Regionaler Klimawandel: Trocken im Südwesten, feucht im Nordosten Deutschlands

Führende Klimaforscher in Deutschland stellen erstmals aktuelle belastbare Klimaprojektionen für Deutschland und die Flusseinzugsgebiete vor

Heiße und trockene Sommer, milde und feuchte Winter: Klimaforscher der Universität Hohenheim in Stuttgart und ihre Projektpartner präsentieren am 06. und 07.12.2017 in Wiesbaden die Ergebnisse ihrer regionalen Klimaprojektionen für Deutschland. Laut Pressemitteilung der Uni-Hohenheim vom 06.12.2017 wird demnach die gesamte Bundesrepublik in Bedrängnis kommen – wenn die Klimapolitik nicht aktiv gegensteuert.

Klimaforscher, u.a. von der Universität Hohenheim, stellen neuste Klimaprojektionen vor – Bildquelle: Universität Hohenheim, Wofram Scheible

Für das künftige Klima in Deutschland gibt es eine gute und eine schlechte Nachricht. Die schlechte: Bei einem Weiter-wie-bisher-Szenario werden Hitzeperioden zunehmen, wird Starkregen heftiger, erhöht sich die Jahresmitteltemperatur um wahrscheinlich fast 4 °C – mit massiven Konsequenzen für die Landwirtschaft und die Gesundheit der Bevölkerung. Wenn jedoch alle Vereinbarungen konsequent umgesetzt werden – und das ist die gute Nachricht – ist die in Paris vereinbarte Zwei-Grad-Grenze (seit Beginn der Industrialisierung) immer noch erreichbar.

Dies ist das Ergebnis eines von den Bundesländern initiierten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit drei Millionen Euro geförderten Projektes mit dem Titel „Regionale Klimaprojektionen Ensemble für Deutschland“ (ReKliEs-De). Erstmals gibt es aktuelle belastbare Aussagen über die Bandbreite der mittleren Änderungen und der Extreme der zukünftigen Klimaentwicklung in Deutschland sowie den Einzugsgebieten der großen nach Deutschland entwässernden Flüsse für die Klimafolgenforschung und Politikberatung.

Am 06. und 07.12.2017 stellen die Projektpartner ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit im Wiesbadener Landeshaus vor – verbunden mit einem dringenden Appell an die Politik, den Ausstoß von Treibhausgasen entsprechend dem Klimaschutzabkommen zu reduzieren.

[note An dem vom Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie koordinierten Projekt beteiligt waren: die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg, das Climate Service Center Germany (GERICS), der Deutsche Wetterdienst, das Deutsche Klimarechenzentrum, das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und die Universität Hohenheim.]

Temperatur: Massiver Anstieg der Mittelwerte und mehr Hitzeperioden

Im Klimaschutz-Szenario, so die Rechenmodelle der Forscher, würde die Erwärmung im 21. Jahrhundert nur rund 1 °C betragen. Doch mit einem Weiter-wie-bisher-Szenario steigt die Jahresmitteltemperatur um fast 4 °C. Hitzeperioden nehmen zu, Kälteperioden dagegen ab oder bleiben ganz aus.

„Das wäre ein Desaster“, warnt Prof. Dr. Volker Wulfmeyer, Klimaforscher an der Universität Hohenheim. „Viele Menschen würden schwere gesundheitliche Probleme bekommen und auch die Landwirtschaft geriete in Schwierigkeiten.“ Beispielsweise könne der Anbau von ertragreichem Winterweizen problematisch werden, weil dieser zum Wachstum eine Frostperiode benötigt.

Niederschläge: Trocken im Südwesten, feucht im Nordosten

Bei den Niederschlägen haben die Forscher große Unterschiede zwischen den Jahreszeiten errechnet: Im Winter nehmen die Niederschläge signifikant zu. „Da es wärmer wird, werden im Winter die Hochdruckgebiete aus Sibirien zurückgedrängt. Stattdessen haben wir mehr atlantische Tiefdruckgebiete“, erläutert Prof. Dr. Wulfmeyer.

Das Problem: Durch die höheren Temperaturen kommt der Niederschlag im Winter vermehrt als Regen statt als Schnee auf die Erde. Schnee dient aber als Speicher, der bei der Schneeschmelze im Frühjahr die Grundwasservorräte auffüllt, Regen dagegen wird rasch in die Meere abgeführt. Mit kritischen Folgen: „Wir müssen uns auf mehr Hochwasser im Winter einstellen“, warnt die Hohenheimer Projektmitarbeiterin Dr. Viktoria Mohr, „und darauf, dass die Grundwasservorräte zurückgehen.“

Im Sommer wird es dagegen trockener, es ist häufiger mit mehr Tagen in Folge ganz ohne Niederschlag zu rechnen. Besonders die Anzahl der Perioden mit mehr als 14 Tagen ohne Regen nimmt zu.

Regional betrachtet wird im Sommer Baden-Württemberg zum Hotspot: Schräg durch Deutschland bildet sich nach den Modellrechnungen der Klimaforscher ein Gradient heraus. Der Südwesten wird wesentlich trockener sein als heute, der Nordosten zeigt dagegen kaum Veränderungen.

Supercomputer: Hochleistungsrechnen für das Klima

Um das Ziel des Projektes zu erreichen, wurde in den letzten drei Jahren (September 2014 bis Dezember 2017) eine weltweit einzigartige Datenbasis geschaffen. Sie besteht aus räumlich hochaufgelösten regionalen Klimaprojektionen auf Basis dynamischer Modelle und statistischer Methoden, welche systematisch die von dem europäischen Klimaforschungsprojekt EURO-CORDEX erzeugten Ergebnisse ergänzen.

Die Universität Hohenheim war mit diesem Projekt erstmalig maßgeblich an einer Simulation des Klimawandels beteiligt. Fünf der insgesamt 37 einbezogenen Klimasimulationen haben die Hohenheimer Forscher mit ihrem eigenen Klimamodell gerechnet. „Das ist ein gewaltiges Datenvolumen, für das wir den schnellsten Supercomputer Deutschlands im Höchstleistungsrechenzentrum Stuttgart genutzt haben“, berichtet Dr. Kirsten Warrach-Sagi, Leiterin der Arbeitsgruppe „Modellierung des Erdsystems und Datenassimilation“ an der Universität Hohenheim.

Auch den weiteren Forschungen an der Universität Hohenheim kommen diese neuen Ergebnisse zugute, etwa im Forschungsnetzwerk Klimavariabilität und in der DFG-Forschergruppe „Regionaler Klimawandel“.

Hintergrund: Projekt Regionale Klimaprojektionen Ensemble für Deutschland (ReKliEs-De)

[note Das Projekt „Regionale Klimaprojektionen Ensemble für Deutschland“ (ReKliEs-De) wurde von den Bundesländern initiiert und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 3 Millionen Euro gefördert. Es lief seit September 2014 über gut drei Jahre bis Dezember 2017.]

Im Rahmen des Projektes wurden viele wichtige Teilziele definiert und bearbeitet. Dies umfasste in erster Linie die Vergrößerung der Datenbasis und die Berechnung einer Vielzahl nutzerorientierter Klimakennzahlen. Darauf aufbauend lässt sich abschätzen, ob Risiken neu bewertet und Anpassungsmaßnahmen anders konzipiert oder priorisiert werden müssen.

Zu den Projektzielen gehört auch die Abschätzung, wie viele Klimaprojektionen notwendig sind um die vorhandene Bandbreite korrekt abzudecken. Es zeigte sich, dass dies für Mittelwerte der Temperatur bereits mit weniger als 10 Klimaprojektionen möglich ist. Für die mittlere Niederschlagshöhe ist ein Ensemble von rund 30 Modellen erforderlich. Bei seltenen Ereignissen wie z. B. tropischen Nächten oder Starkregen-Kennzahlen erhöht sich dagegen die Bandbreite im vorliegenden Ensemble immer weiter, je mehr Projektionen hinzukommen.

Für die meisten Temperaturkennzahlen liefern alle Modelle relativ einheitliche Ergebnisse. Größere Abweichungen mit zum Teil gegenläufigen Trends ergeben sich bei den Niederschlagsänderungen. Diese sind vorwiegend durch die zwei unterschiedlichen Simulationsmethoden bedingt (dynamische und statistische Modelle), die in ReKliEs-De berücksichtigt werden.

Die direkten Modellergebnisse und die berechneten Klimaindizes sind einheitlich aufbereitet und standardisiert. Die Daten werden in der am Deutschen Klimarechenzentrum betriebenen Weltklimadatenbank WDCC langzeitarchiviert und stehen auch Nutzern außerhalb des Projektes zur Verfügung.

Ein Ergebnisbericht stellt die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Projekt in kompakter Form zusammen. Grafiken der Projektergebnisse werden auf einer Internetseite bereitgestellt. Für die Zielgruppen des Projektes wird in einem Nutzerhandbuch erläutert, wie die wissenschaftlichen Ergebnisse in der Praxis verwendet werden können.

Die Projektergebnisse von ReKliEs-De leisten einen wichtigen Beitrag zur Erforschung des Klimawandels in Deutschland und stellen die Basis für mögliche Anpassungsmaßnahmen und politische Entscheidungen dar. Text: HLNUG / Elsner

->Quelle: Uni-Hohenheim.de/pressemitteilung 06122017