Osteuropa auf dem Weg zur Energiewende

Die energiepolitische Einordnung der Studienergebnisse

Die Wirtschaftlichkeit der Dekarbonisierung würde noch steigen, wenn, wie international erwogen, Preise für CO2-Emissionen in die Kalkulation einbezogen würden. Insgesamt basiere damit das „Revolutionäre Szenario“ auf eher konservativen Annahmen, sodass sogar eine noch günstigere Bilanz nicht unwahrscheinlich wäre.

In der energiepolitischen Einordnung der Studienergebnisse betonte Iryna Holovko, Energieexpertin der Umweltorganisation „Ecoaction“ aus Kiew. zunächst den produktiven Charakter der Diskussionsprozesse im Rahmen der Studien-Vorbereitung mit einem so großen interdisziplinären Kreis von ukrainischen Akteuren und Akteurinnen. Sie beklagte jedoch, die offizielle Energiestrategie 2035 der Regierung schreibe lediglich die Entwicklung aller Sektoren der Energiewirtschaft fort, verfolge aber kein strategisches Ziel und dämme die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen nicht ein. Die Energieintensität des Landes solle nach der Strategie selbst 2035 noch nicht das heutige Niveau der östlichen EU-Mitgliedsländer erreichen.

Für die 2018 auch in der Ukraine anstehende Überarbeitung der bisher vollkommen unambitionierten nationalen Ziele im Rahmen des Pariser Klimaprozesses biete die Studie eine hervorragende Grundlage. Ein breiter Ausbau der Erneuerbaren in der Ukraine brauche aber vor allem ein verbessertes Investitionsklima. Energieeffizienz müsse auch im Staatshaushalt als prioritär angesehen werden, nicht nur in Sonntagsreden. Würde es hier vorangehen, könnten schnell marode Kohlekraftwerke und alte Atommeiler vom Netz genommen werden.

Bürgerschaftlich organisierten Energiegenossenschaften

Einen besonderen Teilaspekt einer „Energiewende“ in Osteuropa, nämlich die Potenziale bürgerschaftlich organisierter Energiegenossenschaften, untersuchten Katharina Habersbrunner von der Organisation Women Engage for a Common Future (WECF) aus München und Zoran Kordic, Mitbegründer der Organisation „Green Energy Cooperatives“ aus Zagreb in ihrer gerade abgeschlossenen ebenso von der Heinrich-Böll-Stiftung mit unterstützt Analyse.

Energiegenossenschaften werden hierbei verstanden als eine Form von Bürgerenergie, bei der sich Einzelpersonen und/oder Kleinunternehmen zum Zweck des gemeinschaftlichen Baus und Betriebs lokaler energietechnischer Anlagen zusammenschließen. Die in verschiedenen EU-Ländern praktizierten Modelle von Energiegenossenschaften leisten Beiträge etwa zum Ausbau und zur Akzeptanz Erneuerbarer Energiequellen und von Energieeffizienztechnologien, somit direkt und indirekt auch zur Reduzierung von CO-Emissionen, zur Beteiligung breiter Bevölkerungskreise an Gewinnen aus der Energieerzeugung oder zur Sicherung der örtlichen Energieversorgung und lokaler Wertschöpfung.

Auf Basis von Interviews mit Expert/innen aus den acht postsozialistischen Ländern Armenien, Belarus, Bosnien-Herzegowina, Georgien, Kroatien, Moldau, Serbien und Ukraine legten die Autor/innen nun den Grundstein für eine Bestandsaufnahme zur Entwicklung solcher Genossenschaftsmodelle in der Region. Wirklich etablierte Energiegenossenschaften bestehen nirgendwo.

Großes Potenzial der Bürgerenergie

In der Regel schließen die rechtlichen Rahmenbedingungen die Gründung von Genossenschaften aber nicht aus. Katharina Habersbrunner und Zoran Kordic identifizierten interessante Pilotprojekte z.B. in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Georgien, deren Erfahrungen für interessierte Initiativen aus der Region wertvoll sein können.

Neben Know-how-Transfer müsse v.a. der Rechtsrahmen für Bürgerenergieprojekte in den Ländern gestärkt werden. Eigenerzeugung und -verbrauch, der Anschluss an Stromnetze und Selbstvermarktung von dezentral erzeugtem Strom müsste ermöglicht werden. Hinderlich sind hierbei die verbreiteten Monopolstrukturen in der Energiewirtschaft. Vielfach sei aber auch die Kultur bürgerschaftlicher Beteiligung am Gemeinwesen generell schwach ausgeprägt.

Insgesamt bescheinigten beide Autor/innen der Bürgerenergie großes Potenzial, nicht nur zur energetischen Transformation, sondern etwa durch gezielte Beteiligung von benachteiligten Gruppen der Gesellschaft auch zu sozial nachhaltiger Entwicklung, lokaler Wertschöpfung und zur Verringerung von Energiearmut beizutragen.

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