Weckruf für EU-Klimaschutz

Auch Reiche profitieren vom Klimaschutz

„Aber auch reichen Regionen der Erde wie Europa werden die steigenden Belastungen durch größere Temperaturanstiege nicht entgehen. Langanhaltende Perioden mit hohen Temperaturen – wie die tödliche Hitzewelle im letzten Sommer – werden künftig häufiger. Dürren werden landwirtschaftliche Erträge treffen. Stärkere Auswirkungen des Klimawandels an Europas Grenzen werden mehr Verzweifelte und Schutzsuchende zur Flucht bewegen.

Europa muss – wie in Paris versprochen – seinen Beitrag zum Schutz der am stärksten gefährdeten Völker der Erde leisten. Daneben hat es natürlich auch eigennützige Gründe, sich zu bemühen, die schlimmsten Folgen des Klimawandels zu verhindern.

Um die 1,5-°C-Obergrenze einzuhalten, müssen die weltweit noch immer steigenden CO2-Emissionen bis 2050 unter dem Strich auf null zurückgehen. Für alle Treibhausgase, einschließlich Methan und Stickoxid, muss dieser Punkt in den 2060er Jahren erreicht werden. Außerdem müssen große Mengen an CO2 aus der Atmosphäre beseitigt werden: durch Aufforstung, eine Kohlenstoffanreicherung des Ackerbodens und andere Techniken (siehe Negative Emmissionen: solarify.eu/negative-emissionen).

Als ersten Schritt muss sich die EU eingestehen, dass ihre bisherigen Anstrengungen nicht ausgereicht haben. Ihr langfristiges Klimaziel lautet: ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 % unter das Niveau von 1990 zu senken. Mit den Maßnahmen, die sie bis dato ergriffen hat, wird die EU jedoch nur das untere Ende dieser Spanne erreichen.

Daher sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten einen Plan auf den Weg bringen, der zu Nullemissionen aller Treibhausgase bis 2050 führt – so hat es das Europäische Parlament in seiner Position zur Governanceregulierung gefordert. Im nächsten Schritt können dann die Meilensteine für 2030 und 2040 entsprechend ange passt werden. Das würde den Entwicklungsländern ein wenig Raum zum Atmen für ihre eigenen Emissionsminderungen verschaffen.

Die gute Nachricht ist, dass die benötigten technologischen Lösungen – erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Elektrofahrzeuge, klimafreundliche Landwirtschaftstechniken, Abscheidung und Speicherung von Kohlendioxid – schon existieren und preislich immer wettbewerbsfähiger werden. Um ihren Einsatz in großem Umfang zu ermöglichen, braucht es lediglich den politischen Willen, den erforderlichen gesetzlichen Rahmen und – in manchen Fällen – relativ geringe und nach und nach sinkende finanzielle Unterstützung.

Beim Klimaschutz voranzugehen verspricht eine Reihe von Vorteilen über die Eindämmung des weltweiten Temperaturanstiegs hinaus. Die Reduzierung von Treibhausgasemissionen verringert die Luftverschmutzung vor Ort und verbessert so die Gesundheit. Sie fördert technologische Innovation und ist somit eine Quelle für Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsvorteile und Beschäftigung. Sie verspricht sicherere und kosteneffizientere Energiesysteme. Alle diese Zusatzvorteile sind umso größer, je entschlossener gehandelt wird, um auf den 1,5-°C-Pfad umzuschwenken.

Dagegen sind die wirtschaftlichen Kosten, falls nicht auf den Klimawandel reagiert wird, enorm. Laut dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) wächst die Weltwirtschaft bis 2050 um 10 % mehr, wenn es gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen – im Vergleich zu einem Pfad zu 2,5 °C Erwärmung. Ein solches Wirtschaftswachstum würde auch in Europa die Kosten für ein rasches Umlenken auf einen Nullemissions-Pfad gering erscheinen lassen.

Zweifelsohne erfordert es erhebliche Anstrengungen, um den durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen. Klar ist auch, dass wenig Zeit zum Handeln bleibt, bis die in der Atmosphäre angesammelten Treibhausgase uns zu noch stärkeren Temperaturanstiegen in den kommenden Jahrhunderten verdammen – und das unabhängig von künftigen Reduzierungen.“

[note Bert Metz ist ein niederländischer Klimatologe und war Verhandlungsführer für die Niederlande und die Europäische Union beim UN-Rahmenübereinkommen über Klimaänderungen sowie beim Kyoto-Protokoll und von 1997 bis 2008 Co-Vorsitzender der Arbeitsgruppe zu Emissionsreduktionen beim Weltklimarat (IPCC Climate Change Mitigation Working Group). Er ist Fellow der European Climate Foundation und Mitglied mehrerer wissenschaftlicher Beratungsgremien]

->Quelle: euractiv.de/der-15-c-bericht-des-weltklimarats-ein-weckruf-fuer-den-europaeischen-klimaschutz