Deutschland bei Schiene auf drittletztem Platz

Länderranking: Investitionsvergleich bescheinigt Bundespolitik großen Nachholbedarf

Ein europaweiter Vergleich der Schieneninvestitionen stellt der deutschen Verkehrspolitik ein schlechtes Zeugnis aus. Mit seinen Pro-Kopf-Investitionen in die Eisenbahn-Infrastruktur landet Deutschland im Ranking zehn führender Volkswirtschaften in Europa auf dem drittletzten Platz. In der von der Allianz pro Schiene und der Unternehmensberatung SCI Verkehr gemeinsam erstellten Analyse lässt die wohlhabende Bundesrepublik nur Frankreich und Spanien hinter sich. Teils deutlich mehr für die Schiene leisten nicht nur die Spitzenreiter Schweiz und Österreich, sondern auch Schweden, Großbritannien und Dänemark, die Niederlande sowie Italien.

Kleine Schritte reichen nicht für Verkehrswende

„Der Realitätscheck für die deutsche Verkehrspolitik fällt enttäuschend aus. Die Verkehrswende hin zu einer umweltgerechten Mobilität kommt in Deutschland trotz aller Bekenntnisse zum Klimaschutz nicht wirklich voran“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, am 17.06.2019 in Berlin. „Zwar gehen die Pro-Kopf-Investitionen in die Schieneninfrastruktur seit 2014 schrittweise nach oben. Doch mit diesem Tempo kann die Bundesrepublik gerade einmal die größten Schwachstellen ausbessern, aber nicht die Verkehrswende gestalten. Sie bleibt Nachzügler in Europa, weit abgeschlagen von den Vorzeigeländern Schweiz, Österreich oder Schweden.“

– Grafik © Allianz pro Schiene 06-2019 auf Basis von BMVI, VöV, BMVIT, SCI Verkehr GmbH;

Volkswirtschaft braucht leistungsfähige Infrastruktur

Auf die Folgen mangelnder Infrastruktur-Investitionen wies Maria Leenen, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung SCI Verkehr, hin.

„Für die Realisierung der Klimaschutzziele ist eine Verkehrswende weg von fossilen Brennstoffen hin zu regenerierbaren Energien einer der wichtigsten Bausteine. Die heute massenhaft verfügbare, ökonomisch und ökologisch effizienteste E-Mobilität bietet die Schiene – sowohl für die Reisenden wie auch für die Beförderung von Gütern. Allerdings wird der Umstieg durch den Zustand und die fehlenden Kapazitätsreserven der Bahninfrastruktur empfindlich ausgebremst. Hoffnungslos überlastete Linien, Langsamfahrstellen, fehlende Überholgleise oder zu wenig Netz-Redundanz im Falle von Störungen belasten die Qualität des komplexen Systems Schiene“, so Leenen.

Als besonders enttäuschend bezeichnete Flege, dass Deutschland nach wie vor ein Vielfaches an öffentlichen Geldern in die Straße stecke. In der Schweiz und Österreich übertreffen dagegen die Schieneninvestitionen die in die Straße. „Deutlicher kann man nicht machen, dass Deutschland dem Klimaschutz im Verkehr noch immer keine Priorität einräumt.“

– Grafik © Allianz pro Schiene 06-2019 auf Basis von BMVI, VöV, BMVIT;

Leenen ergänzt: „Ein wichtiger Grund für die unbefriedigende Qualität der Bahn heute ist die langjährige Unterfinanzierung der Bahninfrastruktur in der Vergangenheit. Die heutigen Kunden der Schiene zahlen die Quittung dafür. Man ist zu lange auf Verschleiß gefahren. Wir brauchen jetzt ein deutliches und vor allem nachhaltiges Hochfahren der Investitionen, um die Infrastruktur zu modernisieren und die Kapazität so auszubauen, dass tatsächlich auch das erwünschte Wachstum auf der Schiene bewältigt werden kann.“

Umfrage zeigt Stimmungswandel 

Weiter als die Bundespolitik sind laut Flege die Menschen in Deutschland. Eine von der Allianz pro Schiene beauftrage repräsentative Civey-Umfrage zeigt einen klaren Stimmungsumschwung zugunsten der Schiene. Erstmals seit Beginn der Erhebung vor zwei Jahren fordert die größte Bevölkerungsgruppe (31 Prozent) einen „deutlichen stärkeren Ausbau“ des Schienennetzes.

Damit stellt diese Bevölkerungsgruppe im Erhebungszeitraum vom 15. März bis zum 13. Juni den größten Anteil und liegt erstmals vor den Unentschiedenen, die Schienen- und Straßenbau zu gleichen Teilen wollen (30 Prozent). „Nicht nur die Klimademonstrationen zeigen, dass die Politik umsteuern muss, wenn sie auf die Wünsche der Menschen eingehen möchte. Die Bevölkerung will eine wirksame Senkung der Treibhausgas-Emissionen. Sie will eine andere Verkehrspolitik.“

Zu den Investitionsdaten im Einzelnen: Mit Pro-Kopf-Investitionen von 77 Euro in die Schiene kommt Deutschland auf ein Fünftel des Schweizer Niveaus mit einem Wert von 365 Euro pro Kopf und Jahr. Österreich liegt mit 218 Euro beim Dreifachen des deutschen Standards. Auch Länder ohne Hochgebirgsketten wie Großbritannien, Dänemark und die Niederlande investieren in etwa doppelt so viel wie die Bundesrepublik in die Schiene.

Trend zeigt nach oben

 

Immerhin zeigt sich seit einigen Jahren hierzulande nach langer Stagnation eine Aufwärtstendenz. Von 49 Euro im Jahr 2014 hat die Politik die Investitionen in die Schieneninfrastruktur auf 69 Euro in 2017 und 77 Euro im vergangenen Jahr gesteigert. „Wir erkennen das Bemühen der Bundesregierung und gerade des Bundesverkehrsministers an, die Schiene zu stärken. Mit Klein-Klein aber ist es nicht getan. Allein um die Versäumnisse der Vergangenheit aufzuarbeiten, ist eine Kraftanstrengung unverzichtbar“, so Flege. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene rief die Bundesregierung auf, beim Haushalt des nächsten Jahres die Weichen für eine umweltfreundliche Mobilität zu stellen. „Noch vor der Sommerpause kann und muss das Bundeskabinett bei der Verabschiedung des Regierungsentwurfs für den Bundeshaushalt 2020 zeigen, dass es den Klimaschutz im Verkehr ernst nimmt.“

– Grafik © Allianz pro Schiene 06-2019 auf Basis von BMVI;

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