Der Staatssekretär und das Energiesammelgesetz

Bareiß macht Hoffnung auf niedrige, spätere Photovoltaik-Sonderkürzung

Zu Beginn des 19. Forums Neue Energiewelt am 22.11.2018 in Berlin äußerte sich Wirtschafts-Staatssekretär zur Debatte über das Energiesammelgesetz. Vor allem die Höhe der geplanten Photovoltaik-Sonderkürzung zum Jahreswechsel ist umstritten. Zuvor hatte Karl-Heinz Remmers das Forum eröffnet – ist seit 27 Jahren im Erneuerbare Energien-Geschäft und organisiert seit 19 Jahren das Forum Neue Energiewelt (früher Forum Solarpraxis).

19. Forum Neue Energiewelt – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Remmers verwies auf den Brand von Paradise in Kalifornien und erinnerte an die weltweite Klimamigration – er lese daraus eine andere Botschaft: „Das Land mit der stärksten Armee der Welt kann die Reichen nicht vor vor dem Klimawandel schützen.“ Auch Kalifornien mit der fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt sei machtlos vor einem solchen Ereignis, dort habe man immerhin als erste den  Katalysator eingeführt, sei heute führend im Solarausbau, wolle schon 2045 hundert Prozent Erneuerbare Energien erreichen und sei damit „ein gutes Stück weitergegangen als wir“.  Dabei „gelten in Kalifornien die gleichen Gesetze wie überall, die Physik ist die gleiche.“ Bei uns reiche ein trockener Sommer, „und der Sprit wird teurer.

Dann kam Remmers auf die Luftverschmutzung zu sprechen: Die berühmte Berliner Luft sei alles andere als sauber: Laut WHO sterben weltweit jedes Jahr sieben Millionen an schlechter Luft. Schuld seien „verschiedenste Gifte aus den diversen Verbrennern wie Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Feinstaub. Aber auch die giftigen Abgase aus der Kohleverbrennung Quecksilber, Cadmium und Blei – bis heute ist es nicht gelungen, die aus dem Rauch herauszufiltern.“

Remmers forderte die Einhaltung der 1999 in der EU erlassenen (und 2008 bestärkten) Grenzwerte – die müssten aber weiter entwickelt werden: 32% Erneuerbare Energien in den Sektoren Wärme, Verkehr und Strom bis 2030 bedeute: „Wir müssen noch 17% von 2.542 TWh ersetzen – das seien 432 TWh. Davon könnten z.B. 50% Solarenergie sein, also 216 TWh – oder oder 230 GWp bzw. 20 GWp pro Jahr bis 2030.

Insgesamt zeigte sich Remmers trotz allem optimistisch: Wir hätten „mehr gehalten als versprochen“, Solar und Wind (und Speicher) seien viel schneller billiger geworden als erwartet. Wenn man systemisch denke, gehe vieles einfacher und wesentlich billiger als bisher gedacht; allerdings müssten dafür bei allen Beteiligten „Denkblockaden“ gelöst werden. Als ein Beispiel zitierte er Spanien: Dort sei eine 175 MWp-Anlage (subventionsfrei!) entstanden. Remmers brach eine Lanze für Wind-PV-Hybride. Anhand eines Beispiels zeigte er, wie ein PV-Kraftwerk  und ein Wind-Park an „einem Kabel hängen“ und der Wind „kaum abgeregelt werden musste.

Einer Bloomberg-Studie folgend seien Wind und Solar ohnehin die Gewinner – ohne staatliche Hilfen. Das gelte aber nicht für Kohle, Atom, etc.. Die IEA habe erst kürzlich Deutschland als Gewinner bezeichnet. Denn: Deutschland habe die niedrigsten Investitionskosten weltweit – geringer als in den Niedriglohnländern Indien und China. Auch durch die Ausschreibungen wird PV in Deutschland  immer billiger. Fast alle neuen Bezuschlagungen lägen unter dem Marktwert – bei nahezu null Abregelungen… „Aber wo bleiben die Mengen?“ Im Sommer 2018 sei die Solarenergie erstmals unter dem Marktwertpreis geblieben- ein historisches Ereignis. Die EEG Vergütung betrage 5,42 Cent/kwh – der Marktwert 5,595 Cent/kWh.

Bareiß: Energiesammelgesetz noch in der Diskussion: Ein bisschen Hoffnung

Thomas Bareiß (CDU), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, drückte sich  – so pv magazine – „lange um das Thema, das die meisten Teilnehmer wohl am brennendsten interessierte – das Energiesammelgesetz. Zuerst legte er dar, wie die Regierung mit Effizienz dem  Energiehunger zu begegnen gedenke, und die Energiewende vorantreiben. Es gehe dabei nicht darum, ob wir das CO2-Spar-Ziel 2020 verfehlen, es gehe um die lange Linie, dass die Energiewende für Verbraucher und Industrie bezahlbar bleibe.

Bareiß berichtete dann in Sachen Energiesammelgesetz über Diskussionen des Vorabends, wobei man zwar etwas weiter, aber noch nicht ans Ziel gekommen sei. Ein großer Konflikt zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD besteht unter anderem bei der geplanten Sonderkürzung für Photovoltaik-Dachanlagen ab 40 Kilowatt zum Jahreswechsel. Die SPD ist von diesem Vorschlag überrascht worden.

„Wir haben das intensiv mit Brüssel diskutiert und von dort kam die Forderung, die Überförderung abzubauen“, so Bareiß. In Vier-Augen-Gesprächen sei ihm bestätigt worden, dass da noch Luft drin sei. Ob die 20 Prozent nun gerechtfertigt sein, ließ Bareiß dabei offen. Immerhin liegen prompt Gutachten vor, welche die  Überförderung bestreiten. Auch den Punkt des Vertrauensschutzes angesichts der Kurzfristigkeit der geplanten Kürzung erwähnte der CDU-Politiker. Dieser und die Höhe der Kürzung werde derzeit noch diskutiert und um einen Kompromiss gerungen. Ein Kompromiss müsse an Ende auch in Brüssel bestehen, so Bareiß weiter. Er gab also ein kleines, aber kein verbindliches Signal, dass die Höhe der Vergütung minimiert oder der Zeitpunkt noch verschoben wird.

Wie die Sonderkürzungen für Photovoltaik-Anlagen gern auf Vorgaben aus Brüssel geschoben werden, so ist ein anderes Mantra der Großen Koalition, die Geschwindigkeit des Erneuerbaren-Ausbaus mit dem Netzausbau zu synchronisieren. Immerhin habe die Bundesregierung nun einen ambitionierten Netzausbauplan verabschiedet. Zudem will Bareiß die Sektorkopplung voranbringen und dafür neue Anreize setzen. Heute seien wir zwar weiter, als wir uns das vor 10 Jahren vorgestellt hätten (knapp 40% EE, wenn auch Wärme und Mobilität noch hinterher hinkten).

Die nächste Phase sei aber jetzt: nicht nur Zubau, Netzausbau, Kabel, Speicher – wir bräuchten den Blick aufs Gesamtsystem. Jedes Jahr müssten eigentlich 600 km neue Leitungen gebaut werden; aktuell seien es aber nur 100. Deshalb habe die Regierung des Aktionsplan Stromnetze auf den Weg gebracht. Damit sollten zuerst die Bestandsnetze ausgebaut, ertüchtigt, Hochtemperaturseile gefördert werden. Dann wolle man den Ausbau vorantreiben; die Stromautobahnen, auch mit Gleichstrom, müssten ab 2025 beweisen, dass der Nord-Süd-Ausgleich funktioniere. Schließlich müsse man Power2Gas vorantreiben, Strom in der Sektorkupplung umwandeln, Reallabore fördern, auch regulatorisch lasse „sich noch etwas machen“. Thema Akzeptanz: Der hätten die Netzausbaureisen des Ministers gedient, er sei „an die Orte gegangen, wo es weh tut. Denn wenn Akzeptanz fehlt, wird die Energiewende nicht funktionieren. Ein Beispiel: „Die Thüringer Strombrücke habe bereits im ersten Jahr (2016) 330 Millionen Euro an Redispatchkosten eingespart.

Bareiß erklärte in seiner Rede auch noch, er sei stolz, zu den Vätern der Speicherförderung in Deutschland zu gehören. Vor wenigen Wochen habe er selbst den 100.000. Stromspeicher angeschlossen. Das Programm bei der KfW läuft zum Jahresende aus. Bald sei für die Speicher keine Unterstützung mehr nötig. „Wir brauchen sie ab 2019 nicht mehr. Sie rechnen sich allein, auch gerade für den Eigenverbrauch“, so die Einschätzung des Staatssekretärs.

Thorsten Müller – Plädoyer für ein konsistentes neues Energierecht

Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht kritisierte, dass wir uns an Rechtsstrukturen abarbeiten , die wir haben – „so schaffen wir aber die Energiewende nicht“– und er plädierte für ein konsistentes neues Energierecht. Das aktuelle sei viel zu kompliziert und unübersichtlich. Wir müssten Strukturen entwickeln als Kompass für kurzfristige Schritte, über die Zukunft diskutieren, die Stiftung Energierecht arbeite daran. Wissenschaftler neigen zum Elfenbeinturm, wir brauchen aber die Praxis. „Recht wird uns immer begegnen, gleich an welcher Stelle der Energiewende wir uns gerade befinden. Die rechtswissenschaftliche Forschung ist wesentlich für die Energiewende“.

Diskussion

In der anschließenden Diskussionsrunde machte auch SPD-MdB Bernd Westphal Hoffnung, dass es nicht bei den geplanten Sonderkürzungen für Dachanlagen ab 40 Kilowatt bleiben müsse. „Es gibt ein neues Gutachten, das zeigt, es besteht keine Notwendigkeit für eine 20-prozentige Kürzung“, sagte er weiter. Die Diskussionen mit den EU-Kommission und dem Koalitionspartner laufen. Westphal versprach, die Kürzungen für Photovoltaik-Mieterstrom noch abwenden zu wollen. „Dafür besteht absolut keine Notwendigkeit“, sagte er mit Blick auf die bislang wenig realisierten Projekte. Auch Bareiß sieht bei dem Mieterstromgesetz noch viel Luft für Nachbesserungen, etwa bei der steuerlichen Gestaltung.

Die Grüne Julia Verlinden sprach von einer Täuschung durch die Regierung – sie setze die Energiewende nicht fort. Westphal hielt dagegen mit den Sonderausschreibungen – Verlinden: Das sei aber schon eingerechnet! Westphal nannte es hinderlich, dass vielfach Windenergieflächen beklagt würden. Martin Neumann, FDP sagte, so sei die CO2-Einsparung nicht zu schaffen. Die Innovationsausschreibungen nannte er sehr gut, Allerdings werde die Akzeptanz vielfach vernachlässigt; insgesamt seien mehr als 20 GW möglich. Aber auch: Windstrom in H2 umwandeln; wir brauchen einen Rahmen für Innovation, aber nicht zu eng.

Verlinden: Natürlich sind Sonder-Ausschreibungen besser als keine, sie seien aber angesichts der eingegangenen Klimaverpflichtungen nicht ausreichend, entgegen den Behauptungen der Bundesregierung; vor allem wegen der PV-Kürzungen vor allem im Mieterstromsegment – die Dächer würden zu wenig genutzt. Verlinden kann nicht verstehen, dass man alles über einen Kamm schert, Degression ja, aber nicht pauschal.

Bareiß sagte, Branche  u n d  Politik müssten zusammenspielen – mit den So-Ausschreibungen habe man mehr gemacht als ursprünglich geplant. Man wollte eine durch 95% Bürgerenergie bei der letzten Ausschreibungen befürchtete Delle ausgleichen – wir kämen aber schneller voran als gedacht. Netzausbau sei jetzt vor allem für Windausbau wichtig. „Der Weg an sich ist richtig“. Neumann verlangte dagegen mehr Planungssicherheit, denn das Vertrauen sei gesunken. Man dürfe nicht allein aus der Braunkohle aussteigen, dekarbonisieren – die Liberalen seien  für die Energiewende, aber auch der Atomausstieg brauche Follower, bisher sei Deutschland noch kein Land der Welt gefolgt.

Verlinden betonte, sogar die EU-Erneuerbaren-Richtlinie verlange 5 Jahre Planungssicherheit. „Die Kohlekommission wird eben verlängert, man weiß nicht bis wann – nächste Woche bei der Klimakonferenz wird Deutschland mit leeren Händen dastehen. Stattdessen wird bei und absurderweise immer noch Modernisierung von Ölheizungen gefördert“.

->Quelle und weitere Informationen: