EU-Kommission verklagt Deutschland vor EuGH

Zu wenig Wettbewerb

Deutschland tut nach Überzeugung der EU zu wenig für den Wettbewerb im Energiesektor. So hat Berlin laut Brüssel EU-Wettbewerbs-Richtlinien (niedrigere Preise durch mehr Wettbewerb durch die Richtlinie von 2009) nicht ausreichend umgesetzt. Das deutsche Recht verstoße daher angeblich gegen das Dritte Energiepaket der EU. Daher zerrt die Kommission Deutschland einer Medienmitteilung vom 19.07.2018 zufolge jetzt vor den europäischen Kadi (Ungarn auch wegen Verstoßes gegen das 3. Energiepaket und sechs weitere Länder wegen anderer Vorwürfe).

Mastenwald in Westfalen – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Es geht um zweierlei: Einmal ist die Bundesnetzagentur in den Brüsseler Augen nicht unabhängig genug. Die Agentur habe zu wenig Ermessensfreiheit als Regulierer zum Beispiel bei der Festlegung der Netzgebühren. Die Bundesregierung mache ihr zu viele Vorgaben durch Verordnungen, lege Bedingungen teils bis ins Detail selbst fest. Und zum andern seien die Berliner Vorgaben zur Trennung von Energieerzeugern und Stromnetzen mangelhaft. Zweck der Entflechtung sei, dass Energienetze auch von Konkurrenten genutzt werden könnten.

Wortlaut der Kommissionsmitteilung: „Energiebinnenmarkt: Kommission verklagt DEUTSCHLAND und UNGARN vor dem Gerichtshof der EU wegen unvollständiger Umsetzung des Dritten Energiepakets – Deutschland wegen des Dritten Energiepakets verklagt Die Kommission hat beim Gerichtshof der EU Klage gegen Deutschland erhoben, um sicherzustellen, dass die Stromrichtlinie (Richtlinie 2009/72/EG) und die Gasrichtlinie (Richtlinie 2009/73/EG) ordnungsgemäß umgesetzt werden. Beide Richtlinien gehören zum Dritten Energiepaket und umfassen eine Reihe wichtiger Bestimmungen, die das reibungslose Funktionieren der Energiemärkte gewährleisten sollen. Deutschland hat nicht dafür gesorgt, dass die Vorschriften zu den Befugnissen und zur Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörde in vollem Umfang eingehalten werden. Insbesondere kann die Regulierungsbehörde nicht völlig unabhängig die Tarife und andere Vertragsbedingungen für den Netzzugang und Ausgleichsleistungen festlegen, da viele Elemente für die Festlegung dieser Tarife und Vertragsbedingungen in weiten Teilen in detaillierten Vorschriften der Bundesregierung geregelt sind. Darüber hinaus hat Deutschland mehrere Anforderungen an das Entflechtungsmodell für den unabhängigen Übertragungsnetzbetreiber (ITO) fehlerhaft umgesetzt. So entsprechen beispielsweise die Vorschriften für die Unabhängigkeit des Personals und der Unternehmensleitung des ITO nicht in vollem Umfang diesen Richtlinien; ferner schließt die Definition des „vertikal integrierten Unternehmens“ fälschlicherweise Tätigkeiten außerhalb der EU aus. Im Februar 2015 wurde ein Aufforderungsschreiben und im April 2016 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Deutschland übermittelt. Da die Einhaltung des EU-Rechts noch nicht gewährleistet ist, muss die Kommission den Gerichtshof anrufen.

Laut Werner Mussler (FAZ-Wirtschaftskorrespondent in Brüssel) geht „die Kommission mit der Klage an den Kern der Bestimmungen zur Netzregulierung in Deutschland“. Allerdings hatte die EU-Kommission schon im Februar 2015 und dann noch einmal im April 2016 mit deutlichen Worten Änderungen an der Umsetzung des Dritten EU-Energiepakets angemahnt und mit dem EuGH gedroht: „Da das EU-Recht noch immer nicht eingehalten wird, muss die Kommission den Gerichtshof mit diesen Angelegenheiten befassen“. Im Juli 2017 dann besserte die Bundesregierung zwar nach, die Kommission sah0 aber ihre Vorgaben aber noch nicht als erfüllt an.

Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft, der die Wettbewerber der großen Energieversorger vertritt, begrüßte laut FAZ die Brüsseler Entscheidung. Geschäftsführer Robert Busch sagte in Berlin, die Stärkung der Regulierungsbehörde sei notwendig. „Es darf nicht übersehen werden, dass noch immer ein großer Teil der Verteilnetzbetreiber im Eigentum der öffentlichen Hand ist und damit Interessenkonflikte bestehen, die nur durch eine unabhängige Behörde mit weitgehenden Befugnissen aufgelöst werden können.“

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) reagierte – so die Zeit – skeptisch: „Der Gesetzgeber muss im Sinne der bestehenden Gewaltenteilung die Möglichkeit haben, den gesetzlichen Rahmen für behördliche Entscheidungen zu setzen, die dazu verabschiedeten Gesetze und Verordnungen schränken aus unserer Sicht nicht die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden ein.“

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