IPBES-Bericht wie erwartet negativ – was tun?

500.000 bis eine Million Arten vom Aussterben bedroht – wann ist der Mensch darunter?

Der Weltbiodiversitätsrat (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) hat am 06.05.2019 in Paris seinen Globalen Bericht zum Zustand der Natur vorgestellt. Die Botschaft des Berichts ist eindeutig: Der Zustand der Natur verschlechtert sich dramatisch. Bis zu eine Million Arten sind vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in den nächsten Jahrzehnten. Wertvolle Ökosysteme sind zunehmend geschädigt, ihre wichtigen Leistungen für den Menschen in Gefahr – so eine gemeinsame Pressemitteilung der Bundesministerien für Umwelt, Bildung und Forschung.

Die New York Times: „BREAKING NEWS – Bis zu 1 Million Arten sind vom Aussterben bedroht und stellen eine ernsthafte Bedrohung für das menschliche Wohlergehen dar, so ein umfassender U.N.-Bericht. Der Verlust der biologischen Vielfalt wird sich voraussichtlich bis 2050, insbesondere in den Tropen, beschleunigen, es sei denn, die Länder intensivieren ihre Erhaltungsmaßnahmen drastisch.“

Bundesumweltministerin Svenja Schulze: „Die Menschheit sägt an dem Ast, auf dem sie sitzt. Die Natur ist in einem immer schlechteren Zustand. Die Menschen sind dabei, ihre eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören. Die Herausforderungen beim Artensterben sind ähnlich groß wie beim Klimawandel. Darum hoffe ich, dass der Bericht eine vergleichbare politische Dynamik auslöst. Er zeigt aber auch Auswege aus der Krise: Der wichtigste Hebel hierfür ist eine grundlegende Reform der Agrarpolitik, vor allem der EU-Agrarförderung. Daneben brauchen wir mehr und effektivere Schutzgebiete. Dem Insektensterben will ich mit einem „Aktionsprogramm Insektenschutz“ entgegentreten, das wir derzeit in der Bundesregierung abstimmen.“

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „Der Bericht des Weltbiodiversitätsrats ist ein klares Signal an die Menschheit, umzudenken und die Artenvielfalt zu schützen. Die dargelegten Trends des Artenverlustes sind zutiefst beunruhigend. Der Bericht ist ein wichtiger Meilenstein und führt uns vor Augen, dass immenser Handlungsbedarf besteht – auch in der Wissenschaft. Forschung muss die noch bestehenden Wissenslücken schließen, Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und deren Umsetzung in die Praxis begleiten. Dazu wird die Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt meines Hauses einen erheblichen Beitrag leisten, um unsere Natur und unsere Zukunft zu sichern.“

Der Bericht stellt den weltweit akzeptierten Sachstand zum Zustand der Natur dar: Vertreter aus 132 Mitgliedstaaten nahmen vom 29. April bis 4. Mai 2019 an den Beratungen des Weltbiodiversitätsrats in Paris teil. Die biologische Vielfalt und die Leistungen von Ökosystemen wie Nahrung, sauberes Wasser und Medizin sind für das Überleben der Menschheit essenziell. Dennoch verschlechtert sich ihr Zustand dramatisch: Das Artensterben ist heute mindestens Dutzende bis Hunderte Male größer als im Durchschnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre. 75 Prozent der Landoberfläche und 66 Prozent der Meeresfläche sind stark verändert. Über 85 Prozent der Feuchtgebiete sind verloren gegangen.

IPBES-Bericht 2019 – Header

Professor Josef Settele vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) leitete seit 2016 als Ko-Vorsitzender die Erstellung des Globalen Sachstandsberichts, an dem insgesamt 450 Expertinnen und Experten, darunter 40 aus Deutschland, beteiligt waren. Professor Josef Settele: „Die negative Entwicklung ist auf zahlreiche direkte Treiber wie beispielsweise Landnutzung, Umweltverschmutzung und Klimawandel zurückzuführen. Auch an den indirekten Treibern, also den sozialen und politischen Rahmenbedingungen, müssen wir ansetzen. Dies umfasst Maßnahmen auf allen gesellschaftlichen Ebenen, vom einzelnen Bürger und Konsumenten, über Gemeinden und Regierungen, bis hin zur Wirtschaft und internationalen Gremien und Konzernen.“

Der Weltbiodiversitätsrat IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist ein zwischenstaatliches Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung für das Thema biologische Vielfalt und Ökosystemleistungen. IPBES ist vergleichbar mit seiner älteren Schwester, dem Weltklimarat IPCC für das Klima. Deutschland ist einer der größten Finanzgeber; das Sekretariat des Weltbiodiversitätsrats hat seinen Sitz in Bonn.

Das Bundesumweltministerium (BMU) und das Bundesforschungsministerium (BMBF) unterstützen die Arbeit der Wissenschaftler und die Geschäftsstelle für die Erstellung des globalen Berichts mit Fördermitteln. Darüber hinaus haben beide Ministerien 2014 gemeinsam die deutsche IPBES-Koordinierungsstelle eingerichtet.

MdEP Häusling: Nie war Ökologisierung der Landwirtschaft dringender als jetzt

Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen Parlament und Mitglied im Umweltausschuss, kommentiert – er appelliert an die EU-Kommission, die überfällige Agrarwende einzuleiten und den Schutz der Natur in die Handelspolitik zu integrieren: „Die Bilanz ist erschreckend, traurig und dokumentiert auf drastische Weise, wie sehr der Mensch in nur wenigen Jahrzehnten es geschafft hat, nach und nach seine eigenen Lebensgrundlagen zu vernichten. Eine überbordende, Chemie-basierte, industrielle Landwirtschaft, ein Raubbau am Wald, zügelloser Bergbau, aber auch die Ausbeutung der Meere Fischerei und manchmal auch die Jagd richten im Zusammenhang mit Klimawandel und Umweltverschmutzung ein Desaster an. Wenn tatsächlich, wie es der UN-Bericht prophezeit, innerhalb weniger Jahrzehnte eine Million der geschätzt acht Millionen Arten der Erde verschwinden sollte, dann ist dies das Ergebnis einer allein auf Profit statt auf Wohlergehen ausgerichteten Weltwirtschaft. Genauso wie beim Klimawandel kann nur noch globales, abgestimmtes Gegensteuern helfen, um der Katastrophe in letzter Minute zu entgehen. Ich verlange von der EU-Kommission, sich mit aller Ernsthaftigkeit diesem Thema zu widmen und es zu ihrem eigenen zu machen. Das muss sich zu allererst in der Agrarpolitik widerspiegeln. Sie muss ökologischer werden, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, unser aller und das Leben der uns folgenden Generation aufs Spiel zu setzen. Denn der Bericht belegt klar, dass gerade in der Landwirtschaft die heftigsten Fehler gemacht werden: Wenn eine allein auf Spitzenertrag ausgerichtete Agrarwirtschaft dafür sorgt, wie es in dem Bericht heißt, dass ein Viertel der dort zuvor gesichteten Arten verschwinden, dann ist die Antwort klar: Wir brauchen dringend eine flächendeckende Ökologisierung des Landbaus. Dazu muss die EU-Kommission die Weichen stellen. Und sie muss in ihrer Handelspolitik nicht allein aufs Ökonomische abstellen, sondern etwa in den Verhandlungen mit Südamerika den Wald- und damit den Artenschutz an zentraler Stelle einfordern.“

ZDF-Angres: „Weg mit der Mehrwertsteuer auf Blaue-Engel-Produkte!“

ZDF-Umweltexperte Volker Angres nannte in der heute-Sendung am 06.05.2019 als Hauptgrund die Übernutzung der Erde durch das ständig weiter steigende Bevölkerungswachstum. Am 3. Mai hätten wir den deutschen Übernutzungstag gehabt. Sein Prinzip. „Ganz viel einsparen!“ Vor 27 Jahren sei im Rahmen er UN-Konferenz von Rio de Janeiro die UN-Konvention zur Artenvielfalt verabschiedet worden – seitdem sei es schlechter geworden. „Was man jetzt tun muss: tatsächlich an die Wirtschaftssysteme rangehen, das Belohnungssystem derart verändern, dass alle diejenigen, die sich ökologisch gut verhalten, einen nachhaltigen Weg gehen, besser dastehen als die anderen.“ Wenn der Staat etwas tun wolle: „Weg mit der Mehrwertsteuer auf Blaue-Engel-Produkte! Das „ist ein kleines Beispiel, das würde etwas bringen“.

->Quellen: