhausgasgehalt sowie ihrem Energiegehalt ausgerichtet werden. Eine gute Ausgangsbasis hierfür bildet der – letztlich nicht beschlossene – Vorschlag der Europäischen Kommission zur Reform der Energiesteuerrichtlinie.Insgesamt spricht sich der SRU für eine verstärkte Ökologisierung des Steuersystems aus. Seit Jahren sinkt der Anteil der umweltbezogenen Steuereinnahmen, und die reale Abgabenbelastung von Kraftstoffen nimmt ab.Prioritär sollte das Ende der Dieselprivilegierung eingeleitet werden. Die niedrige Besteuerung von Dieselkraftstoff ist weder ökologisch gerechtfertigt, noch berücksichtigt sie die negativen gesundheitlichen Effekte der Emissionen. Die Dieselprivilegierung hat dazu beigetragen, dass Dieselfahrzeuge in der Vergangenheit immer schwerer und mit immer größerer Motorisierung ausgestattet wurden, wodurch der Effizienzvorteil des Dieselmotors aufgezehrt wurde. Auch die Privilegierung von Erdgas als Kraftstoff im Verkehrssektor sollte nicht erneut über 2026 hinaus verlängert werden.Die höhere Abgabenbelastung von Strom gegenüber fossilen Kraftstoffen hemmt die angestrebte Elektrifizierung des Verkehrs. Strom sollte daher als Energieträger im Verkehr – zumindest relativ – entlastet werden. Zudem sollten die Abgaben im Strombereich dynamisiert werden, damit Nutzerinnen und Nutzer einen stärkeren Anreiz haben, ihren Stromverbrauch an den Erfordernissen eines auf erneuerbaren Energien basierenden Energiesystems auszurichten.Generell sollte der Abbau von umweltschädlichen Subventionen ein zentrales Ziel für die neue Legislaturperiode sein. Allein im Verkehrssektor belaufen sich die umweltschädlichen Subventionen auf annähernd 30 Mrd. Euro jährlich. Dabei sind vor allem die Entfernungspauschale sowie die niedrige pauschale Besteuerung privat genutzter Dienstwagen zu nennen.
  1. Zulassungsquote für elektrische Antriebe
    Um die notwendige technologische Transformation zügig einzuleiten, sollte im Segment der Pkw und leichten Nutzfahrzeuge eine Quote für elektrische Antriebe eingeführt und schrittweise erhöht werden. Vorteil einer Quotenregelung gegenüber anderen Anreizinstrumenten zur Förderung alternativer Antriebe ist, dass die technologiepolitischen Ziele sicher erreicht werden. Damit können zum einen Hersteller planungssicher in den Markthochlauf dieser Technologien investieren. Zum anderen wird es wirtschaftlich attraktiver, die benötigte Energieversorgungsinfrastruktur aufzubauen. Der SRU schlägt für das Jahr 2025 eine verbindliche Quote für den Anteil rein elektrischer Fahrzeuge (d. h. batterieelektrische und Brennstoffzellenfahrzeuge) an den Neuwagenzulassungen in Höhe von mindestens 25 % vor. Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge sollten in dem System ebenfalls anrechenbar sein, aber mit einer im Vergleich zu vollelektrischen Fahrzeugen verringerten Wertigkeit. Zudem sollte eine Erhöhung der Quote auf mindestens 50 % bis 2030 bereits heute festgeschrieben werden, wobei über die exakte Höhe nach einer Zwischenevaluation spätestens im Jahr 2025 entschieden werden sollte. Dieser deutliche Anstieg der Quote erscheint realistisch, da zu erwarten ist, dass sich die Elektromobilität nach dem Überwinden einer gewissen Schwelle zügig durchsetzen wird.
  1. Ambitionierte Grenzwerte und fiskalische Anreize zur Verbesserung der Fahrzeugeffizienz
    Derzeit bilden die europäischen CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge das zentrale Instrument zur Verbesserung der Fahrzeugeffizienz. Der SRU empfiehlt der Bundesregierung, sich für eine rasche Einigung auf anspruchsvolle Zielvorgaben für CO2-Flottengrenzwerte für die Jahre 2025 und 2030 einzusetzen. Um der zunehmenden Diversifizierung der Antriebstechnologien gerecht zu werden und die Energieeffizienz 8 Kurzfassung aller Fahrzeuge weiter zu verbessern, sollte die Regulierung strukturell weiterentwickelt werden. An die Stelle der CO2-Flottengrenzwerte sollten Flottenzielwerte für den durchschnittlichen Endenergieverbrauch treten. Sie sollten zudem mit antriebsspezifischen Mindesteffizienzvorgaben – insbesondere für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor – kombiniert werden („duale Effizienzregulierung“). Durch die Regulierung des Endenergieverbrauchs würden auch für Elektrofahrzeuge Effizienz- Anreize gesetzt. Zudem würde der Tatsache Rechnung getragen, dass jegliche Form von Energieerzeugung mit Beeinträchtigungen der Umwelt verbunden ist. Durch technologiespezifische Vorgaben kann sichergestellt werden, dass für jede Antriebstechnologie ein Mindestmaß an wirtschaftlichen Effizienzverbesserungen realisiert wird. Die Grenzwerte sollten sich zukünftig am Realverbrauch auf der Straße orientieren und nicht lediglich Messergebnisse auf dem Prüfstand berücksichtigen. Die herstellerspezifischen Effizienzvorgaben sollten außerdem künftig nicht mehr gewichtsabhängig sein, um Anreize zur Gewichtsreduktion zu stärken. Für schwere Nutzfahrzeuge des Straßengüterverkehrs existieren auf EU-Ebene, im Unterschied zu vielen anderen Fahrzeugmärkten weltweit, bisher keine CO2-Flottengrenzwerte oder andere Effizienzvorgaben. Die Bundesregierung sollte die Einführung ambitionierter europäischer CO2– bzw. Energieverbrauchsgrenzwerte spätestens bis zum Jahr 2025 unterstützen. Aufgrund der vergleichsweise schnellen Flottenerneuerung schwerer Nutzfahrzeuge ließen sich hierdurch die spezifischen CO2-Emissionen des Straßengüterverkehrs bis 2030 deutlich mindern. Der Regulierungsansatz sollte sich dabei nicht allein auf die Motoreneffizienz fokussieren, weil weitere Potenziale zur Verbesserung der Gesamtenergieeffizienz im Bereich Aerodynamik, bei der Verringerung des Rollwiderstandes und bei Gewichtseinsparungen liegen. Als Ergänzung zu ordnungsrechtlichen Vorgaben auf europäischer Ebene empfiehlt der SRU eine Stärkung fiskalischer Effizienzanreize, um die Robustheit der Effizienzregulierung zu verbessern und die Flottenerneuerung zu beschleunigen. Es sollte vorübergehend ein Bonus-Malus-System eingeführt werden, durch das der Kauf besonders energieeffizienter Fahrzeuge finanziell unterstützt und der Kauf ineffizienter Fahrzeuge zusätzlich belastet wird. Zudem sollte die CO2-abhängige Kfz-Besteuerung beibehalten und ihre Anreizwirkung gestärkt werden. Alternativ sollte eine energieverbrauchsabhängige Kfz-Besteuerung eingeführt werden.
  1. Streckenabhängige Pkw-Maut
    Bestehende Mautsysteme dienen bislang überwiegend der Deckung von Wegekosten. Zukünftig können sie aber auch als wichtiges Steuerungsinstrument für die Verkehrsverlagerung, -vermeidung und -lenkung sowie zur Effizienzverbesserung und Flottenerneuerung fungieren. Um die Kostenwahrheit im Verkehr zu fördern und CO2– Emissionen zu vermindern, sollte die in der letzten Legislaturperiode beschlossene Pkw-Maut zu einer streckenabhängigen Maut fortentwickelt werden. Die Einführung einer solchen entfernungsabhängigen Pkw- Maut ist insbesondere auch angesichts einer zu erwartenden Verbreitung autonomer Fahrzeuge geboten, um unnötige Leerfahrten zu vermeiden, einen weiteren Anstieg der Beförderungsleistung zu verhindern und die intermodale Nutzung autonomer Fahrzeuge in Kombination mit dem ÖPNV finanziell anzureizen. Die weitere Ausdifferenzierung einer solchen Maut nach ökologischen oder verkehrstechnischen Kriterien kann sinnvoll sein, muss aber im Hinblick auf Datenschutz, Erhebungsaufwand und Verbraucherschutz abgewogen werden.
  1. Ausbau der Energieversorgungsinfrastruktur
    Um die Marktdurchdringung elektrischer Antriebe zu fördern, muss zügig eine bedarfsgerechte Ladeinfrastruktur aufgebaut werden. Diese Investitionen sollten durch den Bund vorübergehend staatlich gefördert werden. Das derzeitige Programm des Bundes, das 300 Mio. Euro in der Förderperiode 2017 bis 2020 bereitstellt, sollte daher fortgeführt und erweitert werden. Wie lange die staatliche Förderung notwendig sein wird, lässt sich derzeit noch nicht genau abschätzen. Da die Wirtschaftlichkeitsschwelle der Bereitstellung von Ladeinfrastruktur nicht in allen Regionen zeitgleich erreicht werden wird, kann zukünftig ein räumlich differenzierter Förderansatz erforderlich sein. Da ungefähr 85 % aller Ladevorgänge im privaten Bereich stattfinden, sollten bindende Vorgaben für die Bereitstellung von Ladeinfrastrukturen bei Neubauten auf EUEbene gemacht werden. Die gegenwärtigen rechtlichen Rahmenbedingungen erschweren Mietern und Gemeinschaftseigentümern den Einbau von Ladestellen für Elektrofahrzeuge an ihrem privaten Kfz-Stellplatz. Um den Auf- und Ausbau privater Ladepunkte zu fördern, sind deshalb, wie durch den Gesetzgeber geplant, Anpassungen im Bau-, Wohneigentums- und Mietrecht notwendig. Zudem sollten auch private Arbeitgeber verpflichtet 9 Empfehlungen des SRU für die neue Legislaturperiode werden, Ladeinfrastruktur auf ihren Firmenparkplätzen bereitzustellen. Oberleitungen sind eine technisch umsetzbare Option, um im Fernverkehr mit schweren Lkw, der für circa 80 % der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr verantwortlich ist, die Wirkungsgradvorzüge der direkten Elektrifizierung zu nutzen. Studien zufolge kann bereits durch die Elektrifizierung eines Drittels des deutschen Autobahnnetzes (d. h. ca. 4.000 km) ein elektrischer Fahranteil von circa 60 % erreicht werden. Sind die (auch in Deutschland durchgeführten) Demonstrationsprojekte erfolgreich, empfiehlt der SRU dem Bund, die Elektrifizierung von hochfrequentierten Autobahnabschnitten mit geeigneten Start-Ziel-Relationen zu planen und beispielsweise über die Lkw-Maut zu finanzieren.
  1. Gewinnung und Kreislaufführung benötigter Rohstoffe
    Die Elektromobilität hat in der Nutzungsphase deutlich geringere Umweltwirkungen als der Verkehr mit Verbrennungsmotoren, da weniger Lärm und geringere Emissionen anfallen (CO2, NOx, Feinstaub). In der Vorkette – Rohstoffförderung und -aufbereitung – verschieben sich die Umweltwirkungen, weil statt Erdöl andere Rohstoffe für die Motor- und Batterietechnik sowie für die Erzeugung erneuerbarer Energien benötigt werden. Der Bedarf an Lithium, Seltenen Erden, Kobalt, Platin und Kupfer wird deutlich steigen. Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen für die Verkehrswende müssen mittelfristig internationalen Umwelt- und Sozialstandards genügen. Die Bundesregierung sollte dazu Instrumente wie Rohstoffpartnerschaften, Zertifizierung und internationale Zusammenarbeit in Kooperation der Ressorts Umwelt, Wirtschaft sowie wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung deutlich ausbauen. Zudem sollte sie auf der nationalen und europäischen Ebene den Aufbau eines Rohstoffinventars forcieren, damit die Wirtschaft den Aufbau von Recyclingstrukturen planen und erwartbare Sekundärrohstoffmengen langfristig abschätzen kann. Auch der Forschungsbedarf für Behandlungs- und Recyclingtechnologien sowie Defizite im Aufbau der benötigten Infrastrukturen können hieraus abgeleitet werden. Erfasst werden sollten dabei mittelfristig nicht nur Fahrzeuge, sondern auch andere Produkte, darunter insbesondere die für die Energieerzeugung und -speicherung installierten Technologien, aber auch Endverbraucherprodukte wie elektrische und elektronische Geräte. So kann festgestellt werden, ob ähnliche Abfallströme verschiedener Produkte gleichzeitig anfallen und für das Recycling zusammengeführt werden können. Möglich wäre, das Inventar bei der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt anzusiedeln, um eine direkte Verknüpfung mit dem Thema Rohstoffbedarfe zu erreichen. Die Bundesregierung sollte die Zulassung neuer Fahrzeugtypen (aller Antriebs- und Fahrzeugarten) mit der Bereitstellung eines „Kreislaufpasses“ verknüpfen, in dem die Hersteller Informationen zu Rohstoffen (Grundlage für das Inventar), Demontagepläne und eine Verwertungsplanung zur Verfügung stellen. Dafür ist bereits bei der Produktentwicklung ein umfassendes Konzept zu erarbeiten, das sowohl die Demontagefähigkeit als auch die hochwertige Verwertung ermöglicht. Die Begriffe Recycling und stoffliche Verwertung sind mit dem Anspruch „gleicher oder höherwertiger Einsatz“ klar zu definieren und in den relevanten Gesetzes- und Verordnungstexten zu verankern. Die Bundesregierung sollte sich auch auf europäischer Ebene für eine Konkretisierung dieser Begriffe engagieren. Für die Verwertungswege sind beste verfügbare Techniken zur Erreichung einer hochwertigen stofflichen Verwertung zu bestimmen. Um die Erarbeitung und konkrete Implementierung spezifischer Anforderungen für Elektrofahrzeuge voranzubringen, sollte sich die Bundesregierung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass die Altfahrzeug- und die Batterie- Richtlinie zügig an die neuen Herausforderungen der Elektromobilität und mit Blick auf eine hochwertige Verwertung angepasst werden.
  1. Fortentwicklung der Verkehrsinfrastrukturplanung zu einer Bundesmobilitätsplanung
    Der Bundesverkehrswegeplan ist das wichtigste Steuerungsinstrument für die Verkehrsinfrastrukturplanung in der Zuständigkeit des Bundes. Aus Klimaschutz- und Nachhaltigkeitssicht sind Verkehrs- und Mobilitätskonzepte ausschlaggebend, die sich an den jeweiligen Raumund Infrastrukturgegebenheiten orientieren und deren verkehrliche, räumliche, gesundheitliche und umweltbezogenen Wirkungen berücksichtigen. Dies ist bei der derzeitigen Bundesverkehrswegeplanung nicht in ausreichendem Maß der Fall. Die Auswahl der (Aus-)Bauprojekte erfolgt zudem im Wesentlichen auf Nutzen- Kosten-Bewertungen, obwohl die Vergleichbarkeit dieser 10 Kurzfassung Analysen über verschiedene Projektarten und Verkehrsträger methodisch nur eingeschränkt möglich ist. Der Bundesverkehrswegeplan 2030 verfehlte zudem elf der zwölf von der Bundesregierung aufgestellten Umweltziele. Der SRU empfiehlt deshalb, die Bundesverkehrswegeplanung zu einer integrierten Bundesmobilitätsplanung fortzuentwickeln, die alle überregionalen Verkehrsträger (Straße, Schiene, Schiff, Luftverkehr) umfasst, einschließlich einer konsistenten bundesweiten Flughafenplanung. Dies erfordert eine Abkehr von der rein nachfrageseitigen Begründung der Verkehrsplanung, hin zu einer integrierten Raum- und Verkehrsplanung. Diese sollte – unter der Voraussetzung eines leistungsfähigen Verkehrssystems – anstreben, die Verkehrsleistung zu verringern und die Umwelt- und Gesundheitswirkungen des Verkehrs unter Beibehaltung der erforderlichen Mobilität zu minimieren.
  1. Behutsame Reform des Personenbeförderungsgesetzes
    Im ländlichen Raum ist die Mobilität durch den Linienverkehr vielfach kaum gewährleistet, selbst ein verlässlicher Taxiverkehr ist in manchen Regionen nicht mehr wirtschaftlich. Als Antwort darauf entstehen flexible Bedienformen und ehrenamtliche Angebote, die allerdings teilweise vor genehmigungsrechtlichen Hürden stehen. Schließlich stehen durch die Digitalisierung neue appbasierte Dienste zur Verfügung, die aber nicht immer die rechtlichen Anforderungen zur gewerblichen Beförderung erfüllen. Vor diesem Hintergrund wird gegenwärtig eine Reform des Personenbeförderungsgesetzes diskutiert. Vorgeschlagen wird eine sehr weitgehende Deregulierung der Personenbeförderung. Diejenigen, die dies befürworten, hoffen, dass insbesondere die Mobilität im ländlichen Raum durch neue Angebote gesichert werden kann. Es ist aber ungewiss, ob diese Angebote im ländlichen Raum tatsächlich entstehen würden. Zudem besteht die Gefahr, dass eine Deregulierung den bestehenden ÖPNV gerade in der Stadt schwächt. Der SRU spricht sich deshalb für einen Mittelweg aus: Neue, innovative Angebote sollten in die bestehenden Nahverkehrspläne eingebunden werden. Außerdem sollten die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass klassische flexible Bedienformen, wie zum Beispiel Rufbusse, sicher genehmigungsfähig sind.
  1. Emissionsminderungen in der Seeschifffahrt
    Langfristig sollten im Schiffsverkehr synthetische Energieträger auf Basis erneuerbarer Energien eingesetzt werden. Bereits heute besteht technisch die Möglichkeit, Schiffsantriebe von Schweröl und Diesel auf fossiles Erdgas (Liquified Natural Gas – LNG) umzustellen und damit den Ausstoß von Treibhausgasen und Luftschadstoffen stark zu senken. Sukzessive kann fossiles durch regenerativ erzeugtes Gas ersetzt werden. Es bestehen allerdings große Hemmnisse für den Einsatz von LNG. Die Kosten für eine Umstellung auf LNG sind angesichts von Überkapazitäten im Seegüterverkehr schwer zu refinanzieren. Zudem ist die Infrastruktur in den Häfen für die Betankung (sog. Bunkerung) teilweise unzureichend oder nicht vorhanden. Eine Dekarbonisierung der Seeschifffahrt erfordert politische Maßnahmen auf allen Ebenen. Da der Seegüterverkehr ein globaler Wirtschaftszweig ist, sollten Treibhausgasminderungsziele mit dem Ziel einer vollständigen Dekarbonisierung bis 2050 im Rahmen der International Maritime Organization (IMO) angestrebt werden. Auch auf europäischer Ebene sollte die Bundesregierung für eine ambitionierte Rahmensetzung eintreten. Notwendig wäre eine europaweite CO2-Bepreisung von Schiffskraftstoffen, um eine Verlagerung des Bunkerns von Kraftstoff in Häfen ohne CO2-Bepreisung möglichst zu vermeiden. Europäische Initiativen zur Minderung von Schadstoffemissionen im Seeverkehr haben gezeigt, dass Europa eine Vorreiterrolle spielen und die Regelungen der IMO beeinflussen kann. Der Environmental Ship Index – ein in allen bedeutenden europäischen Häfen etabliertes freiwilliges Bonussystem – sollte weiterentwickelt werden. Einerseits sollte der bislang vor allem Luftschadstoffe umfassende Index stärker auf den Klimaschutz ausgerichtet werden. Andererseits sollte er zu einem Malussystem umgestaltet werden, in dem Liegegebühren für Schiffe mit hohen Emissionen von Luftschadstoffen und Treibhausgasen mit Aufschlägen versehen werden. Auf nationaler Ebene empfiehlt der SRU eine Abschaffung der steuerlichen Privilegierung von Schiffskraftstoffen als ersten Schritt hin zu mehr Kostenwahrheit. Die Versorgung mit LNG sollte ohne zusätzliche Kosten für die Schiffe möglich sein. Daher sollte die Bundesregierung zunächst mit den Bundesländern einheitliche Regelungen vereinbaren.
  2. Stärkung des Klimaschutzes im Luftverkehr
    Die klimaneutrale Ausgestaltung des Luftverkehrs erfordert Maßnahmen auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene. International sollte kurzfristig CORSIA, das marktbasierte Instrument zur Reduktion der Treibhausgaswirkungen des Luftverkehrs, anspruchsvoller ausgestaltet werden. Insbesondere sollte es auch beim Einsatz von Bio- oder stromgenerierten Kraftstoffen zusätzliche Offset-Verpflichtungen für deren Nicht- CO2-Klimawirkung vorsehen, die nicht vermeidbar sind. Auf der europäischen Ebene sollten die Reduktionsziele für den Luftverkehr im Rahmen des EU-Emissionshandels verschärft und den Zielen der anderen Sektoren angeglichen werden. Darüber hinaus sollte mittelfristig die vollständige Klimawirksamkeit des Luftverkehrs (Nicht- CO2-Effekte) berücksichtigt werden. Außerdem sollte auf europäischer Ebene die europäische Mehrwertsteuerrichtlinie geändert werden, um grenzüberschreitende gewerbliche Flüge mehrwertsteuerpflichtig zu machen. Auf der nationalen Ebene ist es nötig, die Subventionierung des Luftverkehrs abzubauen, indem Kerosin besteuert wird. Ein koordiniertes Vorgehen einer größeren Gruppe von Staaten ist anzustreben, damit kein Anreiz geschaffen wird, Flugkraftstoff über den Bedarf für den Hinflug hinaus mitzunehmen. Der Ausschluss der Kerosinbesteuerung in bestehenden bilateralen Luftverkehrsabkommen sollte revidiert werden. Sinnvoll wäre es zudem, die Luftverkehrsteuer weiterzuentwickeln und sie nach Klimawirkung differenziert auszugestalten.
  1. Beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien
    Die weitgehende direkte und indirekte Elektrifizierung des Verkehrs sowie weiterer Verbrauchssektoren wird – auch bei ambitionierter Effizienzpolitik – mit einem deutlichen Anstieg der Stromnachfrage einhergehen. Damit der zusätzliche Strombedarf auch tatsächlich treibhausgasarm gedeckt werden kann, ist der Ausbau der erneuerbaren Stromgestehungskapazitäten deutlich zu beschleunigen. Die mit dem EEG 2017 angestrebten Zubauraten sind für eine Umstellung der Energiebasis auf erneuerbaren Strom nicht ausreichend. Ihre tatsächliche Realisierung ist überdies fraglich. Der zukünftige Zubaukorridor sollte sich dabei proaktiv an Stromverbrauchsszenarien orientieren, denen anspruchsvolle Klimaziele und die daraus resultierende Elektrifizierung der Verbrauchssektoren zugrunde liegen. Neben einer Anpassung der kurz- und mittelfristigen, im EEG geregelten Zubauraten sind auch die langfristigen 2050-Ziele für den Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung insgesamt (60 %) und am Strommix (80 %) deutlich zu niedrig. Letztlich muss die Energieversorgung spätestens bis zur Mitte des Jahrhunderts nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhen.  Es ist wahrscheinlich, dass Deutschland seinen Energiebedarf langfristig nicht vollständig aus heimischen Quellen decken können wird. Dies gilt vor allem für den Bedarf an synthetischen Kraftstoffen für den Schiffs- und Flugverkehr. Die Bundesregierung sollte frühzeitig Strategien zur Erschließung geeigneter Standorte erarbeiten, die die Interessen der Produktionsländer berücksichtigen.  Auch wenn synthetische Kraftstoffe im großen Maßstab außerhalb Deutschlands hergestellt werden, sollte diese wichtige Zukunftstechnologie dennoch industrieund forschungspolitisch gefördert werden.

Ausblick

Der Verkehrssektor steht vor großen Umbrüchen, die technologisch getrieben, aber auch klima-, umwelt- und gesundheitspolitisch notwendig sind. Dabei ist der Verkehrssektor international durch eine hohe Dynamik gekennzeichnet. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht derzeit die Einführung von Elektrofahrzeugen. Es sollte im Bewusstsein bleiben, dass es bei der Verkehrswende nicht nur um den Umstieg auf andere Antriebstechnologien und auch nicht allein um den Klimaschutz geht. Vielmehr bietet der Wandel im Verkehrssektor die Chance, Mobilität neu zu denken und damit stärker an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten.

->Quellen: