Kommission schlägt Diesel-Nachrüstung mit Steuergeld vor – DUH: „Falschmeldung“

Empörung: „Kapitulation vor der Autoindustrie“ – Polizeigewerkschaft: Fahrverbote nicht zu kontrollieren

Informationen des Bayerischen Rundfunks und der Süddeutschen Zeitung zufolge will eine Expertenkommission des Verkehrsministeriums (BMVI) die nötigen Hardware-Nachrüstungen älterer Diesel-Motoren mit Steuergeldern fördern. In einem den beiden Medien vorliegenden Kommissionspapier heißt es, das Kraftfahrtbundesamt könne die Autobauer nur zu einer solchen Maßnahme verpflichten (obwohl sie die Verantwortlichen sind), „sofern das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinreichend nachgewiesen ist“. Deswegen überlegen die Experten jetzt, ob „öffentliche Mittel“ eingesetzt werden können. „Umweltpolitiker sind entsetzt. Dem nationalen Diesel-Gipfel droht der nächste Eklat,“ so die SZ.

Diesel-Abgas – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Politiker und Verbände reagierten ablehnend bis empört – sie sehen in erster Linie die Konzerne in der Pflicht: So stehe der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, der Idee „sehr zurückhaltend“ gegenüber: „Ich habe den Eindruck, dass sich die Autoindustrie nicht in der Verantwortung sieht. Und das ist eindeutig falsch.“ Und Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, forderte das Verursacherprinzip ein: „Für die entstehenden Kosten müssen aus Sicht des vzbv nach dem Verursacherprinzip die Autohersteller aufkommen. Ebenso müssen sie für mögliche Folgeschäden der Nachrüstung geradestehen. Die Fahrzeughalter für etwas zur Kasse zu bitten, für das sie nichts können, wäre ein Unding. Gleichzeitig darf sich der Staat nicht vor den Karren der Autoindustrie spannen lassen. Bevor ein staatliches Förderprogramm überhaupt diskutiert werden darf, müssen die Hersteller zur Übernahme des Großteils der Kosten verpflichtet werden.“

Der Verkehrsclub Deutschland (vcd) sprach von einer „Kapitulation vor der Autoindustrie“. Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD: „Folgt die Bundesregierung der Empfehlung ihrer Berater, wäre dies ein fatales Signal für den Rechtsstaat. Nicht die Opfer, sondern die Verursacher der schlechten Luft müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die Entscheidung über die Nachrüstung von Diesel-Pkw ist eine Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der großen Koalition. Wir erwarten, dass CDU, CSU und SPD eine Beteiligung der Steuerzahler an den Kosten deutlich zurückweisen. Zum Verdeutlichen: In Deutschland sitzen 4700 Menschen wegen Schwarzfahrens im Gefängnis, aber kein einziger Automanager.“

Und auch Bundesländer (wie Rheinland-Pfalz und Berlin) würden der Branche gerne die kompletten Kosten auferlegen (SZ). Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer warf der Regierung vor, sie stelle das Verursacherprinzip auf den Kopf: „Eine Frechheit“ nennt er das.

VDA bleibt stur: „Hardware-Nachrüstungen zu aufwändig“

Kein Wunder, dass der Verband der Automobilindustrie (VDA) stur bei seiner Sicht der Wirklichkeit blieb – geht es doch um viel Geld für die betrügerischen Autoklempner. Hardware-Nachrüstungen seien „äußerst komplex und aufwändig. Insbesondere müssen individuelle Lösungen für einzelne Baureihen entwickelt werden“, ließen die in einem Sondervotum festhalten. Sie stützen das mit einem vom BMVI in Auftrag gegebenen Gutachten der Technischen Universität München, demzufolge die Nachrüstung etwa älterer Euro 5-Diesel-Fahrzeuge sei „mit verträglichem Aufwand möglich“.
[note Die Süddeutsche sieht einen „Zielkonflikt: Denn die Nachrüstungen sorgten bei den Fahrzeugen für einen höheren Verbrauch – und damit für höhere CO2-Emissionen. Nicht nur für die Verbraucher werde das teuer, sondern auch fürs Klima, argumentiert die Branche. Hochrangige Branchenvertreter halten Nachrüstlösungen ohnehin frühestens in zwei Jahren für einsatzbereit. So steuert die nächste Arbeitsgruppe in einen Eklat: Erst im Januar hatte sich ein Expertenzirkel zerstritten, der Vorschläge zu alternativen Antrieben vorlegen sollte. Umweltschützer warfen dem Gremium vor, zu industrienah zu agieren und stiegen aus.]
Schon der Dieselgipfel am 02.08.2017 hatte festgestellt, dass Software-Updates alleine nicht ausreichen, um die hohen Schadstoffwerte vor allem in Ballungsräumen in den Griff zu bekommen. „Die technischen Nachrüstungen sind ein erster wichtiger Schritt zur Senkung des NOx-Ausstoßes der Dieselfahrzeuge in unseren Städten. Weitere Schritte müssen folgen“, stellte die politische Seite damals in ihrer Erklärung fest. Die Autobauer weigerten sich deshalb, die Erklärung zu unterschreiben. Sie waren nur bei etwa 5,3 Millionen älteren Dieseln zu Software-Updates bereit.

Folgt: SWR-Kommentar zum Thema