Zukunftstechnologie Wärmespeicher

Nobelpreisträger R. Laughlin im Interview mit dem DLR

Im nachhaltigen Energiesystem der Zukunft, das auf erneuerbaren Ressourcen beruht, spielen Speicher eine zentrale Rolle. Bislang fehlen jedoch ortsunabhängige und kostengünstige Lösungen für Speicher im Kraftwerksmaßstab. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) will gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und der Universität Stuttgart eine Forschungsanlage bauen, um die Technologie für hocheffiziente und kostengünstige Energiespeicher zu erforschen und zu entwickeln. Die Vereinbarung für das NADINE (Nationaler Demonstrator für Isentrope Energiespeicher) genannte Projekt wurde am 08.10.2018 in Stuttgart unterzeichnet. Anlässlich der Unterzeichnung skizzierte der Physik-Nobelpreisträger des Jahres 1998, Buchautor und Professor an der Stanford University Robert B. Laughlin seine Ideen für eine verlässliche und nachhaltige Energiestrategie. Wärmespeicher spielen darin eine zentrale Rolle.

Prof. Robert B. Laughlin – Foto © DLR, Markus Pössel (CC-BY SA 3.0)

Laughlin ist gleichzeitig Initiator des Speicherprojekts MALTA von Google X, das Wärmespeicher auf Salzbasis erforscht. Für ihn gehört die Frage, wie große Energiemengen über einen längeren Zeitraum sicher gespeichert und bei Bedarf zuverlässig wieder abgerufen werden können, zu einer der großen technischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Im Interview mit dem DLR beschreibt Laughlin, warum er auf Wärmespeicher setzt, welche technischen und ökonomischen Herausforderungen er sieht, und was er sich von führenden Energiepolitikern wünscht.

Prof. Laughlin, wie kommt es, dass Sie als Quantenphysiker jetzt an wärmebasierten Energiespeicheranlagen wie dem Projekt MALTA von Google X arbeiten?

Laughlin: Nun, eine Antwort ist, dass gute Physiker viele Interessen haben und ich ein extrem guter Physiker bin.

Die eigentliche Antwort ist, dass es sich die Arbeit daran aus einem Buch ergeben hat, das ich im Jahr 2011 auf Bitten einiger führender Mitglieder der American Physical Society geschrieben habe. [Powering the Future, 2011; Der Letzte macht das Licht aus, 2012]. Bei meinen Recherchen für das Buch habe ich entdeckt, dass das Problem der Energiespeicherung und der damit verbundenen Kosten zentral ist. Während ich über die Geschichte der spanischen Solarkraftwerke Andasol 1, 2 und 3 geschrieben habe, in denen zum Speichern von Energie Salzschmelze genutzt wird, bedrückte mich die Tatsache immer stärker, dass dieses Konzept bei der Speicherung von Windenergie nicht funktioniert. Die Kosten dieser Solarkraftwerke sind bekannt und unter Kontrolle. Das Konzept wird in immer mehr Ländern auf der ganzen Welt eingesetzt – ein sicheres Zeichen, dass sich das wirtschaftliche Kalkül bewährt. Dann kam mir plötzlich die Idee, dass eine geringfügige Modifizierung am Konzept auch die Speicherung von Windenergie ermöglicht. Eines führte zum anderen und inzwischen bin ich zum Verfechter von Wärmespeicherkraftwerken mit Nitratsalzschmelze geworden. Das Konzept wurde vor Kurzem veröffentlicht. Die zeitliche Verzögerung zwischen den Jahren 2011 und 2017 liegt an meinen Wirtschaftspartnern, die mir untersagt haben, vier Jahre lang öffentlich über diese Ideen zu sprechen.

Glauben Sie, dass sich Wärmespeicherung von einer Nischenanwendung zur zentralen Zukunftstechnologie des Energiesektors entwickeln kann?

Laughlin: Ja. Ich glaube, Wärmespeichertechnologien sind die „globale“ Lösung des gesamten Problems. Diese Einschätzung habe ich auch mit dem größten Vermögenswert, über den ich verfüge, nämlich meine Zeit, als ökonomischem „Einsatz“ untermauert. Es ist eine Sache, Salongespräche über diese Themen zu führen – und eine ganz andere, sich auch tatsächlich damit zu beschäftigen.

Sind Energiesysteme, die weitgehend auf erneuerbaren Energien beruhen, untrennbar mit dem Ausbau der Speichertechnik verbunden?

Laughlin: In der Energiebranche dreht sich alles um den zeitlichen Ablauf. Wenn sie einen Schalter umlegen, wird entlang der elektrischen Leitungen ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit zurück übermittelt, das dem Generator mitteilt, dass er etwas härter arbeiten muss. Heutzutage werden diese Generatoren normalerweise mit Erdgas oder Wasserkraft betrieben. Im Gegensatz dazu sind mit Wind oder Sonne betriebene Generatoren nicht in der Lage, auf Anforderungen zu reagieren. Sie liefern die Energie einfach, wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Dieses furchtbare „Lieferproblem“ zwingt Energieversorger dazu, Stromerzeugungskapazitäten aus nicht erneuerbaren Quellen als Sicherheit vorzuhalten, die angeschaltet werden können, wenn Wind und Sonne gerade Pause machen. Versorgungsunternehmen mögen das nicht, denn es zwingt sie, zweimal für dieselbe, sehr teure Energieerzeugungskapazität zu zahlen. Derzeit gibt es viele Belege dafür, dass die ökonomische Realität bezüglich dieser „Nichtregulierbarkeit“ verhindert, dass mehr als rund 30 Prozent des Netzenergiebedarfs aus Wind und Sonne erzeugt werden. Außerdem ist es auf der Welt vielerorts so, dass der Großhandelspreis für Elektrizität aus Windkraft negativ wird. Das bedeutet, dass die Eigentümer von Windfarmen die Versorgungsunternehmen dafür bezahlen müssen, dass sie Energie abnehmen.

Welche technologischen Herausforderungen müssen gemeistert werden, bevor wir in der Lage sind, wärmebasierte Energiespeicheranlagen in großem Maßstab zu realisieren?

Laughlin: Das ist das Schöne daran: Es gibt keine technologischen Herausforderungen. Das Geheimnis ist, dass es kein Geheimnis gibt. Die Antwort jedes guten Ingenieurs auf die Frage zu den Einzelheiten dieser Technologie lautet: „Kein Problem, das kann ich machen!“ Bei der Energiespeicherung geht es um Kostenkontrolle, nicht um neue Laborentdeckungen. Alle beteiligten wissenschaftlichen Prinzipien wurden bereits im 19. Jahrhundert ausgearbeitet, sie sind bereits Teil der Technikgeschichte, die man schon lange im Deutschen Museum in München sehen kann. Das Wichtigste, was seitdem passiert ist, sind die Einführung der Gasturbine und die kontinuierliche Verbesserung ihrer Leistungsfähigkeit. Man kann dieses Problem auch mit dem englischen Begriff „rocket science“ umschreiben: wir machen etwas, von dem wir längst wissen, wie es zu machen ist – nur tun wir das mit außergewöhnlicher Exzellenz und unter sorgfältiger Beachtung aller Details. Praktisch bedeutet das, dass das Problem vor allem darin besteht, das Geld richtig einzusetzen. Ich betrachte das als das „Mondflugproblem“ des 21. Jahrhunderts.

Wann werden sie zu einer wirtschaftlich interessanten Option und wer wird von ihnen profitieren?

Laughlin: Die Marktaspekte der Speicherung sind komplex und nichts, das ich in ein paar Sätzen zusammenfassen könnte. Kurz gesagt: Ich glaube, die Technologie verfügt über ein großes Marktpotenzial. Im Moment, in dem sie in Form konkreter Produkte auf den Markt kommt, wird sie zahlreiche Käufer finden. Der Grund dafür, dass das jetzt noch nicht so ist, liegt darin, dass es einfach noch keine solchen Anlagen zu kaufen gibt! Sie existieren nicht!

Die wichtige Marktnische für Wärmeenergiespeicherung wird derzeit von Pumpspeicherkraftwerken besetzt. Diese pumpen über Nacht Wasser in Speicherbecken, um es dann am Tag, wenn die Energie gebraucht wird, wieder herabfließen zu lassen und so Strom zu generieren. Die Pumpspeichertechnik ist erstklassig, aber es gibt Probleme bei der Landnutzung. Zudem ist sie nicht ganz ungefährlich. Damit Wärmespeicherkraftwerke erfolgreich werden, müssen ihre Kosten niedriger sein als die für Pumpspeicherwerke – und zwar um einiges.

In den USA und Großbritannien finden Pumpspeicherkraftwerke großen Anklang bei der Regierung, bei der Elektrizitätswirtschaft hingegen nicht so sehr. Der Grund dafür ist, dass mit Erdgas betriebene „Spitzenlastkraftwerke“ den Bedarf ebenso decken, und zwar zu niedrigeren Kosten. Diese Berechnung ist in Ländern mit wenig eigenen Erdgasquellen komplizierter, doch auch da ist Erdgas mit den derzeitigen Weltmarktpreisen nur schwer zu schlagen.

In Sachen Geld bleibt alles ungewiss, bis tatsächlich erste Anlagen verkauft werden und ein Unternehmen damit genügend Gewinn macht, um sich selbst zu tragen. Bis es soweit ist, kann man hinsichtlich der Kosten für diese Technologie niemandem ganz vertrauen – auch Nobelpreisträgern nicht. Wie ich schon sagte: Ich habe mein Vertrauen in diese Technologie durch Einsatz des mir zur Verfügung stehenden Vermögens zum Ausdruck gebracht. Anderen Menschen steht es frei, sich anzuschließen oder nicht – so wie sie es für richtig halten.

Die allgemeine Regel lautet, dass derjenige, der davon profitiert, derjenige ist, der das Risiko trägt. In den meisten Ländern ist die Energiewirtschaft privat. Daraus ergibt sich in der Praxis, dass der Einsatz von öffentlichen Geldern zur Entwicklung solcher Technologien politisch problematisch ist. Jede öffentliche Ausgabe dafür würde entweder mit der Privatwirtschaft konkurrieren beziehungsweise sie subventionieren. Aus diesem Grund habe ich hauptsächlich für potenzielle Investoren aus der Privatwirtschaft gearbeitet und nicht für Regierungen.

Die ganze Situation ist sehr verworren, weil die Regierungen der wichtigsten Länder genügend Macht in ihren kleinen Händen halten, um genau das zu tun. Außerdem gibt es natürlich in den meisten Ländern auch noch das Problem der nationalen Sicherheit. Die Nutzenrechnung beinhaltet damit auch noch eine Sicherheitskomponente.

Wenn Sie bei den führenden Energiepolitikern einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?

Laughlin: Ich würde sagen: „Bitte schauen Sie sich an, was ich tue.“ Die meisten Energiepolitiker, die ich kenne, sind sehr gute Menschen. Sie tun, was sie können, aber sie unterliegen den Zwängen von Politik und Wirtschaft. Das trifft allerdings auch auf viele Normalbürger zu. Wir können nicht alles tun, weil die Kosten zu hoch sind und das Risiko von Fehlschlägen zu groß ist. Oft wird in unserer Welt erst ein „verrückter Typ“ gebraucht, der das Risiko für alle anderen senkt. In der Wissenschaft sagen wir gerne, dass  jede wichtige neue Idee drei Stadien durchläuft:
1. Das ist verrückt.
2. Es ist nicht verrückt, wird aber in der Praxis nie funktionieren.
3. Ich habe zuerst daran gedacht.

Herr Prof. Laughlin, wir bedanken uns herzlich für das Gespräch.

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