Klimawandel nicht mehr zu übersehen – Die Politik? Trödelt.

Umsteuern aber immer noch möglich

„Europa ächzt unter einer Hitzewelle, in der Arktis brennen die Wälder, am Horn von Afrika hungern die Menschen, in Nepal, Indien und Bangladesch fliehen Millionen vor Überschwemmungen und tropische Zyklone verwüsten die ostafrikanische Küste. Man muss schon sehr blind und wissenschaftsfeindlich sein, um 2019 die Warnsignale der planetaren Überhitzung nicht zu erkennen“, schreibt Jan Kowalzig in seinem Blog für Oxam am 26.07.2019.

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Überschwemmung durch Taifun Ketsana in Hoi An – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Die Hitzewelle dieser Tage ist dabei nur ein Vorbote dessen, womit wir in Zukunft rechnen müssen. Schon heute treten solche Wetterlagen zwei- bis dreimal so häufig auf wie noch 1980 – wegen des Klimawandels. Es wird wohl noch heftiger werden: In dreißig Jahren, so haben es Wissenschaftler nun vorgerechnet, dürfte Berlin in etwa das Klima des australischen Canberra haben – mit jährlichen Maximaltemperaturen, die über 6°C höher liegen als heute; OsIo wird bis 2050 so warm wie heute Bratislava, Madrid so heiß wie heute das marokkanische Fez. Dessen Maximaltemperaturen wiederum werden den Modellrechnungen zufolge 2050 über 7°C höher liegen als heute.

Was uns daran erinnern könnte, dass das, was derzeit in Deutschland die Menschen ächzen lässt (oder in die Badeseen treibt), in vielen Ländern als noch eher angenehm gilt. Und auch die Veränderungen des Klimawandels werden dort weitaus dramatischer ausfallen. Die gegenwärtige Dürre am Horn von Afrika ist ein deutlicher Vorgeschmack dafür, was die Zukunft bringen wird. Nachdem es mehrfach hintereinander zu wenig geregnet hat, hungern über sieben Millionen Menschen, und mehr als 15 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Situation ist umso dramatischer, weil sich die Menschen dort immer noch nicht von den Folgen der Dürre von vor zwei Jahren erholt haben.

Neben extremen Wetterlagen und Katastrophen, die es regelmäßig auf unsere Fernseher schaffen, sind es insbesondere die schleichenden Veränderungen, die den Menschen nach und nach die Lebensgrundlagen zerstören, etwa der steigende Meeresspiegel oder steigende Temperaturen, die allmähliche Versalzung von Böden und Grundwasserreserven, erratischer werdende Niederschlagsmuster oder das allmähliche Austrocknen des Landes. Sie erschweren die oft ohnehin prekären Bedingungen für Millionen Menschen weiter.

Auch bei einem vergleichsweise moderaten Klimawandel dürfte der Welt Anbaufläche für Nahrungsmittel verloren gehen, die etwa dem Doppelten der landwirtschaftlichen Nutzfläche Europas entspricht. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) schätzt, das bis 2080 rund 600 Mio. Menschen allein wegen des Klimawandels unter Hunger leiden werden. Die Folgen mag man sich gar nicht vorstellen. Schon vor über zehn Jahren hatte UNDP davor gewarnt, dass die planetare Überhitzung ganze Gesellschaften im Globalen Süden überfordern und unter der Last von Ernteausfällen, wiederkehrenden Katastrophen und dem Meeresspiegelanstieg zusammenbrechen lassen könnte. Ganze Landstriche werden dann unbewohnbar, wegen Hitze und Trockenheit, oder weil sie im Meer versunken sind. Eine gerechte Welt ohne Armut wäre dann eine unerreichbare Utopie.

Die Ungerechtigkeit des Klimawandels

Der Klimawandel ist nicht Schicksal, sondern Folge eines fundamental ungerechten, unfairen und ökologisch zerstörerischen globalen Wirtschaftssystems, das vor allem auf die Vorteile einer kleinen und reichen „Elite“ ausgerichtet ist (im globalen Maßstab schließt das hier in Deutschland nahezu alle ein). Vor allem die reichen Länder, deren Wohlstand auf einem maßlosen Verbrauch fossiler Energien gründet, aber zunehmend auch relativ wohlhabende Schichten in den Schwellenländern überhitzen den Planeten. Am schwersten betroffen sind die, die nichts zur Krise beitragen – zum Beispiel Kleinbauern in Afrika oder an den Küsten Asiens. Ihnen fehlen auch die Ressourcen, um sich an die Veränderungen anzupassen.

Diese Ungerechtigkeit droht sich weiter fortzusetzen. Kürzlich warnte Philip Alston, UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte, vor einer aufkommenden Klima-Apartheid, bei der privilegierte Schichten sich dank ihres Wohlstands vor Wetterextremen, Hunger und Konflikten einigermaßen schützen können, während der Großteil der Menschheit der Wucht des Klimawandels ausgesetzt sein wird.

Gegensteuern noch möglich

Es muss nicht so kommen. Im Pariser Abkommen haben sich alle Staaten das Ziel gesetzt, die globale Erwärmung auf maximal 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, die Treibhausgasemissionen auf Netto-Null zu reduzieren, dafür alle fünf Jahre immer ehrgeizigere Klimaschutzziele einzureichen und die ärmeren Länder ausreichend beim Klimaschutz und bei der Anpassung an die klimatischen Veränderungen zu unterstützen. Der Rahmen ist also da.

Mithin, es hapert bei der Umsetzung. Nach den derzeitigen Klimaschutzzielen der Länder zu schließen, steuern wir auf eine weltweite Erhöhung der jährlichen Durchschnittstemperatur um 3°C oder mehr zu (mit weitaus stärkerer Erwärmung in einzelnen Regionen bzw. in den wärmeren Monaten des Jahres), und dies auch nur, wenn alle Länder ihre Ziele erreichen. Deutschland gehört derzeit nicht dazu. Das Ziel der Bundesregierung, die Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 40 Prozent zu senken, wird krachend verfehlt. Das gleiche gilt, so die Projektion der Bundesregierung, für das Ziel einer Reduktion um 55 Prozent bis 2030. Der Grund: Der Ausbau der erneuerbaren Energien geht zu langsam voran (und wurde von der Bundesregierung zuletzt sogar noch ausgebremst), im Verkehrssektor findet überhaupt kein Klimaschutz statt, im Gegenteil – die Bundesregierung fördert die Spritfresser, „als gäbe es kein Morgen“, und auch im Gebäudebereich und in der Landwirtschaft geht es viel zu langsam voran. Der Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle bis 2038 wurde zwar als Erfolg gefeiert, müsste aber für einen fairen deutschen Beitrag zur Umsetzung des Pariser Abkommens eigentlich schon bis 2030 vollzogen sein.

Immerhin: Auch wenn jetzt Sommerpause ist und die Bundesregierung klimapolitisch träge in der Hitze vor sich hin dösen sollte, dürfte es nach dem Sommer wieder hoch her gehen. Nicht nur möchte die Bundesregierung im Herbst neue Maßnahmen beschließen, wie Deutschland wenigstens seine derzeitigen Klimaschutzziele erreichen kann – denkbar wäre etwa eine sozialverträgliche CO2-Besteuerung. Im September wird Angela Merkel zudem nach New York zum UN-Klimagipfel reisen, auf Einladung des UN-Generalsekretärs António Guterres. Der hat deutlich gemacht, was er dort von allen Regierungen erwartet: dass sie ihre schwachen Klimaschutzziele so nachzubessern versprechen, dass die Welt bis 2050 klimaneutral wird. Man darf gespannt sein, was die Bundeskanzlerin in New York anzubieten haben wird, oder ob sie den Flieger nach New York mit leeren Händen besteigen wird. Kurz vorher, am 20. September, werden ihr die Held*Innen von #FridaysForFuture beim nächsten globalen Klima-Streik auch in Deutschland noch einmal ordentlich einheizen. So eine Art Hitzewelle ganz speziell für die Kanzlerin.“ Jan Kowalzig

->Quelle:  oxfam.de/blog/hitzewelle-klimawandel-nicht-mehr-uebersehen