Der neue Gasboom – Stranded Asset?

Studie: Ausbau der weltweiten LNG-Infrastruktur könnte floppen

„Gas könnte das gleiche Schicksal erleiden wie Kohle“ titelte das US-Wisenschaftsmagazin Energy-Wire: Eine Studie der amerikanischen Wissenschaftler Ted Nace, Lydia Plante und James Browning für Global Energy Monitor (früher bekannt als CoalSwarm – eine in den USA ansässige Forschungs- und Interessengruppe, welche die Entwicklung fossiler Brennstoffe verfolgt) belegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Erdgas-Boom (LNG oder Fracking) als Stranded Asset enden wird. Die Erdgasindustrie wolle sich zwar durch einen massiven Anstieg der Hafeninfrastruktur, schwimmende Offshore-Terminals und LNG-Tankschiffe von einer Reihe regionaler Märkte in ein breiteres und stärker integriertes globales System umstrukturieren. Doch die Erneuerbaren werden die Erwartungen enttäuschen.

The New Gas Boom – Titel © Global Energy Monitor

Wenn die Transformation erfolgreich wäre, würde sie bis Mitte des Jahrhunderts zu einem viel höheren Niveau der Erdgasproduktion führen – scheinbar ein Gewinn für die Industrie – wenn man außer Acht lässt, dass die sinkenden Kosten für Erneuerbare Energien viele dieser Projekte langfristig unrentabel machen und einen Großteil der 1,15 Billionen Euro gefährden, die in diesen globale Gasboom investiert werden sollen. Eine solche Erweiterung ist auch unvereinbar mit der Warnung des IPCC, dass der Gasverbrauch bis 2030 um 15% und bis 2050 um 43% gegenüber 2020 sinken muss, um die Erwärmung auf 1,5°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Der 21seitige Bericht von Nace et al. enthält die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage über LNG-Terminals, die vom Global Fossil Infrastructure Tracker durchgeführt wurde. Haupterkenntnisse des Berichts:

  • Methan, Hauptkomponente des Erdgases, ist für 25% der bisherigen globalen Erwärmung verantwortlich.
  • Gemessen an den Auswirkungen der Erderwärmung ist der Umfang der zu entwickelnden LNG-Erweiterung genauso groß oder größer als der Ausbau von Kohlekraftwerken und stellt eine direkte Herausforderung für die Pariser Klimaziele dar.
  • Aufgrund sinkender Kosten für Erneuerbare Energien steht der Ausbau der LNG-Infrastruktur vor der Frage nach langfristiger Finanzierbarkeit und dem Risiko des Vermögensverlustes. Da jedoch nur 8% der in Entwicklung befindlichen Terminalkapazität bereits im Bau sind, bleibt noch Zeit, Überkapazitäten zu vermeiden.
  • Weltweit sind mindestens 202 LNG-Terminalprojekte in Entwicklung, darunter 116 Exportterminals und 86 Importterminals.
  • LNG-Exportterminals werden in 20 Ländern entwickelt, von denen Kanada und die USA 74% der geplanten neuen Kapazität ausmachen. Wenn sie gebaut würden, würden LNG-Terminals in Vor- und Bauausführung die derzeitige globale Exportkapazität verdreifachen.
  • LNG-Importterminals sind in 42 Ländern in Entwicklung, von denen 22 keine aktuelle Importkapazität haben. Der Kapazitätsausbau konzentriert sich auf die Region Asien-Pazifik.
  • Insgesamt stellen LNG-Terminals in Entwicklung Investitionsausgaben von 1,3 Billionen US-Dollar dar, von denen 70% für nordamerikanische Exportterminals und 6% für Importterminals im asiatisch-pazifischen Raum bestimmt sind. Was die Investitionsausgaben für Import- und Exportterminals angeht, so sind die zehn wichtigsten Länder die Vereinigten Staaten (507 Milliarden Dollar), Kanada (410 Milliarden Dollar), Russland (86 Milliarden Dollar), Australien (38 Milliarden Dollar), Tansania (25 Milliarden Dollar), China (24 Milliarden Dollar), Indonesien (24 Milliarden Dollar), Mosambik (23 Milliarden Dollar), Iran (21 Milliarden Dollar) und Papua Neuguinea (17 Milliarden Dollar).

Methan als Treibhausgas: 7 Schlüsselzahlen

„Vom Held zum Schurken: Veränderte Sichtweise von Erdgas“ – Die Wahrnehmung des Nutzens oder Schadens von Erdgas hat sich in einem klimaschutzgebundenen Energiesystem in den letzten zehn Jahren von positiv zu negativ verändert, nachdem Klimawissenschaftler mit zunehmender Genauigkeit den Grad der Undichtigkeit im gesamten Erdgasversorgungs- und Liefersystem und die Potenz von Methan als Treibhausgas gemessen haben. Während Kohlendioxid bei der globalen Erwärmung eine größere Rolle spielt als Methan, deuten eine Reihe neuerer Erkenntnisse darauf hin, dass die Wirkung von Methan doch stärker ist als bisher angenommen. Sieben Kennzahlen veranschaulichen die Verschiebung des Verständnisses.

  1. 700 – In der vorindustriellen Ära lag der Gasgehalt bei etwa 700 ppm (NASA 2016).
  2. 1.850 – Im Jahr 2018 berichteten Klimawissenschaftler, dass das atmosphärische Methan 2006 bis 2017 von 1.775 auf 1.850 ppb angestiegen war und mit zunehmender Geschwindigkeit zunahm. Das schnelle Wachstum, das nicht erwartet worden war, „reicht aus, um das Pariser Abkommen in Frage zu stellen“. (Nisbet 2017)
  3. 25% – Der Prozentsatz der bisherigen globalen Erwärmung durch Methan (Myhre 2014).
  4. 2,3%  – Im Jahr 2018 schätzte eine große Peer-Review-Studie, dass die Undichtigkeitsrate für das US-amerikanische Gassystem 2,3% betrug. Die Schätzung lag 60% über dem Wert, den die US-Regierung zuvor bei großen Erdgasbewertungen verwendet hatte (Alvarez 2018).
  5. 86 – Methan (CH4) ist im Vergleich zu Kohlendioxid (CO2) ein relativ kurzlebiges, aber hochwirksames Treibhausgas, das nur ein Jahrzehnt lang in der Atmosphäre verbleibt, aber in dieser Zeit mehr als 100 mal so viel Einfluss auf die globale Erwärmung hat wie CO2. Über einen Zeitraum von 20 Jahren betrachtet, ist die globale Erwärmung von CH4n laut der jüngsten IPCC-Bewertung (Myhre 2014) 86 mal so stark wie die von CO2.
  6. 34 – Betrachtet über einen Zeitraum von 100 Jahren, ist die globale Erwärmung von CH4 laut der jüngsten IPCC-Bewertung (Myhre 2014) dreimal so stark wie die von CO2.
  7. 25% – Im Jahr 2016 kamen die Autoren der IPCC-Bewertung 2014 zu dem Schluss, dass die Auswirkungen von Methan auf die globale Erwärmung etwa 25% höher sind als bisher angenommen, was weitere Bedenken aufwirft (Etminan 2016).

Ted Nace sagte, dass die LNG-Entwicklung auf Kollisionskurs mit dem Pariser Abkommen und den sinkenden Kosten für erneuerbare Energien sei. Er sagte, dass das ein Risiko von mehr als 1 Billion USD an verlorenen Vermögenswerten mit sich bringt. „Das sind 40-jährige Investitionen aus Sicht der Industrie“, sagte er. „Die Erdgasinfrastruktur kann in drei, vier oder fünf Jahren wettbewerbsfähig sein, aber erwarten die Menschen, dass sie auch noch in 15 Jahren wettbewerbsfähig mit Erneuerbaren Energien ist?“


Solarify fragt sich: Ob der Wirtschaftsminister bei seinen LNG-Terminal-Plänen das auch bedenkt?

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