Klimagas befeuert Chemie

Erst gut gemischt, dann perfekt getrennt

Um das zu erreichen, setzt Andreas Vorholt auf Reaktionen in Gemischen aus Flüssigkeiten, die sich wie Öl und Essig einer Salatsauce nicht miteinander verbinden. Der Katalysator befindet sich dann etwa in einer organischen Flüssigkeit, während sich das Produkt in einer wässrigen Lösung sammelt – oder umgekehrt. Bei diesem Konzept müssen Chemiker allerdings ein Dilemma lösen: Während der Reaktion sollen sich alle Komponenten – im Fall von CO2 und Wasserstoff sind auch noch gasförmige Ausgangsstoffe beteiligt – möglichst gut mischen. Anschließend sollen der Katalysator und das Produkt aber strikt getrennte Wege gehen. „Es ist wie im richtigen Leben: Man will immer genau das, was man nicht hat“, sagt Vorholt. Denn eine Rezeptur, in der sich die Reaktionspartner vollständig in der Lösung des Katalysators befinden, das Produkt dann aber komplett in die andere Flüssigkeit wandert, ist schwer zu finden.

Ein Ausweg aus der misslichen Lage bietet sich, wenn Ausgangsstoffe und Katalysator zwar in den beiden Flüssigkeiten getrennt vorliegen, sich die eine Flüssigkeit aber in Form möglichst kleiner Tropfen in der anderen verteilt. Den künftigen Partnern bietet sich dann eine große Kontaktfläche, an der sie sich mit dem Katalysator zur Reaktion treffen können. Praktisch setzt Vorholts Team dieses Konzept mit einem Düsen-Umlaufreaktor um: Darin wird am Boden des Reaktionsgefäßes ein Teil des Cocktails abgezweigt und am Deckel durch eine Düse wieder hineingepresst. „So bilden sich feine Tröpfchen und die Reaktion läuft viel schneller ab als in konventionellen Reaktoren, obwohl der Katalysator am Ende vom Produkt perfekt getrennt vorliegt“, erläutert Vorholt.

Um das Geschehen in ihren Reaktoren besser zu verstehen und beeinflussen zu können, errichten die Chemiker labortaugliche Kopien von Industrieanlagen und bauen dabei zahlreiche Analyseinstrumente ein. „Wir integrieren eine Messstrecke für eine online-Überwachung. Denn wie cool wäre das denn, wenn ich wüsste, der Katalysator macht jetzt nicht das, was er soll, und ich dann gegensteuern könnte“, schwärmt Vorholt.

CO2 in einem Polyol für Matratzen und Sportböden

Dass sich Katalysatoren und chemische Prozesse tatsächlich darauf trimmen lassen, CO2 auch industriell umzusetzen, belegt ein aktuelles Beispiel. Im CAT, einem Katalysezentrum von Leitners Gruppe an der RWTH Aachen und des Chemieunternehmens Covestro, haben Forscher die Entwicklung eines Verfahrens ermöglicht, mit dem sich CO2 in ein Polyol – eine wichtige Komponente von Schaum- und Klebstoffen – einbauen lässt.

Das CO2 dafür zapft das Unternehmen aus anderen Chemieprozessen ab, wo es als Nebenprodukt anfällt. Es ersetzt damit einen Teil des Ausgangsstoffs für die Polyol-Herstellung, der bislang ausschließlich aus Erdöl gewonnen wurde. Inzwischen produziert Covestro bereits erste Polyole mit bis zu 20 Prozent CO2-Gehalt in der Größenordnung von einigen tausend Tonnen. Damit schont das Verfahren Ressourcen und verringert die CO2-Emissionen entsprechend, wie André Bardow, Professor an der RWTH Aachen, in umfangreichen Analysen der Ökobilanz nachgewiesen hat. Aus Schaumstoff, in dessen molekulares Gerüst CO2 eingebaut ist, werden bereits Matratzen hergestellt. Und in Sportstätten gibt es auf Basis dieser Materialien schon CO2-haltige Bodenbeläge.

Die CO2-Matratzen sind für Walter Leitner ein Modellfall, und damit erst der Anfang. Ob die chemische Industrie das klimaschädliche Gas auch für andere Produkte als Rohstoff nutzen wird, hängt dabei auch von Faktoren ab, auf die er mit seiner Forschung an Katalysatoren keinen Einfluss hat. Wie effizient und kostengünstig sich CO2 dort abfangen lässt, wo es in großen Mengen entsteht, ist ein solcher Aspekt. Außerdem muss es genügend Strom aus Erneuerbaren Quellen geben, um Wasserstoff nachhaltig zu erzeugen, wenn dieser mit CO2 eine Liaison eingehen soll. Und die Gase müssen dann auch noch dahin gelangen, wo die chemische Industrie sie verarbeitet.

In den Augen von Caroline Gebauer ist noch eine Starthilfe für die CO2-basierte Chemieproduktion angezeigt: „Der CO2-Ausstoß müsste einen viel höheren Preis bekommen, der den Klimaschaden in Rechnung stellt“, sagt die Power-to-X-Referentin des BUND. „Eine Abgabe auf CO2 würde da sicherlich helfen.“

Unabhängig davon sieht Leitner durchaus gute Chancen dafür, CO2 einem Nutzen zuzuführen. „CO2 mit Wasserstoff umzusetzen kann heute schon ökologisch und ökonomisch sinnvoll sein, vor allem wenn die bisherigen Prozesse aufwändig und energieintensiv sind“, sagt der Chemiker. Konkurrenzfähiger würden die nachhaltigen Verfahren, wenn die CO2-Bilanz in die wirtschaftliche Bilanz einbezogen würde. „Das wäre neben der chemischen Katalyse dann die ökonomische Katalyse.“

CO2 und Rauch – Kraftwerke im Nordwesten Berlins – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Auf den Punkt gebracht

  • Um CO2 als Rohstoff in der chemischen Industrie einzusetzen, suchen Max-Planck-Forscher nach geeigneten molekularen Katalysatoren und Produktionsverfahren.
  • Sie haben bereits chemische Partnervermittler gefunden, die das Treibhausgas mit Wasserstoff zu Methanol und Ameisensäure umsetzen.
  • Um zu vermeiden, dass die gelösten Katalysatoren nach der Reaktion von den Produkten aufwändig abgetrennt werden müssen, verwenden die Chemiker etwa metallische Nanoteilchen, die sie mit ionischen Flüssigkeiten auf einem Untergrund fixieren, oder einen Reaktor, in dem der Katalysator und die Produkte in verschiedenen Flüssigkeiten vorliegen.
  • Gemeinsam mit Forschern des Chemieunternehmens Covestro hat Walter Leitners Team ein katalytisches Verfahren entwickelt, um CO2 in Polyole einzubauen, die zu Schaum- und Klebstoffen verarbeitet werden. In Matratzen und Sportböden werden die CO2-haltigen Polymere bereits eingesetzt.

->Quelle:  mpg.de/kohlendioxid-nutzung-in-der-chemie