EU-Einigung: Elektrizitätsmarkt-Vorschriften nutzen Verbrauchern und Umwelt

Keine Lust auf Großkonzerne?

Sicherlich fühlen sich nicht alle Bürger wohl dabei, wenn große Energieversorger eine Rolle in den geplanten „Energiegenossenschaften“ spielen. Zu den Skeptikern gehört REScoop.eu, der europäische Verband der Genossenschaften für Erneuerbare Energien. Er wirft den Versorgungsunternehmen vor, das Genossenschaftsmodell zu kopieren und zu übernehmen. In einer Reihe von Fällen haben Versorgungsunternehmen wie Electrabel und EDF in Belgien tatsächlich die Kontrolle über Genossenschaften übernommen, erinnert sich Dirk Vansintjan, Präsident von REScoop.eu. Vansintjan ist auch Direktor von Ecopower, einer Energiegenossenschaft mit Sitz im belgischen Flandern.

Der Unterschied zwischen den beiden Modellen (einer reinen Bürger-Genossenschaft oder einer Beteiligung/Führung von Konzernen) kann signifikant sein, betont Vansintjan: „Es geht darum, wo das Geld hinfließt: Wird das Geld in der örtlichen Genossende ausgegeben oder geht es raus [zu den Konzernen]?“

Die Skepsis der Genossenschaften wird allerdings nicht überall geteilt, auch nicht innerhalb der Öko-Community: „Wir haben es hier mit einem wachsenden Stromsektor zu tun,“ bemerkt beispielsweise Manon Dufour von E3G. Sie erklärt, in Zukunft werde es ein wachsendes Angebot an Dienstleistungen geben. „Natürlich konkurrieren lokale Energiegenossenschaften und traditionelle Energieversorger. Aber sie konkurrieren in einem wachsenden Markt,“ glaubt Dufour und deutet damit an, dass es genügend Platz für die Koexistenz beider Modelle geben dürfte.

Laut Enedis, dem staatlichen Netzbetreiber in Frankreich, könnten Energiegenossenschaften allerdings auch Risiken für die Stabilität des Stromnetzes darstellen. „Als Staatsunternehmen möchte Enedis bei der Gestaltung lokaler Energiegenossenschaften einbezogen werden,“ fordert Marie Picut vom Brüsseler Büro von Enedis. Ihre Begründung: „Weil dies bedeutet, dass wir eine kosteneffiziente Lösung finden und eine Situation vermeiden können, in der ein Teil der Genossenschaft – die Stromverbraucher – den anderen Teil bezahlt.“ Die Bürger sollten „nicht so misstrauisch uns gegenüber sein. Wir sind ein öffentlicher Dienst. Wir sind hier, um alle Verbraucher zu schützen,“ betont Picut.

Demokratisierung der Stromnetze

Der Genossenschaftsverband REScoop.eu bringt derweil ganz andere Kritik vor: So seien die Governance-Regeln für Bürger-Energiegenossenschaften in der Strommarktrichtlinie lockerer definiert als in der im Juni 2018 verabschiedeten Richtlinie über Erneuerbare Energien. Dies lasse „den großen Unternehmen die Tür für Missbrauch offen“. Konzerne hätten im konventionellen Strommarkt eine stärkere Entscheidungsbefugnis als „einfache“ Bürger, fürchtet der Verband.

Eine weitere verpasste Gelegenheit sei darüber hinaus, dass den Bürger-Energiegenossenschaften „nicht ausdrücklich das Recht eingeräumt wird, ihr Verteilnetz selbst zu verwalten“, kritisiert ein MdEP. Nach den neu verabschiedeten Regeln auf EU-Ebene liegt die Entscheidung über den Netzbesitz im Ermessen der nationalen Regierungen – ein Zugeständnis an Frankreich und seinen monopolistischen Netzbetreiber. „Die Mitgliedstaaten haben bei der Umsetzung der Vorschriften auf nationaler Ebene noch die Möglichkeit, dieses Recht einzuräumen,“ so der MdEP. Er hoffe, „dass dort, wo die richtigen Bedingungen herrschen, dieser zusätzliche Schritt nach vorne gemacht werden kann.“ Auf diese Weise könne es zu einer weiteren Demokratisierung des Energiesystems durch die Einbeziehung von Bürgern und Verbrauchern kommen.

->Quellen: