CO2 reduzieren…

Görge Deerberg (Fraunhofer UMSICHT): Carbon2Chem® – Stand nach zwei Jahren

Deerberg beschäftigte sich mit den Herausforderungen von C2C („nichts ist so einfach wie es aussieht: vor allem Kooperation und Kommunikation, doch nicht alle Informationen können kommuniziert werden“). C2C sei erst in der ersten, vier Jahre dauernden Phase, es gehe um Grundlagen und Machbarkeit, dann folge die zweite Phase mit Anlagenkonzepten und Verifikationen, dafür seien noch einmal vier Jahre geplant. Deerberg blickte zurück auf die zweijährige, erfolgreiche Initiierungsphase von C2C: vom Start im Juni 2016 (siehe: solarify.eu/2016/06/27/co2-als-rohstoff-carbon2chem) bis zur Einrichtung des Technikums im September 2018 (siehe: solarify.eu/2018/09/20/weltpremiere-fuer-carbon2chem).

Er verwies auf das Themenheft Carbon2Chem® von Chemie Ingenieur Technik vom Oktober 2018 (kostenfreie Bestellung). Im Projekt Carbon2Chem sollen (unvermeidbare) CO2-Emissionen aus der Stahlproduktion als Rohstoff für eine andere, kohlenstoffbasierte Produktion dienen – und zwar in branchenübergreifenden Produktionsnetzwerken, bei denen die Erhöhung des CO2-Reduktionspotenzials dadurch erreicht wird, dass das Stahlwerksgas, das N2, CO, CO2 und H2 als Hauptbestandteile enthält, mit Hilfe Erneuerbarer Energien zu Synthesegas aufbereitet oder konditioniert wird.

[note Ausschnitte aus einem CIT-Artikel von Görge Deerberg, Markus Oles (thyssenkrupp) und Robert Schlögl (MPI CEC): „Dieser CCU-Ansatz ermöglicht es Stahlwerken, die ansonsten unvermeidlichen CO2-Emissionen in die Atmosphäre zu verringern, indem sie der chemischen Industrie die kohlenstoffhaltigen Gase als Rohstoff zur Verfügung stellen, die dann in Produkte umgewandelt werden. Diese Art der CO2-Nutzung kann gleichzeitig den Einsatz fossiler Rohstoffe und die diesbezügliche Importabhängigkeit in der chemischen Industrie reduzieren.]

[note Importabhängigkeit: Bis zu 3,5 Mio. t weniger Erdöl-Importe und 10 Mio t weniger CO2-Emissionen – Grafik © Görge Deerberg, UMSICHT]

Dieses industrieübergreifende Produktionsnetzwerk erfordert die Integration Erneuerbarer Energien, die eine Aktivierung von CO, z.B. mit Wasserstoff, ermöglichen und welche die daraus resultierenden Energiedefizite in der Produktion kompensieren müssen. Der Ansatz ist zwar vielversprechend aber die Herausforderungen sind enorm:

  • Stahlwerksgase enthalten bis zu 800 verschiedene einzelne Bestandteile.
  • Bisher bewährte Katalysatorsysteme müssen in der neuen Umgebung untersucht werden, ob die neuen Randbedingungen für den Katalysator nicht schädlich sind.
  • Die Volatilität der Erneuerbaren Energien in Kombination mit dem ebenso volatilen Angebot an Stahlwerksgasen stellt erhöhte Anforderungen an chemische Prozesse.

Insgesamt stelle das Carbon2Chem®-Projekt drei große Herausforderungen dar.

  1. Zum einen die hohe Dynamik des Gesamtsystems, die sich aus der Kopplung mehrerer großer Produktionssysteme und der Integration Erneuerbarer Energien ergibt.
  2. Die zweite Herausforderung ist die Bereitstellung eines bedarfsgerechten Synthesegases für chemische Produkte aus den Stahlwerks-Gasen. Dazu wird viel Wasserstoff benötigt, der nur in begrenztem Umfang aus den Gasen des Stahlwerks selbst bereitgestellt werden kann. Die Herausforderung, die erforderliche Wasserstoffmenge bereitzustellen und den Energiebedarf dafür mit Erneuerbaren Energien zu decken, kann nur durch ein Netzwerk von Partnern gelöst werden.
  3. Die dritte Herausforderung ist die verfahrenstechnische Anpassung und Integration bestehender Produktionsprozesse in den neuen Zusammenhang.

Das Konsortium besteht aus insgesamt 18 Partnern. Das interdisziplinäre Team bündelt die Kompetenzen aus den jeweiligen Arbeitsbereichen in sieben Carbon2Chem®-Teilprojekten (Grafik: L0 + L1-L6 ). Jedes dieser Teilprojekte hat einen hohen kontextuellen, technisch orientierten Fokus auf vielversprechende Technologien, die angepasst oder entwickelt werden müssen, um in die zukünftige vernetzte Produktion mit einem Stahlwerk integriert zu werden. Für das Konsortium besteht eine zentrale Infrastruktur zur Unterstützung der gemeinsamen Forschung und Entwicklung. Eine gemeinsame Plattform ist für die Simulation vorgesehen, die es jedem Partner ermöglicht, unter Berücksichtigung der Compliance-Anforderungen auf die Gesamtsimulation zuzugreifen.

  • Ein zentrales Element ist die Simulation des geplanten Gesamtsystems zur Planung und Skalierung wesentlicher Aspekte. Diese ermöglicht es, signifikante Schlussfolgerungen für die Arbeit in den Teilprojekten zu ziehen. Sowohl die Wirtschaftlichkeit als auch die Nachhaltigkeit des Gesamtsystems werden in L0 auf Basis der Simulationsergebnisse bewertet. Die Bewertung berücksichtigt auch das zukünftige Potenzial für den späteren Transfer der Projektergebnisse.
  • Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Untersuchung der Bereitstellung von Wasserstoff für die chemischen Prozesse. Dies wird im Teilprojekt L1 angesprochen. Der Fokus liegt auf der Produktion von Wasserstoff durch Wasserelektrolyse unter Verwendung volatiler Erneuerbarer Energien. Zu diesem Zweck wird ein größeres Werk und sieben kleinere Prüfstände im Technikum betrieben, um die langfristige Leistungsfähigkeit der Elektrolyse unter Berücksichtigung von Laständerungen abzusichern.
  • Das Teilprojekt L3 ist von zentraler Bedeutung, da es sich um die Konditionierung von Stahlwerksgasen kümmert. Koordiniert mit den ausgewählten Synthesewegen werden Prozesskonzepte entwickelt, welche die Bereitstellung eines Synthesegases mit der geforderten Qualität für die chemische Produktion ermöglichen. Dafür müssen Reinigungs- und Konditionierungsschritte vorgesehen werden.
  • Die weiteren Teilprojekte konzentrieren sich auf verschiedene Produkte und deren Produktionsprozesse. Die Produktion von nachhaltigem Methanol ist der Inhalt des Teilprojekts L2. Die bisher verwendeten Methoden müssen an das Netzwerk der Forschungsarbeit zur Nutzung von konditionierten Stahlwerksgasen angepasst werden.
  • Das Teilprojekt L4 hat einen ähnlichen Fokus und untersucht die Produktion höherer Alkohole.
  • Das Teilprojekt L6 untersucht die Machbarkeit der Herstellung von Oxymethylenether (OME) als Dieselersatz.
  • Die Herstellung von Isocyanaten und Polymeren ist Bestandteil des Teilprojekts L5. Der Fokus dieses Teilprojektes liegt vor allem auf der Kopplung der Systeme unter Berücksichtigung der wesentlich höheren Anforderungen der Prozesse an die Ausgangsstoffe.

Folgt: Aufgabe im L0-Systemintegrationsprojekt