Altmaier lässt CCS-Speicher, E-Mobilitäts-Oberleitungen und LNG-Infrastruktur prüfen

Gutachten im Vergabeprozess

Wie die Portale energate und SPIEGEL-Online meldeten, will das BMWi unter anderem untersuchen lassen, ob Deutschland eine eigene CCS-Infrastruktur aufbauen soll. Der Prüfauftrag sei Teil eines sich derzeit im Auftrags-Vergabeprozess befindenden externen Gutachtens über die langfristigen Anforderungen an Infrastrukturen im Rahmen der Energiewende. Die Ergebnisse der Untersuchung sollen innerhalb von zwei Jahren vorliegen.

Bildmontage © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Experten sollen ermitteln, „welche Infrastrukturen erforderlich sind“ und ab welchem Punkt es sich lohne, „eine Infrastruktur überhaupt aufzubauen“. In der Ausschreibung, aus der beide Medien zitieren, würden Oberleitungen für Elektromobilität, Infrastruktur für LNG und Wasserstoff und CCS (siehe: solarify.eu/ccs-ccu) genannt. Das Ministerium interessiere sich für Flächenbedarf, Finanzierungsaspekte sowie Zeiträume für Planung und Genehmigung. Für CCS geht es laut Wirtschaftsministerium um Speicherstätten und Leitungen.

Am Ende des Fragenkatalogs findet sich laut SPIEGEL-Online auch der Punkt „Akzeptanzprobleme“. SPON: „Zumindest die müssten im Ministerium eigentlich gut bekannt sein. Unter Slogans wie CO2ntra Endlager hatten um das Jahr 2010 Tausende Demonstranten gegen Pläne für ‚CO2-Klos‘ protestiert. RWE und der damalige Eigentümer Vattenfall erprobten in dieser Zeit das Abscheiden des Klimagases in Braunkohlekraftwerken.“ Zum Beispiel zwischen 2008 und 2013 durch die Einleitung von 67.000 Tonnen Kohlendioxid in den Untergrund in die Schachtanlage Schwerze Pumpe bei Ketzin nahe Wustermark (durch das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in einem Versuchsprojekt für die Bundesregierung).

Die meisten CCS-Befürworter argumentieren aber mit CCU („U“ = Use). Das Treibhausgas solle nur bis zur Wiederverwendung – etwa wie im soeben angelaufenen Projekt Carbon2Chem (siehe: solarify.eu/weltpremiere-fuer-carbon2chem) – im Boden bleiben. Das könnte akzeptanzfördernd wirken. Vor allem, nachdem Deutschland das 2020er Klimaziel verfehlen wird. Zunächst will die Bundesregierung denn auch „technische Innovationen zur CO2-Vermeidung in Industrieprozessen anreizen und die stoffliche Nutzung von Kohlendioxid im Rahmen der CCU-Technologie fördern“, so energate. „Daran anschließend ist, falls zusätzlich erforderlich, auch eine mögliche Rolle von CCS in diesem Kontext zu prüfen“, heiße es in dem Papier.

Der ehemalige BGR-Präsident Hans-Joachim Kümpel, der ein Projekt der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) zum Thema CCU und CCS geleitet hat, dazu. „Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Diskussion darüber, wie ernst wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens nehmen und welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Dazu gehört auch die Frage, ob wir uns als Gesellschaft die Optionen CCU und CCS offenhalten. Wenn die Technologien ab 2030 für maßgebliche Mengen von CO2 zur Verfügung stehen sollen, müssen wir sie sehr bald intensiv fortentwickeln. Bei der Option CCS geht es uns explizit nur um Emissionen aus dem Industriesektor, die produktionsbedingt unvermeidbar und auch sonst nicht verwertbar sind.“ Wichtig ist ihm aber eines: „Wir sehen CCS nicht als Option, die Kohleverstromung zu verlängern.“

Und Ottmar Edenhofer, Direktor von PIK und MCC:Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssen die energiebedingten CO2-Emissionen auf nahe Null sinken. Wir müssen jetzt die Forschungsanstrengungen intensivieren, um zu klären, welchen Beitrag CCU und CCS zur Emissionsneutralität leisten können. Eines ist aber jetzt schon klar: Ohne eine glaubwürdige CO2-Bepreisung haben diese Technologien keine Chance.“

Einen entsprechenden Aufruf von acatech zu einer neuen Debatte über die Speicherung oder Verwertung von CO2 unterzeichneten im vergangenen November auch Umweltschutzorganisationen wie der WWF und Germanwatch sowie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Erika Bellmann  v0om WWF Deutschland sagte: „Um das Klima zu schützen und die völkerrechtliche Verpflichtung aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen, muss der CO2-Ausstoß überall stark sinken. CCS ist dazu keine Alternative. Aber es kann für Restmengen an Industrieemissionen, für die es noch keine andere Vermeidungsoption gibt, eine wichtige Rolle spielen.“

Treibhausgas-Speicher in England

England preschte bereits vor: Mit dem Projekt Teesside Collective, einem „Cluster von energieintensiven Industrien mit einer gemeinsamen Vision“ (so die Webseite): Teesside als Standort für die zukünftige saubere industrielle Entwicklung zu etablieren, indem ein mit Carbon Capture and Storage (CCS) ausgestattetes Industriegebiet geschaffen wird. Dort soll auch deutsches CO2 eingelagert werden, das zuvor in CCS-Terminals am Rhein verflüssigt und mit Tankschiffen nach Rotterdam transportiert werden soll.

[note Das Gebiet Teesside im Nordosten Englands bei Middlesbrough, benannt nach dem Fluss Tees, war im 20. Jahrhundert wichtiger Standort der Schwerindustrie, seit der Krise dieses Wirtschaftszweigs in Großbritannien ist es vor allem für Umweltverschmutzung, Arbeitslosigkeit und Armut bekannt (nach de.wikipedia.org/Teesside).]

Das Projekt soll „das industrielle und ökologische Interesse Großbritanniens Hand in Hand vorantreiben“. Teesside Collective könne eine wichtige Rolle in der britischen Industriestrategie eines kohlenstoffarmen „Northern Powerhouse“ spielen und dazu beitragen, die industrielle Basis des Vereinigten Königreichs zu erhalten, neue Investitionen und Arbeitsplätze anzuziehen und die britischen Klimaschutzziele zu erreichen. Teesside Collective hat bereits 2015 einen Plan für die Bereitstellung von industrieller CO2-Abscheidung und -Speicherung in Großbritannien vorgelegt, der von Unternehmen, Umweltgruppen, dem öffentlichen Sektor und Wissenschaftlern weitgehend unterstützt wurde. „Mit anhaltender Unterstützung der Regierung – einschließlich der Entwicklung einer klaren, langfristigen CCS-Politik und eines tragfähigen Investitionsmechanismus – könnten wir mit bewährter Technologie Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr kostengünstig geologisch speichern.“

Deutschland habe der Aufnahme des Projekts in die EU-Liste zugestimmt, bestätigt ein Sprecher des Bundeswirtschaftsministeriums gegenüber SPON. Am Rhein jedoch träfen die Berliner CCS-Aktivitäten nicht auf Begeisterung. Die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg erklärten bereits, dass für sie Erneuerbare Energien und Energieeffizienz Vorrang hätten. Am deutlichsten distanziere sich ausgerechnet das industriestarke NRW. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) habe mitgeteilt, in Nordrhein-Westfalen fehle es sowohl für CO2-Terminals als auch für entsprechende Pipelines an Akzeptanz und Bedarf.

->Quellen: