Fragen zu einer biologischen Technik

Fraunhofer-Themenheft

Im Themenheft 2*) der UMSICHT-Diskurs-Reihe  „Fragen zu einer biologischen Technik“ setzen sich die Autoren des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT „mit der Idee auseinander, biologische Komponenten oder Prinzipien in technische und wirtschaftliche Abläufe zu integrieren“. Sie beziehen diesen, „auch als „Biologisierung“ und „biologische Transformation“ bezeichneten Prozess  technik- und biophilosophische Aspekte ein“. Der Text sei als Versuch zu verstehen, verschiedene Aspekte einzubeziehen. Dafür würden zunächst Begriffe wie „Biologische Transformation“ und „Biologisierung“ definiert, dann „eine Strukturierung der damit verbundenen TechnikfeJder und eine erste Bewertung verschiedener Transformationen“ vorgenommen. Anschließend werden „spezifische Wesensmerkmale von Lebewesen und technischen Artefakten und Verfahren herausgearbeitet und miteinander in Beziehung gesetzt“. Unter Federführung von Korrespondenzautor Thomas Marzi, Abteilungsleiter Ideenfabrik und Gruppenleiter Low Carbon Economy, werden verschiedene biologische Transformationen betrachtet und ethische Aspekte berücksichtigt.

*) Die Publikationsreihe „UMSICHT Diskurs“ widmet sich in ausführlicher Form ausgewählten und aktuellen Themen der anwendungsorientierten Forschung. Die Themenhefte sind keine Studien im klassischen Sinne, die in der Regel den Stand der Technik wiedergeben. Sie sollen als ein Format verstanden werden, das Informationen für den wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Diskurs zusammenstellt. Dabei können auch Fragen formuliert werden, deren Beantwortung heute notwendigerweise noch offenbleiben müssen.

Biologische Komponenten und Prinzipien in Technik und Wirtschaft? Hohe Erwartungen an biologisches Leitbild der Forschungspolitik

Mit dem Themenheft möchte das Fraunhofer UMSICHT nach eigenen Angaben „einen differenzierten Beitrag zu einer aktuellen forschungspolitischen Debatte leisten, der sich zwar an vorhergehenden Diskussionen um bionische Konzepte, Bioökonomie und Biotechnologie orientiert, zusätzlich aber auch Themen in die Debatte einbezieht, die zunächst gar nicht biologisch klingen“, z. B. neue, auf künstlicher Intelligenz aufbauende Produktionskonzepte. In der aktuellen Diskussion werde dabei ein „biologisches Leitbild entworfen, an dem sich zukünftige Forschungen orientieren sollen“. Es würden Innovationen und gesellschaftliche Veränderungen erwartet, die mit der digitalen Revolution vergleichbar seien.

Biologisierung bedeutet nicht automatisch mehr Nachhaltigkeit

Es sei nicht automatisch mit einer besseren Technik oder Wirtschaft verbunden, wenn sich technische Entwicklungen und Wirtschaftsprozesse zukünftig mehr an Vorbildern aus der Natur orientierten. In jedem einzelnen Fall sei „die Frage nach der Nachhaltigkeit der Verfahren oder Prozesse zu stellen und zu diskutieren, was das für biologische Prinzipien sind, die sich in Technik und Wirtschaft übertragen lassen, welche Prinzipien in welche Bereiche übertragen werden sollen und welche sich eher nicht für eine Übertragung eignen. Ein Teil der möglichen Anwendungen – beispielsweise die Übertragung von evolutionären Prinzipien in wirtschaftliche Bereiche – muss von Wissenschaft und Gesellschaft ethisch bewertet werden.“

Zitate aus dem Resümee

„Ohne sich dessen immer bewusst zu sein, orientiert sich wissenschaftliches Arbeiten häufig an sogenannten Paradigmen, die sich aus einer grundsätzlichen Denkweise oder einer übergeordneten Idee konstituieren. So erfolgte beispielsweise die Untersuchung der Planetenbewegungen lange unter der Annahme, dass die Sonne und die Planeten sich um die Erde bewegen, obwohl dies zu Widersprüchen bei der Erklärung der Planetenbahnen führte. Die Widersprüche konnten erst aufgeklärt werden, als, ausgelöst durch die Arbeiten von Kopernikus, Bruno, Galilei und Kepler, das geozentrische Paradigma durch ein neues heliozentrisches Paradigma ersetzt wurde. Wissenschaftliche Revolutionen gehen also in der Regel mit einem Paradigmenwechsel einher, der nicht nur die jeweilige Wissenschaft, sondern auch das vorherrschende Weltbild verändern kann. So findet der durch den Evolutionsgedanken hervorgerufene Paradigmenwechsel in der Biologie auch seinen Ausdruck in einer Zunahme biologisch geprägter Betrachtungsweisen in Bereichen, die nicht biologisch sind.

Dass die Anwendung des biologischen Paradigmas zunimmt, zeigen auch die US-amerikanische NBIC-Debatte (im Heft Exkurs 1*) um konvergierende Technologien und die aktuell in Deutschland stattfindende Diskussion zu den Begriffen Biologische Transformation und Biologisierung. Grundgedanke einer Biologischen Transformation ist die Übertragung des biologischen Paradigmas in Technik, Industrie, Wirtschaft und Gesellschaft. Kritisch zu bewerten sind dabei vor allem die gesellschaftlichen Aspekte. Zwar sind Menschen biologische Wesen, in denen biologische Prozesse wirksam sind, ein Heranziehen biologischer Erklärungsmodelle zur Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse ist jedoch gefährlich, da die menschliche Existenz mit ihren sozialen Beziehungen und kulturellen Gegebenheiten nicht auf die Biologie reduziert werden kann. Welche Gefahren die Anwendung eines biologistischen Welterklärungsmodells mit sich bringen kann, wurde nicht zuletzt durch die Rassenlehre der Nationalsozialisten deutlich.“

*) Converging Technologies for Improving Human Performance ist ein von der U.S. National Science Foundation und dem Handelsministerium in Auftrag gegebener Bericht aus dem Jahr 2002. Er enthält auf 482 Seiten Beschreibungen und Kommentare zum Stand von Wissenschaft und Technologie in den kombinierten Bereichen Nanotechnologie, Biotechnologie, Informationstechnologie und Neurowissenschaften (nanotechnology, biotechnology, information technology and cognitive science – NBIC). Die potenzielle Nutzung dieser Technologien zur Verbesserung der Gesundheit und zur Überwindung von Behinderungen wird im Bericht ebenso diskutiert wie die laufenden Arbeiten über die geplante Anwendung von Technologien zur Verbesserung des Menschen im militärischen Bereich und die Optimierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle im industriellen Umfeld. (Nach: en.wikipedia.org/Converging_Technologies_for_Improving_Human_Performance)

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