Weltgrößtes CCS-Projekt

10 Mio. t CO2 in leere Gaskavernen unter der Nordsee

Drei der größten Häfen Europas – Rotterdam (Foto unten), Antwerpen und Gent (North Sea Port: Gent-Terneuzen-Vlissingen) – , die ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen aus der Region Belgien, Niederlande und Luxemburg verursachen, wollen CO2 in ein riesige Unterwasserreservoirs leiten, berichtet Daniel Boffey am 09.05.2019 für den Guardian (s.a. spiegel.de/weltweit-groesste-co2-lagerflaeche-geplant). Die porösen Sandsteinhohlräume sollen genutzt werden, um im Rahmen des weltweit größten Projekts dieser Art 10 Millionen Tonnen abgetrennte CO2-Emissionen etwa drei Kilometer unter dem Nordseeboden zu speichern.

Man hofft, dass das Projekt bis 2030 abgeschlossen ist, ein Antrag auf ein EU-Projekt von gemeinsamem Entwicklungsinteresse wurde gestellt, was die Tür zu Subventionen für den Aufbau des Netzwerks öffnen soll. Die Organisatoren hoffen auf finanzielle Hilfe von der Europäischen Union. Die ist zwar interessiert, hat aber noch keine konkrete Unterstützung zugesagt. Es gebe noch Zweifel, inwiefern das Vorhaben sich auf die Umwelt auswirken werde. Denn der Umfang der Speicherung in zwei leeren Gasfeldern ist beispiellos und wirft Fragen darüber auf, wie sich das CO2 auf den tiefen Untergrund auswirken wird, so die niederländische Regierung.

Bis 2026 will man das CO2-Netz im Hafen von Rotterdam fertig bauen, um dann in den folgenden vier Jahren eine grenzüberschreitende Pipeline nach Antwerpen und den Nordseehafen von Gent zu realisieren. Eine weitere Ausweitung über die anfänglichen 10 Mio. t CO2 hinaus wird nach 2030 erwartet. Die Gesamtemissionen in den Häfen betragen mehr als 60 Mio. t CO2 pro Jahr. Im Vergleich dazu beliefen sich die Netto-Kohlenstoffemissionen des Vereinigten Königreichs im vergangenen Jahr auf 364 Millionen t.

Die CO2-Abtrennung soll den Übergang der Industrie zur Beseitigung der Verbrennung fossiler Brennstoffe unterstützen und dazu beitragen, die im Pariser Abkommen festgelegten Klimaschutzziele zu erreichen. Die niederländische Regierung strebt eine Reduzierung der Emissionen um 49 % bis 2030 an. Wissenschaftler in Belgien und den Niederlanden haben die Pläne weitgehend begrüßt.

Prof. Mark Saeys von der Universität Gent sagte der Zeitung De Morgen: „Natürlich würde ich Investitionen in erneuerbare Energien bevorzugen, aber man muss realistisch sein: Solange wir als Gesellschaft von fossilen Brennstoffen abhängig sind, kann die unterirdische CO2-Speicherung ein entscheidender Hebel zur Erreichung unserer Klimaziele sein.“

An der richtigen Technik arbeiten Forscher seit Jahren. Im Februar 2019 hat eine Firma in Großbritannien in einem Pilotprojekt die erste Verbrennungsanlage in Betrieb genommen, die CO2 aus der Atmosphäre filtern soll. Das Kohlendioxid wird dabei chemisch von den restlichen Abgasen getrennt und lagert sich an fein verteilten Tröpfchen eines Amins ab. Für die breite Anwendung eignet sich das Verfahren jedoch noch nicht. Englands größter Stromanbieter Drax hat im Februar 2019 seine CO2-Abscheidungsanlage in Betrieb genommen. Mit der Technik soll der Atmosphäre eine Tonne CO2 am Tag entzogen werden, berichtete die BBC. Das EVU hat seine Produktion auf Erneuerbare Energien aus Biomasse umgestellt und verbrennt jährlich sieben Millionen t Holzhackschnitzel zur Stromerzeugung. Drax will jetzt das erste Kraftwerk der Welt mit negativer CO2-Bilanz ans Netz gehen lassen. Das riesige Drax-Kohlekraftwerk im nordenglischen Selby deckte bisher zwar allein rund sieben Prozent des Energiebedarfs des Landes, galt aber auch als große Kohlendioxid-Schleuder und wurde dafür häufig von Umweltschützern kritisiert. Es wird jetzt als erstes in Europa eine Tonne CO2 pro Tag aus der Holzverbrennung abscheiden. Die Technologie wandelt zwar den Klimawandel in winzigem Umfang in umgekehrte Richtung, ist aber umstritten.

Das weltweit erste große CO2-Speicherungsprojekt wurde 1996 vor der norwegischen Küste entwickelt und leitete fast 1 Mio. t pro Jahr in einen Hohlraum 800 bis 1.100 Meter unter dem Meeresboden. Aber die Entwicklung der CO2-Abscheidung und -Speicherung wurde in Europa zunächst vergeblich vorangetrieben. 2009 hat die Europäische Kommission 1 Mrd. EUR für die Finanzierung von sechs Pilotprojekten zugesagt, in der Hoffnung, dass 12 Systeme bis 2015 in Betrieb gehen würden. Aber aufgrund der hohen Kosten wurde keines verwirklicht.

Mehr als 70% der 30 Mio. t CO2, die jährlich in Anlagen zur Nutzung oder Speicherung abgetrennt werden, werden in Nordamerika abgetrennt. Die bisher größte Initiative der Welt ist das 2017 gestartete Projekt Petra Nova in Texas, das an ein Kohlekraftwerk angeschlossen ist. Es verfügt über eine jährliche Abscheidekapazität von 1,4 Mio. t CO2, etwa so viel wie 350.000 Autos emittieren. Die für das europäische Hafenprojekt Porthos geplante Pipeline hätte die Kapazität, 5 Mio. t CO2 pro Jahr zu transportieren.

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