Wetterextreme im Sommer 2018 – stockende Jetstream-Riesenwellen

Stagnierende Wellenmuster künftig bei Erforschung von Wetterextremen berücksichtigen

Rekordhitze und Dürren in Nordamerika und Westeuropa, Starkregen und Überschwemmungen in Südosteuropa und Japan – der Sommer 2018 war geprägt durch eine Reihe von extremen Wetterereignissen auf der Nordhalbkugel, die nahezu gleichzeitig im Juni und Juli auftraten. Diese Ereignisse hatten etwas gemeinsam, wie ein internationales Team von Klimaforschern nun in einer neuen Studie herausgefunden hat. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) stellte die Studie am 29.04.2019 unter dem Titel „Extreme weather events in early summer 2018 connected by a recurrent hemispheric wave-7 pattern“ (Extreme Wetterereignisse im Frühsommer 2018, verbunden durch ein wiederkehrendes hemisphärisches Wellen-7-Muster) vor.

Die Wetterextreme seien durch besondere Wellenmuster (Wave-7 Pattern) in einer großen Luftströmung verbunden gewesen: dem Jetstream, der die Erde umrundet. Die Wellen des Windbands seien längere Zeit stehengeblieben, statt weiter zu wandern – dadurch hätten in den betroffenen Regionen die Wetterbedingungen länger angehalten und seien so zu Wetterextremen geworden, so die Wissenschaftler. Das gleiche Muster zeige sich auch bei den europäischen Hitzewellen in den Jahren 2015, 2006 und 2003, die zu den extremsten jemals aufgezeichneten gehörten. In den letzten Jahren beobachteten die Wissenschaftler eine deutliche Zunahme dieser Muster.

Im Rahmen der zweiten Jahreskonferenz von Carbon2Chem in Berlin erklärte der TV-Meteorologe Sven Plöger am 12.11.2018 dieses Phänomen als Folge des menschenverursachten Abschmelzens des Arktiseises (inzwischen seien 3,3 Mio km² Eis – ein Zehntel der Fläche Deutschlands – verschwunden). Wenn das arktische Eis abnehme, ergebe das manchmal sogenannte “Blocking-“ oder „Omega-Lagen” – mit ständigen ortsfesten Wetterextremen als Folge. Der Ausschlag des Jetstreams werde durch den geringeren Temperatur-Unterschied zwischen Äquator und Arktis stärker, die sogenannte Rossby-Welle lässt das Wetter “stehen”. Plöger bejahte den Trend, dass der Klimawandel Extremwetterereignisse befördere (siehe solarify.eu/co2-reduzieren).

Jetstream ändert sich (Grafik Sven Plöger) – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Kurz darauf, am 22.11.2018, hat des PIK-Potsdam eine in npj Climate and Atmospheric Science publizierte erste Studie zum Thema vorgestellt: Treiber solcher Wetterextreme sei häufig der stratosphärische Polarwirbel, ein Band sich schnell bewegender Winde in 30 Kilometer Höhe. Im Winter, wenn der Polarwirbel durch nach oben wehende Luftmassen gestört werde, könne das zu Kälteeinbrüchen über dem Nordosten Amerikas oder Eurasien führen, der Klimawandel könnte die komplexe Dynamik in der Atmosphäre weiter stören – und uns so nicht nur mehr heiße Extreme im Sommer, sondern möglicherweise auch Kälteeinbrüche im Winter bringen (siehe solarify.eu/winterliche-wetterextreme-in-den-usa-und-europa).

Leitautor Kai Kornhuber von der Universität Oxford und dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sagt über die aktuelle Untersuchung: „Unsere Studie zeigt, dass die spezifischen Orte und der Zeitpunkt der Wetterextreme im Sommer 2018 nicht zufällig waren, sondern direkt mit dem Entstehen eines sich wiederholenden Musters im Jetstream verbunden waren, der sich über die gesamte Nordhalbkugel erstreckt“.

Brisante Windmuster schon bei früheren Wetterextremen vorhanden

„Wir sehen einen starken Zusammenhang zwischen dem Windmuster und den anhaltenden Hitzeextremen in Westeuropa, Nordamerika und der Region um das Kaspische Meer. Das beobachtete Muster war auch in früheren Jahren mit extremen Wetterereignissen wie den Hitzewellen in Europa im Sommer 2015, 2006 und 2003 präsent. Darüber hinaus haben Häufigkeit und Dauer in den letzten zwei Jahrzehnten zugenommen. In den zwei Jahrzehnten vor 1999 gab es keine Sommer, in denen wir dieses Muster der stockenden Wellen über eine Dauer von zwei Wochen oder noch länger hatten, aber seitdem haben wir bereits sieben solcher Sommer erlebt“, sagt Ko-Autor Dim Coumou von der Vrije Universiteit Amsterdam und dem PIK.

Es sei zu erwarten, dass das beobachtete Wellenmuster durch den Klimawandel und die menschgemachte globale Erwärmung in Zukunft häufiger auftreten werde. Dafür gebe es physikalischen Ursachen: Landmassen neigten dazu, sich schneller zu erwärmen als Meeresgebiete. Das wiederum führe zu einem größeren Temperaturunterschied zwischen Landmassen und Ozean.

„Das Entstehen des Wellenmusters könnte durch diesen erhöhten Temperaturkontrast zwischen Landmassen und Ozean begünstigt werden. Ein weiterer relevanter Faktor könnte sein, dass der Nordatlantik kühler ist, als er sein müsste, wahrscheinlich als Folge der Verlangsamung der Atlantischen Meridionalen Umwälzzirkulation, besser bekannt als Golfstrom. Dies bedarf jedoch noch weiterer Untersuchungen“, sagt Stefan Rahmstorf, Leiter der Abteilung Erdsystemanalyse am PIK.

Risiko von sehr extremen Hitzewellen in Nordamerika und Europa

Die Studie macht außerdem deutlich, dass das gleichzeitige Auftreten von extremen Wetterereignissen die Risiken für die Menschen und insbesondere für die globale Nahrungsmittelproduktion erhöht, da sich in den betroffenen Regionen wichtige Kornkammern befinden und die Mehrheit der Menschen auf der nördlichen Erdhalbkugel lebt.

„Diese anhaltenden Hitzewellen, die durch stagnierende Wellenmuster entstehen, kommen auf den bereits beobachteten allgemeinen Temperaturanstieg durch die globale Erwärmung noch obendrauf hinzu. Das erhöht das Risiko besonders extremer Hitzewellen, vor allem in Regionen wie Nordamerika und Europa“, ergänzt Scott Osprey vom britischen National Centre for Atmospheric Science an der Universität Oxford.

Das nun dingfest gemachte Muster böte eine Möglichkeit, die Vorhersage zukünftiger extremer Wetterereignisse für die gefährdeten Regionen auf der Nordhalbkugel zu verbessern. „Es ist ungeheuer wichtig“, so Kornhuber, „diese stagnierenden Wellenmuster bei der Erforschungen von Wetterextremen zukünftig zu berücksichtigen.“

->Quelle und früher Forschung zum Thema: