Sauerstoff als CO2-Zerfallsprodukt

Atemgas für Astronauten

Atemgas für Astronauten: Forscher am California Institute of Technology (Caltech) haben entdeckt, wie molekularer Sauerstoff auf einfache Weise ohne zusätzliche Chemikalien aus Kohlendioxid gewonnen werden kann. Einer Forschungsarbeit im Fachmagazin Nature Communications zufolge genügt es, CO2 mit hohem Tempo auf eine inerte Oberfläche zu schießen. Dabei zerfällt ein Teil des CO2 in molekulares O2 und Kohlenstoff-Atome. Diese zuvor unbekannte Reaktion könnte erklären, warum einige Kometenschweife Sauerstoff enthalten – und künftige Astronauten mit Sauerstoff versorgen.

Ein Ort, an dem molekularer Sauerstoff außerhalb der Erde erscheint, ist der Schweif von Kometen. Die Quelle dieses Sauerstoffs blieb ein Rätsel, bis vor zwei Jahren  Konstantinos P. Giapis, Professor für Chemieingenieurwesen am Caltech, und sein Postdoc Yunxi Yao ein neues chemischesn Verfahrens vorschlugen, das seine Entstehung erklären könnte. Giapis hat nun zusammen mit Tom Miller, Professor für Chemie, eine neue Reaktion zur Sauerstofferzeugung demonstriert, von der Giapis sagt, dass sie Menschen helfen könnte, das Universum zu erforschen und vielleicht sogar den Klimawandel zu Hause zu bekämpfen. Grundsätzlich sagt er jedoch, dass die Reaktion eine neue Art von Chemie darstellt, die durch das Studium von Kometen entdeckt wurde.

Die meisten chemischen Reaktionen benötigen Energie, die typischerweise als Wärme bereitgestellt wird. Giapis‘ Forschung zeigt, dass einige ungewöhnliche Reaktionen durch die Bereitstellung kinetischer Energie auftreten können. Wenn Wassermoleküle wie winzige Kugeln auf sauerstoffhaltige Oberflächen wie Sand oder Rost geschossen werden, kann das Wassermolekül diesen Sauerstoff abreißen und molekularen Sauerstoff produzieren. Diese Reaktion tritt bei Kometen auf, wenn Wassermoleküle an der Oberfläche verdampfen und dann durch den Sonnenwind beschleunigt werden, bis sie mit hoher Geschwindigkeit in den Kometen zurückprallen.

Kometen stoßen aber auch CO2 aus. Giapis und Yao wollten testen, ob CO2 auch bei Kollisionen mit der Kometenoberfläche molekularen Sauerstoff produzieren kann. Als sie O2 im Strom der Gase fanden, die aus dem Kometen austreten, wollten sie feststellen, ob die Reaktion ähnlich der Reaktion des Wassers war. Sie entwarfen ein Experiment, um CO2 auf die inerte Oberfläche von Goldfolien prallen zu lassen, die nicht oxidiert werden können und keinen molekularen Sauerstoff produzieren sollten. Dennoch wurde weiterhin O2 von der Goldoberfläche abgegeben. Das bedeutet, dass beide Sauerstoffatome aus demselben CO2-Molekül stammen und es auf außergewöhnliche Weise effektiv spalten. Ein Teil der CO2-Moleküle zerfiel durch den Beschuss vollständig in seine Einzelatome, bei einem Teil entstand jedoch ohne weitere Katalysatoren O2. Insgesamt konnten etwa zwei Prozent des CO2 durch die Kollision, ohne das weitere Energie benötigt wurde, in molekularen Sauerstoff umgewandelt werden.

Die zuvor als unmöglich angesehene Umwandlung ist laut Analysen der Studienautoren möglich, da „als erstes das führende Sauerstoffatom mit einem Goldatom des Untergrunds kollidiert, dann folgt der Aufprall des CO-Molekülrests.“ Meistens führt dies laut den Beobachtungsdaten dazu, dass das zuerst auftreffende Sauerstoffatom abgetrennt wird und so Kohlenmonoxid entsteht. Bei etwa fünf Prozent der aufgezeichneten Kollision erfolgte diese Abtrennung jedoch nicht, sondern es erfolgte lediglich eine starke Verformung des CO2, „die zu einer intramolekularen Reorganisation führt, die eine dreieckige Konfiguration des CO2 mit nahezu gleichen Bindungslängen zwischen den Atomen“ verursacht. Dies führt dazu, dass die Sauerstoffatome aufgrund ihrer nun sehr nahen Lage eine Bindungsumlagerung eingehen können. Yao erklärt, dass „das Molekül so zu einem freien Kohlenstoffatom und einem O2-Molekül dissoziiert.“

„Damals dachten wir, es sei unmöglich, die beiden Sauerstoffatome eines CO2-Moleküls miteinander zu kombinieren, weil CO2 ein lineares Molekül ist, und man müsste das Molekül stark verbiegen, damit es funktioniert“, sagt Giapis. „Man macht ja etwas wirklich Drastisches mit dem Molekül.“

Um den Mechanismus zu verstehen, wie CO2 zu molekularem Sauerstoff zerfällt, wandte sich Giapis an Miller und seinen Postdoc Philip Shushkov, der Computersimulationen des gesamten Prozesses entwickelte. Die Erklärung der Reaktion stellte aufgrund der möglichen Bildung von angeregten Molekülen eine große Herausforderung dar. Diese Moleküle haben so viel Energie, dass ihre Atome in Schwingungen versetzt werden und sich in enormem Maße drehen. All diese Bewegungen erschweren die Simulation der Reaktion in einem Computer, da sich die Atome in den Molekülen auf komplexe Weise bewegen.

„Im Allgemeinen können angeregte Moleküle zu ungewöhnlichen chemischen  Reaktionen führen, also haben wir damit begonnen“, sagte Miller. „Aber zu unserer Überraschung hat der angeregte Zustand keinen molekularen Sauerstoff erzeugt. Stattdessen zerfiel das Molekül in andere Produkte. Letztendlich haben wir festgestellt, dass sich auch ohne Anregung des Moleküls ein stark verbogenes CO2 bilden kann, das O2 produzieren könnte.“

Die von Giapis entwickelte Vorrichtung zur Durchführung der Reaktion funktioniert wie ein Teilchenbeschleuniger, der die CO2-Moleküle in Ionen verwandelt, indem er sie auflädt und sie dann mit einem elektrischen Feld beschleunigt, wenn auch mit viel niedrigeren Energien als in einem Teilchenbeschleuniger. Er fügt jedoch hinzu, dass eine solche Vorrichtung nicht notwendig ist, damit die Reaktion stattfinden kann.

„Man könnte einen Stein mit genügend Geschwindigkeit auf etwas CO2 werfen und dasselbe erreichen“, sagt er. „Es müsste so schnell wie ein Komet oder Asteroid durch den Raum fliegen.“ Das könnte das Vorhandensein kleiner Mengen an Sauerstoff erklären, die hoch in der Marsatmosphäre beobachtet wurden. Es wurde spekuliert, dass der Sauerstoff durch ultraviolettes Licht der Sonne erzeugt wird, das auf CO2 trifft, aber Giapis glaubt, dass der Sauerstoff auch durch schnelle Staubpartikel erzeugt wird, die mit CO2-Molekülen kollidieren.

Der neue Forschungsansatz wurde durch den überraschenden Nachweis von molekularen Sauerstoff durch die Raumsonde Rosette innerhalb der Gashülle des Kometen Churyumov-Gerasimenko ausgelöst. Wie Yunxi Yao erklärt, „hat dieser Fund das Interesse an abiotischen Reaktionen geweckt, die in extremen Umgebungen Sauerstoff freisetzen können.“

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