Desertec – wieder einmal neu erfunden

Sollen wir die Sahara-Wüste in den weltgrößten Energielieferanten verwandeln?

Das fragt sich und andere Amin Al-Habaibeh, Professor für intelligente technische Systeme an der Nottingham Trent Universität. Und er greift eine ebenso ambitionierte wie alte Idee wieder auf: Solarstrom aus der Sahara. Die Wüste könnte Afrika und die ganze restliche Welt mit nachhaltiger Energie versorgen. Schon mal gehört? Genau.  Al-Habaibeh veröffentlichte seine Gedanken jüngst in The Conversation.

Wüsten-Hybrid-kraftwerk Kuraymat, Ägypten – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft

„Wäre die Sahara ein Land, wäre es  das fünftgrößte der Welt – größer als Brasilien und etwas kleiner als China und die USA!, sagt Al-Habaibeh. Jeder Quadratmeter erhalte im Durchschnitt zwischen 2.000 und 3.000 Kilowattstunden Sonnenenergie pro Jahr, so die NASA. Bei einer Ausdehnung von ca. 9 Millionen km² bedeute das, dass die verfügbare Gesamtenergie mehr als 22 Milliarden Gigawattstunden (GWh) pro Jahr betrage.

Ein hypothetischer Solarpark, so rechnet Al-Habaibeh weiter, der die gesamte Wüste bedecke, würde 2.000 mal mehr Energie produzieren als selbst die größten Kraftwerke der Welt, die kaum 100.000 GWh pro Jahr erzeugen. Tatsächlich würde seine Produktion mehr als 36 Milliarden Barrel Öl pro Tag entsprechen – das seien etwa fünf Barrel pro Person und Tag. In diesem Szenario könnte die Sahara potenziell mehr als das 7.000-fache des Strombedarfs Europas produzieren, fast ohne CO2-Emissionen. Darüber hinaus hat die Sahara den Vorteil, dass sie sehr nah an Europa liegt. Die kürzeste Entfernung zwischen Nordafrika und Europa beträgt nur 15 km an der Straße von Gibraltar. Aber noch viel weitere Entfernungen über die Hauptbreite des Mittelmeers sind durchaus praktikabel – schließlich verläuft das längste Unterwasserkabel der Welt auf fast 600 km zwischen Norwegen und den Niederlanden.

Desertec reloaded

In den vergangenen zehn Jahren haben Wissenschaftler untersucht, wie Wüstensolaranlagen den steigenden lokalen Energiebedarf decken und schließlich auch Europa antreiben können – und wie dies in der Praxis funktionieren könnte. Und diese akademischen Erkenntnisse wurden in ernsthafte Pläne umgesetzt. Der bekannteste Versuch war die 2009 gegründete Desertec Industrie-Initiative, die erarbeitete fünf Jahre lang die Möglichkeiten für Solarstrom in der Wüste und dessen Transport via HGÜ-Leitungen, bzw. -kabel nach Europa. Die Dii wurde durch viel politische, kommerzielle und soziale Faktoren behindert, darunter ein Mangel an schneller Entwicklung in der Region, auch den arabischen Frühling und dessen schnelles Erlöschen. Sie erfährt aber soeben einen erneuten Aufschwung unter dem Namen Desert-Energy.

Zu den jüngsten Vorschlägen gehörten das TuNur-Projekt in Tunesien, das mehr als 2 Millionen europäische Haushalte mit Strom versorgen soll, oder der inzwischen realisierte Noor-Komplex in Marokko, das zunächst Marokkko und seine Nachbarn versorgen und irgendwann ebenfalls Strom nach Europa exportieren könnte.

Zwei Technologien

Zur Erzeugung von Solarstrom gibt es in diesem Zusammenhang derzeit zwei praktische Technologien: Concentrated Solar Power (CSP) und reguläre Photovoltaik-Solarzellen (PV). Jeder hat seine Vor- und Nachteile. CSP verwendet Linsen oder Spiegel, um die Sonnenenergie an einer Stelle zu bündeln, die  Wärme erzeugt dann über konventionelle Dampfturbinen Strom. Einige Systeme verwenden geschmolzenes Salz, um Energie zu speichern, so dass auch nachts Strom erzeugt werden kann. CSP scheint für die Sahara aufgrund der direkten Sonne, des Fehlens von Wolken und hohen Temperaturen besser geeignet zu sein, was sie effizienter macht. Der wichtigste Nachteil der Technologie ist jedoch die Nutzung der knappen Wasserressourcen.

CPV-Tracker in Wadi Natrum, Ägypten – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Photovoltaik-Solarzellen wandeln stattdessen die Sonnenenergie direkt mit Hilfe von Halbleitern in Strom um. Es ist die gebräuchlichste Art der Solarenergie, da sie entweder an das Stromnetz angeschlossen oder für die kleinteilige Nutzung an einzelnen Gebäuden verteilt werden kann. Außerdem bietet sie eine angemessene Leistung bei bewölktem Wetter. Wenn aber die Panels zu heiß werden, sinkt ihre Effizienz. Dies ist nicht ideal in einem Teil der Welt, in dem die Sommertemperaturen im Schatten leicht über 45? steigen können, und da der Energiebedarf für die Klimatisierung während der heißesten Tageszeiten am größten ist. Ein weiteres Problem ist, dass Sandstürme die Paneele bedecken können, was deren Effizienz weiter beeinträchtigt. Das gilt aber abenso für CSP-Kraftwerke.

Beide Technologien benötigen möglicherweise eine gewisse Menge an Wasser, um die Spiegel und Paneele wetterabhängig zu reinigen, was auch dazu führt, dass Wasser ein wichtiger Faktor ist. Die meisten Forscher schlagen vor, die beiden wichtigsten Technologien zu integrieren, um ein Hybridsystem zu entwickeln. Nur ein kleiner Teil der Sahara könnte so viel Energie produzieren wie derzeit der gesamte Kontinent Afrika. Mit der Verbesserung der Solartechnik wird es nur noch billiger und effizienter. Die Sahara mag für die meisten Pflanzen und Tiere unwirtlich sein, aber sie könnte nachhaltige Energie in ganz Nordafrika – und darüber hinaus – zum Leben erwecken. Sagt der Professor.

Solarify meint: Dem Professor sei die Lektüre der Dii-Literatur (siehe: solarify.eu/zwei-desertec-dii-studien) empfohlen – dort ist von mindestens vier Technologien die Rede: Den Wind und die konzentrierte Photovoltaik (CPV, siehe Foto) hat er nicht erwähnt.

->Quellen: