Zetsche im Zwielicht: Daimler muss 230.000 Autos zurückrufen

Audi-Stadlers Wohnung durchsucht – BDI kritisiert offen Verhalten der Autobauer

Daimler muss vielen Medienberichten zufolge 230.000 Autos zurückrufen: Die Regierung zwingt den Daimler-Konzern zum Rückruf von Fahrzeugen mit illegaler Abgasabschalteinrichtung. Insgesamt seien in Europa sogar 774.000 Fahrzeuge betroffen. Das erklärte Verkehrsminister Andreas Scheuer am 11.06.2018 nach seinem zweiten Treffen mit Daimler-Chef Dieter Zetsche. Betroffen seien neben dem Vito auch die Modelle GLC 220d und C 220d. Daimler will kooperieren, aber zugleich gegen den Rückruf Widerspruch einlegen.

SUV – Mercedes – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

„Dieter Zetsche und das unmoralische Angebot“

Unter dieser Überschrift schreibt auf SPIEGEL-Online, der Verkehrsminister brauche die „Bilder des gedemütigten Autobosses“, denn er wolle den Anlass dazu nutzen, Autorität zu demonstrieren. Der neue, sich ständig ausweitende Daimler-Dieselskandal könnte nicht nur Zetsche demontieren, sondern habe zudem das Zeug, „die Karriere des noch jungen Politiktalents Scheuer zu beschädigen“. Nach SPIEGEL-Informationen hätten Zetsche und Co. vorgehabt, Scheuer „über den Tisch zu ziehen“.

Und das so: „In der vergangenen Woche haben Emissäre von Zetsche, darunter der Daimler-Cheflobbyist Eckart von Klaeden, den Beamten im Ministerium bereits vorab ein entsprechendes Angebot unterbreitet“. Zunächst habe die Offerte gut geklungen: Zehntausende Autos seien betroffen gewesen. Aber die Verkehrsministerialen hätten sich schier obwundert, dass Autos auf der Liste standen, die, weil sie schlicht noch gar nicht auf Betrügereien kontrolliert worden seien, bisher noch gar nicht in Verdacht geraten seien. Statt dessen hätten jedoch Baureihen gefehlt, die schon länger stark den Argwohn genährt hätten, illegal abzuschalten. Trauvetter: „In aller Eile begannen die Beamten zu rechnen, und sie kamen auf schwindelerregende Zahlen.“ Wenn es denn stimme, dass weitere Modellreihen betroffen seien, dann reiche die Gesamtzahl aller betroffenen Autos an die Millionengrenze heran, eine an den VW-Skandal erinnernde Größenordnung.

Der SPIEGEL-Mann fährt fort, das Daimler-Angebot sei an für Scheuer problematische Bedingungen geknüpft: Daimler nehme die Rückrufe der Vito und anderer Modelle nur dann hin, wenn das KBA dafür im Gegenzug die Prüfungen einstelle. Weiter soll Daimler „als weiteren Köder“ (SPIEGEL) vorgeschlagen haben, freiwillig bei 250.000 Sprintern die Softwareupdate upzudaten, Fahrzeuge mit katastrophalen Abgaswerten. Trauvetter: „Daimler will also offenbar eine Art Amnestie.“

Spätestens an diesem Punkt müsse Scheuer allmählich die Gefährlichkeit des Daimler-Skandals für ihn selbst klar geworden sein, immerhin habe einer einer der Zetsche-Anwälte ihn beim ersten Treffen mit Zetsche gewarnt, wenn der Minister die Abschalteinrichtungen von Daimler öffentlich als illegal brandmarke, brächte er die gesamte deutsche Autoindustrie in Gefahr. Trauvetter weiter: Scheuers „Leute sind mit den Abschaltfunktionen in der Abgassoftware offensichtlich auf eine neue Betrugsmasche gestoßen, deren Ausmaße atemberaubend sein könnten. Aus diesem Grund wäre es für Scheuer politisch äußerst riskant, auf das Angebot einzugehen. Er könnte damit Zetsche sein Überleben an der Spitze des Konzerns retten – und sich selbst in den politischen Abgrund stürzen.“]

Kritik von BDI und Grünen

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat die Rückrufaktion von Diesel-Fahrzeugen bei Daimler als „Rückruf-Show“ von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bezeichnet. Dabei dürfe es nicht bleiben, sagte Hofreiter der Neuen Osnabrücker Zeitung: „Es braucht eine andere Verkehrspolitik – und dazu gehören auch Hardwarenachrüstungen auf Kosten der Autoindustrie, die Einführung einer blauen Plakette und Rückenwind für den Öffentlichen Personennahverkehr.“ Der Hofreiter forderte vom Verkehrsminister mehr Transparenz: „Sämtliche Manipulationen und sämtliche Absprachen zwischen Ministerium und Autoindustrie müssen veröffentlicht werden.“ Die bisherige „Klüngelei“ falle der Bundesregierung und den Autobossen krachend auf die Füße: „Die Mauscheleien müssen endlich ein Ende haben.“

Den Umgang der Autohersteller mit der Dieselaffäre kritisierte am 11.06.2018 auch Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). „Ich will nicht verhehlen, dass ich mir nach dem Bekanntwerden der Gesetzesverstöße mehr als einmal ein anderes Verhalten gewünscht hätte“, sagte Kempf der Deutschen Presseagentur. „Wer Fehler gemacht hat, sollte sie benennen, sich entschuldigen und sie abstellen, also Verantwortung übernehmen, um endlich Vertrauen zurückzugewinnen.“ Der Umgang mit Fehlern, „auch betrügerischer Art“, habe viele in der Politik und auch viele Verbraucher „zurecht ärgerlich gemacht – übrigens auch viele in den Unternehmen“, so Kempf. „Vielleicht hätten wir in der Industrie dann die Chance bekommen, heute deutlich sachlicher über Mobilität zu diskutieren. Zum Beispiel, welche Zukunft der für die CO2-Bilanz wichtige Diesel hat, wie stark Deutschland auf Elektromobilität setzt oder wie technologieoffen wir sein müssen.“

Stadler persönlich in Verdacht – durch Mail belastet

Im Abgasskandal gerät Audi-Chef Rupert Stadler der Süddeutschen Zeitung und der Welt zufolge zunehmend unter Druck. Denn die Staatsanwaltschaft München ermittelt nun auch gegen ihn persönlich (SZ). Stadler werde bereits seit dem 30.05.2018 als Beschuldigter geführt, ebenso wie ein weiteres Mitglied des Vorstands der Ingolstädter VW-Tochter. Das teilte die Staatsanwaltschaft am 11.06.2018 mit. Den beiden werde demnach Betrug sowie mittelbare Falschbeurkundung zur Last gelegt. Es gehe um den Vorwurf, dass Dieselfahrzeuge mit betrügerischer Abgassteuerungs-Software auf den europäischen Markt gebracht worden seien. Zur Sicherung von möglichem Beweismaterial seien jetzt bereits die Privatwohnungen beider Beschuldigter durchsucht worden. Ein Audi-Sprecher sagte, man kooperiere mit den Ermittlern. Nach Informationen von NDR, WDR und „Süddeutscher Zeitung“ wird Stadler durch einen Audi-Mitarbeiter, der kürzlich bei der Staatsanwaltschaft als Zeuge ausgesagt hat, und eine beim Unternehmen sichergestellte Mail schwer belastet. Angesichts der Weiterungen in der Abgas-Affäre hat Stadler ein Treffen mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier abgesagt.

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