Kein Einwegplastik mehr in Europa – aber erst ab 2021

EU-Parlament stimmt mit großer Mehrheit für Verbot ab 2021

„Einstieg in den Ausstieg aus der Plastikwirtschaft“, nennt Holger Beckmann den Beschluss auf tagesschau.de. Fast ein Jahr hat es gedauert, bis das Parlament über den Vorschlag der Kommission befunden hat: Aber am 28.03.2019 stimmten die EU-Abgeordneten mit 560 Stimmen bei 35 Gegenstimmen und 28 Enthaltungen für ein Verbot von Einwegplastik: Einwegbesteck aus Kunststoff (Gabeln, Messer, Löffel und Essstäbchen), >Einweg-Plastikteller, Wattestäbchen, Strohhalme und Rührstäbchen aus Plastik, Haltestäbe für Luftballons sowie alle Produkte aus oxo-abbaubaren Materialien wie Beutel oder Verpackungen und Fast-Food-Behälter aus expandiertem Polystyrol sind ab 2021 verboten; bis 2019 müssen 90% der Kunststoffflaschen getrennt gesammelt werden.

Mit Plastik vermüllter Strand – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Neues Recyclingziel, erweiterte Herstellerverantwortung

Bestimmte Einweg-Plastik-Produkte wird es schon bald im Handel nicht mehr geben. Verbraucher werden sich umstellen müssen. Auch eine Kennzeichnungspflicht für Produkte, die einen nennenswerten Plastikanteil enthalten, ist vorgesehen – beispielsweise für Feuchttücher. Die Mitgliedstaaten müssen 90% der Kunststoffflaschen bis 2029 getrennt sammeln. Außerdem werden für den Gehalt an Recyclingkunststoff in Flaschen verbindliche Ziele von 25 % bis 2025 und 30 % bis 2030 festgelegt. Darüber hinaus wird das Verursacherprinzip, insbesondere für Tabak, durch die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung (wonach die Hersteller zur Deckung der Kosten für Abfallbewirtschaftung, Reinigung und Sensibilisierung beitragen müssen) gestärkt. Die Richtlinie sieht auch vor, dass Unternehmen, die besonders viel Plastik produzieren, sich an den Kosten für die Beseitigung beteiligen müssen. Beispiel: Zigarettenhersteller deren Filter molliardenfach Strände verschmutzen.

Auch für Fischereifanggerät soll eine solche Regelung gelten, um sicherzustellen, dass die Hersteller und nicht die Fischer die Kosten für die Sammlung von im Meer verlorenen Netzen tragen. Die Gesetzgebung sieht schließlich eine verpflichtende Kennzeichnung über die negativen Umweltauswirkungen weggeworfener Zigarettenstummel mit Kunststofffiltern sowie anderer Produkte wie Kunststoffbecher, feuchte Reinigungstücher und Hygieneeinlagen vor.

Zitate

Die liberale Berichterstatterin Frédérique Ries (ALDE, BE): „Diese Rechtsvorschriften werden die Kosten von Umweltschäden um 22 Milliarden Euro senken. Das sind die geschätzten Kosten der Umweltverschmutzung durch Plastik in Europa bis 2030. Europa verfügt nun über einen Rechtsrahmen, den es angesichts des globalen Charakters des Problems der Meeresverschmutzung durch Kunststoffe auf internationaler Ebene zu verteidigen und zu fördern gilt.“

Die dänische Europa-Abgeordnete Margrete Auken (Grüne) machte allerdings eines deutlich: „Bei all dem Bewusstsein darüber, dass wir hier etwas Gutes auf den Weg bringen, müssen wir uns daran erinnern: Das kann nur der erste Schritt sein, viele weitere müssen kommen, die uns weiter bringen. Denn mit jeder Minute geht die Plastik-Verschmutzung weiter – und bisher wird das noch immer mehr.“

Der deutsche Grüne Martin Häusling will daher die Hersteller von Plastik noch stärker in die Pflicht nehmen würde: „Ich glaube, freiwillig geht das nicht, wir brauchen eine Plastiksteuer, das Verbot von Einwegstrohhalmen kann wirklich nur ein Anfang sein.“

Hintergrundinformationen

Nach Angaben der Europäischen Kommission sind mehr als 80% der Abfälle im Meer Plastikmüll. Die neuen Vorschriften haben all jene Einwegprodukte aus Kunststoff im Visier, die in Europa am häufigsten an den Stränden und in den Meeren gefunden werden, sowie Fischfanggeräte, die im Meer verloren gegangen sind oder zurückgelassen wurden. Diese Produkte machen den Großteil des Problems aus. Zusammen entfallen auf sie 70 % aller Abfälle im Meer.

Da der Zersetzungsprozess bei Kunststoffen nur langsam verläuft, wächst die Menge dieser Abfälle in den Meeren, Ozeanen und an den Stränden in der EU und der ganzen Welt ständig. Plastikrückstände werden in Meerestieren wie Meeresschildkröten, Robben, Walen und Vögeln gefunden, aber auch in Fischen und Schalentieren, und gelangen so in die menschliche Nahrungskette. Kunststoffe sind zwar praktische, vielseitige, nützliche und wirtschaftlich wertvolle Materialien, doch müssen sie besser eingesetzt, wiederverwendet und recycelt werden. Wird Plastik achtlos weggeworfen, bedeutet dies nicht nur den Verlust des Materialwerts, sondern es entstehen auch Kosten für die Säuberung der Umwelt und Verluste für Tourismus, Fischerei und Schifffahrt. Ausführlicher Hintergrund auf: solarify.eu/eu-verbietet-einweg-plastik-produkte.


Experimentelle Visualisierung der Verteilung des maritimen Plastikmülls zwischen 1985 und 2010 (NASA’s Scientific Visualization Studio, 2. Oktober 2015, englisch)

Timmermanns: „Deutliches Signal“ – Dött: „Mehr Entwicklungshilfe“

EU-Kommissions-Vizepräsident Frans Timmermans sprach von einem deutlichen Signal, das Europa auf nachhaltigen Kurs bringe. Damit zeige Europa auch seine Verpflichtung den UN-Nachhaltigkeitszielen gegenüber.

Die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marie-Luise Dött, sieht in der Vermeidung von Einwegplastik ebenfalls „eine zentrale umweltpolitische Aufgabe. Deshalb unterstützt die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die beschlossene Richtlinie nachdrücklich. Viele Einwegartikel aus Kunststoff sind überflüssig, weil es dafür Ersatz gibt. Für die weitere Diskussion ist allerdings wichtig, dass nur solche Produkte ersetzt werden, für die es wirklich eine ökologisch bessere Alternative gibt. Es ist gut, dass Europa vorangeht. Aber Abfälle und gerade Plastikabfälle sind ein globales Problem. Deshalb ist es wichtig, das Thema stärker in der Entwicklungszusammenarbeit zu berücksichtigen. Wir haben im Haushalt des laufenden Jahres 50 Millionen Euro speziell für diesen Bereich bereitgestellt. Das muss in den kommenden Jahren deutlich mehr werden. Und wir brauchen einen möglichst verbindlichen internationalen Rechtsrahmen zur Müllvermeidung und zum Schutz der Meere. Dafür werden wir intensiv werben.“

->Quellen: