Netz-Stabilisierung kostete fast eine Milliarde

Tennet meldet Rekordkosten für Noteingriffe

Der Ausbau der volatilen Erneuerbaren Energien setzt das deutsche Stromnetz unter Druck. Stromnetzbetreiber Tennet musste 2017 fast eine Milliarde Euro für Noteingriffe in sein Netz zahlen, das mitten in Deutschland von Schleswig-Holstein bis zum Süden Bayerns reicht. Das teilte Tennet am 01.01.2018 auf der Grundlage vorläufiger Zahlen mit. Am Ende zahlt der Verbraucher, sagen Experten.

Hochspannungsleitung im Norden Berlins – Foto © Hofmann für Solarify

Die Unterschiede zwischen Nord und Süd bringen das deutsche Stromnetz an seine Grenzen, so viele Medienmeldungen. Um das Netz zu stabilisieren, musste der große Stromnetzbetreiber Tennet 2017 fast eine Milliarde Euro für Noteingriffe zahlen. 2015 hatten die   noch deutlich weniger – 710 Millionen Euro, im windschwachen Jahr 2016 sogar nur 660 Millionen Euro – gekostet. Diese Kosten werden über die Netzentgelte auf den Strompreis umgelegt.

„Das Netz ist wegen des starken Zubaus der Erneuerbaren weiter extrem überlastet. Wir brauchen zwingend ein Energiewende-Netz, also die vom Gesetzgeber beschlossenen Netzausbauprojekte“, sagt Lex Hartmann, Mitglied der Tennet-Geschäftsführung. Bis dahin seien Netzengpässe, hohe Kosten für den Verbraucher und eine zunehmend instabile Versorgung die „harte Wirklichkeit“.

Solarify dazu: Nicht die Erneuerbaren Energien sind schuld, sondern die übertriebene – weiter laufende – Zahl der Kohlekraftwerke, die sogar Gaskraftwerke zu oft still liegen lässt.

Milliardenkosten für Verbraucher

Auch Bundesnetzagentur-Präsident Jochen Homann beruhigt: „Diese Kosten sinken erst durch die großen Stromleitungen“, sagt Homann. Allerdings hält der Behördenchef die Versorgung auch in der Zwischenzeit bis zum Start der neuen Leitungen für sicher. „Eine Warnung vor Stromausfällen bis dahin wäre übertrieben.“

Stabilisierende Noteingriffe werden nötig, wenn vor allem Windstrom nicht ausreichend aus dem  häufig stürmischen Norden nach Süden geleitet werden kann. Dann müssen immer wieder Kohle- und Gaskraftwerke heruntergefahren und Windparks gegen Kostenerstattung abgeschaltet werden, weil sonst mehr Strom produziert würde, als die Netze aufnehmen können. Damit im Süden Deutschlands trotzdem nicht die Lichter ausgehen, müssen dort zugleich konventionelle Reservekraftwerke hochgefahren werden. Oft kommt die Netzreserve aber auch aus Österreich und der Schweiz, die zuvor Strom zu negativen Preisen gekauft haben.

Viel Strom, wenig Netz

Gleichzeitig geht der – notwendige – Ausbau der Off- und Onshore-Windkraft weiter voran. Nach vorläufigen BDEW-Zahlen ist der EE-Anteil an der Stromerzeugung 2017 auf mehr als 36 Prozent (siehe: solarify.eu/ee-anteil-2017-36 gestiegen. „Die Lage wird sich erst entspannen, wenn das Energiewende-Netz ausgebaut ist“, sagte Tennet-Geschäftsführer Hartmann. Experten halten dagegen: Erst wenn der Kohleausstieg durchgesetzt werde, sei eine Beruhigung zu erwarten.

Tennet baut selbst zusammen mit dem Netzbetreiber TransnetBW die Stromverbindung Südlink für den Transport von Windstrom von der Nordsee nach Bayern und Baden-Württemberg. Nach jetzigem Planungsstand soll sie 2025 fertig werden, falls Klagen den Bau nicht aufhalten.

Tennet hat wegen der großen Ausdehnung seines Netzgebietes auch den größten Anteil an den deutschen Netzeingriffskosten. Nach der Abschaltung der letzten Atomkraftwerke 2022 könnten die Eingriffskosten laut Bundesnetzagentur sogar auf bis zu vier Milliarden Euro bundesweit im Jahr anwachsen.

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