Digitalisierung der Energiewende droht zu scheitern

Sicherheit und Vernetzung

„Mit der Digitalisierung der Energiewende droht wieder ein anspruchsvolles Großprojekt zu scheitern“, sagt der Wissenschafts- und IT-Journalist Peter Welchering im Deutschlandfunk und und auf zdf.de. Einen Grund dafür sieht er darin, „dass die Sicherheit der geplanten intelligenten Stromzähler weiter ungeklärt ist“. Aber auch andere wichtige IT-Projekte kämen derzeit nicht voran.

Früher auf seine Art sicher: Analoger alter Bakelit-Zähler – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Das ZDF titelte am 11.02.2018: „Digitalisierung der Energiewende stockt“. Dass 2018 eigentlich das Jahr der Energiewende werden sollte, indem Wohnungen, Häuser, Werkstätten, Industrieanlagen und öffentliche Gebäude mit Smartmetern ausgestattet würden, daraus werde erst einmal nichts. Und registriert – wieder einmal – klassisches Behördenversagen. Die Smartmeter regeln den Datenaustausch: Wenn zum Beispiel das E-Auto abends aufgeladen werden soll, „fragt“ der Smartmeter nach, ob gerade ausreichend Strom aus Erneuerbaren Energien angeboten wird. Und wenn ein Hausbesitzer mit seiner PV-Anlage selbst Strom erzeugt und zwischenspeichert, handelt der Smartmeter über das Gateway für ihn aus, wann sein Strom aus dem Speicher zum für ihn günstigsten Verkaufspreis ins Netz eingespeist wird.

Der Stau liegt am extrem komplexen Zertifizierungsprozess für die Zähler: „Bisher sind zwar acht dieser Gateways beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in der Zertifizierung, aber es ist eben noch kein Gateway zertifiziert. Und ohne Sicherheitszertifikat können die nicht ausgeliefert werden (Welchering).“ Der Vorwurf an die Politik lautet darüberhinaus: Das BMWi habe die unterschiedlichen zuständigen Ämter nicht koordiniert und die notwendigen Prüfprozesse viel zu spät geregelt. So sei eine nicht mehr beherrschbare Komplexität entstanden.

Welchering stellt nämlich fest: „Wer den intelligenten Stromzähler samt Schnittstelle für die Datenübertragung beherrscht, beherrscht die Wohnung. Wer sich ins Smartmeter hackt, kann den Stromzähler auf Null stellen oder um 100 Kilowattstunden erhöhen. Vom Stromzähler aus kann der Angreifer zumindest auf Teile der Haussteuerung zugreifen und die Waschmaschine einschalten, wenn die Bewohner es gar nicht wollen. Der Hacker kann über das Smartmeter auch mal eben die Heizung ausschalten.“ Gefahr für den Stromkunden: Er könnte im Dunkeln sitzen – Blackout. Der drohe vor allem dann, wenn mehrere tausend Haushalte über deren Smartmeter ohne gesichertes Gateway von Hackern vom Netz genommen oder wieder mit dem Netz verbunden würden; das führe zu Schwankungen, die kein Stromnetz verkrafte. Die Konsequenz: flächendeckender Stromausfall.

Diese Gefahr habe die Bundesregierung jahrelang unterschätzt – und sich schlicht nicht um eine sichere Kommunikationsschnittstelle gekümmert. Deshalb dauere es jetzt noch einige Zeit, bis diese Gateways verfügbar seien. Welchering im DLF: „Positiv gewendet hat die Bundesregierung jetzt noch mal eine Nachdenkpause. Um die Klimaziele zu erreichen, ist das übel. Und es zeigt, dass ein weiteres informationstechnisches Großprojekt, und die Digitalisierung der Energiewende ist ein anspruchsvolles Großprojekt, dass dieses Projekt zu scheitern droht, und zwar nicht nur wegen der Gateway. Da geht es um Vernetzung von Ladesäulen in der E-Mobilität. Da geht es um Vernetzung bei der Verteilung erneuerbarer Energien. Da geht es um Verbrauchsoptimierung. Alles Projekte mit einem ganz hohen Informationstechnik-Anteil. Und die dafür nötigen IT-Projekte kommen im Augenblick allesamt nicht vom Fleck. Aber ohne die Digitalisierung der Energiewende gibt es weder E-Mobilität noch stabile Stromversorgung in der Zukunft noch Erreichen der Klimaziele. Es hängt viel von der IT ab, und sie droht hier gerade den Bach runter zu gehen.“

Martin Käßler vom Karlsruher Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung hat Zukunfts-Szenarien der digitalen Energiewende überprüft: „Wir haben 40 Millionen Elektrofahrzeuge; die werden alle gleichzeitig beladen, abends um 18 Uhr. Die Ressourcen hat das Netz in Deutschland momentan nicht. Das geht nicht. Wir konnten zumindest ableiten: Wie viele Autos kann man denn parallel beladen? Da ist man so zwischen zehn und 30 Prozent, je nach Netzstruktur, je nach Dichte der Ladesäulen, immer auf der niedrigsten Spannungsebene, das heißt ich lade das Fahrzeug zu Hause.“ Käßler weiter: „Das ist momentan auch ein Forschungsthema, weil die Idee des Smartmeters besteht jetzt nicht unbedingt darin, die Prognose zu verbessern, sondern, dass ich zum Beispiel mehrere Tarife pro Tag anbieten kann.“ Das bedeute, dass man Kunden über einen Preisanreiz möglicherweise dazu bringenen kann, ihren Stromverbrauch zu verschieben.

Es ist eines der Hauptziele der Energiewende unter dem Stichwort Effizienz, mittels Digitalisierung den Stromverbrauch von Millionen Kunden, so zu dirigieren, dass das jeweils aktuelle Angebot optimal ausgenutzt werden kann. Weil aber die Bedeutung von Gateways und ihrer Sicherheit aber von der Bundesregierung dramatisch unterschätzt worden sei, stocke die Energiewende jetzt: Zwei bis sieben Jahre seien verloren gegangen, berichtet Welchering von der Essener Energiefachmesse E.World.

Peter Welchering (Nach dem Studium der Philosophie und Theologie arbeitete er seit 1983 als Technik- und Wissenschaftsjournalist für Hörfunk, Fernsehen und Print (u.a. Deutschlandradio, ZDF, verschiedene ARD-Sender, FAZ). Er war sechs Jahre Chefredakteur der Computer Zeitung und Business Online und hat das Online-Portal IndustrieNet mit aufgebaut und hat verschiedene Lehraufträge an Journalistenschulen in Deutschland und anderen Ländern.

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