„Handabdruck“ statt „Fußabdruck“

Ein Konzept für mehr Optimismus im Klimaschutz?

Inspiration statt Frustration, Handeln statt Lähmung – dies will das Konzept des „Carbon Handprint“ schaffen, indem es positive Auswirkungen von Klimaschutz sichtbar und erzählbar macht. Denn auch wenn Informationen über Klimasünden wichtig sind, wirken sie häufig eher demotivierend. Wer sich intensiver mit Klimaschutz beschäftigt, stößt rasch auf den sogenannten „CO2-Fußabdruck„. Dieses Anfang der 90er Jahre entwickelte Konzept (engl.: „carbon footprint“) soll die Treibhausgasemissionen eines Menschen anschaulich machen, die er oder sie etwa durch Ernährung, Wohnen oder Verkehr verursacht. Je höher die Emissionen desto größer der sinnbildliche Fußabdruck. Was eine umgekehrte Sichtweise nach dem Motto „Was haben wir schon alles geschafft!“ bringen könnte, analysierte Julia Schilly für klimafakten.de am 16.05.2019.

Bildmontage © Gerhard Hofmann für Solarify

Um den persönlichen Fußabdruck zu ermitteln, gibt es online zahlreiche, teils recht unterschiedlich aufgebaute Rechner: Für Deutschland beispielsweise von Brot für die Welt, für die Schweiz vom WWF oder für Österreich vom Bundesministerium für Nachhaltigkeit. Die meisten Rechner verbinden das jeweilige Ergebnis mit einer Aussage nach dem folgenden Muster: „Hätten alle ErdenbürgerInnen Ihren Fußabdruck, bräuchten wir 3,15 Planeten, um allen den gleichen Zugriff auf Ressourcen und Energie zu ermöglichen.“

Doch wie motivierend ist der fokussierte Blick auf das geballte Ergebnis des eigenen ökologischen (Fehl)Verhaltens? Schließlich fällt das Resultat häufig recht ernüchternd aus, jedenfalls für die Bewohner von Industriestaaten: Selbst bei großen individuellen Anstrengungen bleibt eine erhebliche Menge an Emissionen, die sich aus der allgemeinen Infrastruktur, dem weithin üblichen Lebensstil oder fehlenden Handlungsalternativen ergibt. Die Botschaft beim Betrachten des eigenen Fußabdrucks lautet deshalb meist: Noch mehr Verzicht!

„Der ‚Handabdruck‘ zeigt uns, worauf wir stolz sein können“

Nun spielt bei der Frage, wie die Gesellschaft auf den Klimawandel reagiert, die Kommunikation eine zentrale Rolle. Vermittelt sie negative Botschaften, dann ist nicht unwahrscheinlich, dass eher Lähmung als Motivation das Ergebnis ist.

Auf die Ergänzung des bekannten „CO2-Fußabdrucks“ setzt das Konzept des „Handabdrucks“. Dieses Konzept erfasst nicht , wieviel Treibhausgase jemand noch verursacht – sondern wieviele er schon vermieden hat, entweder durch Verhalten, politisches Engagement oder auch durch berufliches Handeln in Entscheidungspositionen.

Das Konzept des sogenannten „Handabdrucks“ (engl. „handprint“) wurde vom Centre for Environment Education (CEE) in Indien entwickelt. Mit ihm wird berechnet und versinnbildlicht, was jemand bereits erreicht hat – er zeigt also, was man an ökologischen Fortschritten schon erreicht hat, statt was noch zu tun bliebe. Jede und jeder hat in diesem Konzept also die Möglichkeit, seinen oder ihren „CO2-Handabdruck“ zu vergrößern – und zwar potenziell bis ins Unendliche. Denn dieser Abdruck wächst sowohl mit eigenen Verhaltensänderungen, als auch mit Wirkungen auf andere Menschen. „Durch den ‚Handabdruck‘ wird aufgezeigt, worauf wir stolz sein können“, bringt Siewert die Idee auf den Punkt.

Wissen allein hilft wenig, und Negativszenarien führen in die Sackgasse

In der Klimapolitik hat sich als Richtschnur etabliert: Um die Folgen des Klimawandels noch halbwegs beherrschbar zu halten, darf in der Zukunft jeder Mensch weltweit nur noch rund zwei Tonnen Kohlendioxid verursachen. Obwohl die Emissionen in Schwellenländern wie China in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind, sind die traditionellen Industriestaaten weiterhin die weltweit größten CO2-Verursacher – jedenfalls wenn man den Treibhausgas-Ausstoß auf die Bevölkerungszahl umrechnet. Durchschnittlich lagen zum Beispiel 2016 die Pro-Kopf-Emissionen EU-weit bei 6,9 Tonnen, in Deutschland waren es sogar 9,8 Tonnen.

Dass diese Werte allenfalls langsam sinken, liegt weniger an Wissenslücken. Die Menschen sind in der Regel recht gut über die Folgen ihres Verhaltens informiert, doch dies wirkt sich nur begrenzt aus. Besonders wichtig für Verhaltensänderungen seien kurzfristige Rückmeldungen, erklärt Arno Deister, Ex-Präsident der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie.

Doch gerade beim weltweiten Problem Klimawandel sehen die Menschen kaum direkte Folgen ihres Handelns, außerdem wirken die Folgen des Klimawandels (noch) weit weg zu sein – sei es zeitlich oder geografisch. Auch führen die oft üblichen Negativszenarien in eine Sackgasse, wie der der Soziologe Harald Welzer betont.

Mit dem „Handabdruck“ könne man hingegen praktisch jeden abholen, meint Julia Siewert von klimAktiv. Denn selbst wenn der eigene Fußabdruck noch entmutigend groß ist, vermittelt die Hand, dass eine Person dennoch viel für den Klimaschutz leisten kann oder bereits geleistet hat. Der Handabdruck kann auf alle Bereiche angewandt werden: privates Verhalten, politisches Engagement oder berufliches Handeln in Entscheidungspositionen, etwa innerhalb von Unternehmen. Dabei kann es durchaus interessante Aha-Effekte geben, sagt Siewert: „Der Handabdruck kann beispielsweise abbilden, dass ökologisch nachhaltige Investitionen eines Fond-Managers viel mehr bringen, als der Öko-Strom, mit dem vielleicht sein Büro betrieben wird.“

Der Handabdruck darf aber nicht als Freibrief verstanden werden

KlimAktiv bietet beispielsweise Softwaretools für Unternehmen an, in denen das Konzept bereits eingebaut ist. Auch der populäre CO2-Rechner, den das deutsche Umweltbundesamt für Bürger bzw. zur Berechnung ihrer Klimabilanz zur Verfügung stellt, weist nicht mehr nur die individuellen Emissionen aus – sondern auch solche, die man bereits vermieden hat. Dabei wird beispielsweise unterschieden zwischen „Vermeidung bei mir selbst“ (etwa durch den Bezug von Ökostrom) und „Vermeidung bei anderen“ (etwa dadurch, dass man aus einer eigenen Solaaranlage Strom ins Netz speist, der dann anderswo verbraucht wird).

Durch einen „Handabdruck“ können ebenso Unternehmen die (Klima-)Folgen ihres Handeln erfassen – und damit auch nach außen kommunizieren. Gemeinsam mit klimAktiv hat etwa der Lebensmittelhersteller Nomad Foods (bekannt unter anderem für seine „Käpt’n Iglo Fischstäbchen) einen „Corporate Carbon Handprint“ erarbeitet. Ein Beispiel für eine international agierende Großinstitution, die das „Handprint“-Konzept bereits anwendet, ist die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).

Ein wesentlicher Teil seines Charmes ist, wie Julia Siewert betont, dass er keine Grenzen hat: Man kann ihn durch eigenes Handeln immer und immer größer machen. Im Gegensatz dazu steht der CO2-Fußabdruck: Egal ob bei Privatpersonen oder Unternehmen – ab einem gewissen Punkt kann er ohne tiefgreifende Energie-, Verkehrs- oder Agrarwende nicht weiter verkleinert werden.

Doch Siewert weist auch auf einen neuralgischen Punkt hin: Der Handabdruck dürfe nicht zu einem „Nullsummenspiel“ verführen. Es wäre jedenfalls falsch, wenn jemand sagte, „ich ernähre mich jetzt vegetarisch, also kann ich guten Gewissens fliegen“, betont Siewert. „Die Emissionen müssen insgesamt runter.“

->Quelle: Klimafakten.de/handabdruck-statt-fussabdruck-ein-konzept-fuer-mehr-optimismus-im-klimaschutz/Julia Schilly