ISE in der Kritik

Expertenstreit: Brennstoffzelle oder Akku klimafreundlicher? Vergleich von Treibhausgas-Emissionen umstritten

Für das Erreichen der Klimaschutzziele muss der Verkehrssektor die durch den Einsatz von fossilen Kraftstoffen verursachten Treibhausgas-Emissionen drastisch senken. Doch wie groß ist der Treibhausgas-Fußabdruck von alternativen Antriebskonzepten? Forscher des Fraunhofer ISE haben in einer Studie im Auftrag der H2 Mobility Deutschland einen Lebenszyklus-Vergleich von Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeugen durchgeführt (siehe solarify.eu/batterie-und-brennstoffzelle-ergaenzen-einander-ideal). Und sehen die Brennstoffzelle klar vorn. Das erweckt Widerspruch aus den Niederlanden.

Bildmontage © Gerhard Hofmann für Solarify

Das Ergebnis der Studie zum Lebenszyklus-Vergleichs von Elektrofahrzeugen mit höherer Reichweite ist eindeutig:  Ab einer Reichweite von 250 Kilometer sind Pkw mit Wasserstoff und Brennstoffzelle (FCEV) klimafreundlicher als Batteriefahrzeuge (BEV). Der entscheidende Faktor ist der wesentlich größere CO2-Rucksack, den Batterieautos durch die Produktion der Batterie tragen müssen. Die Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE haben in ihrer Studie detailliert aufgeschlüsselt, wie viel Material für die Produktion von Batterien, Brennstoffzellen und Wasserstofftanks benötigt wird und was bei der Förderung und der Verarbeitung an Emissionen anfällt. Sogar ein Diesel schlägt bei einer Fahrleistung bis 160.000 Kilometer ein Batterie-Auto, wenn es mit dem normalen Strommix aus dem Netz geladen wird.

„Über die Studie hinaus sehen wir weiteren Forschungsbedarf, zum Beispiel zur Nutzung synthetischer Kraftstoffe, die aus Wasserstoff aus erneuerbaren Energien sowie CO2 produziert werden, zu Second-Life-Aspekten oder zu den Auswirkungen auf Flächen- und Wasserverbrauch“, erklärt Projektleiter André Sternberg.

Niederländischer Forscher kritisiert die Studie – spricht gar von einem „dreckigen Trick“

Auke Hoekstra, Wissenschaftler am Department of Mechanical Engineering der Technischen Universität Eindhoven in den Niederlanden, kritisiert die Studie in einem Blog und in Joule scharf als bezahltes Gefälligkeitsgutachten und wirft den Wissenschaftlern einen „schmutzigen Trick“ sowie sechs Fehler vor. Grund: Die Auftraggeberin – H2 Mobility Deutschland.

Denn: Im ISE-Idealszenario kämen ausschließlich Erneuerbare Energien zum Einsatz, der Wasserstoff werde ausschließlich mit Windstrom produziert; das Batterie-Auto „tankt“ dagegen nur Solarstrom. Damit verglichen die Wissenschaftler Apfel mit Birnen, meint Hoekstra, das bezeichnete er als „dirty trick“. Denn Strom aus Windkraftanlagen ist mit 14 g/kWh CO2 klimafreundlicher als PV-Strom mit 48 g/kWh. Konfrontiert mit diesem Vorwurf, erläutern Hebling und Koautor Hank gegenüber dem Handelsblatt-Ableger EDISON die Gründe für ihre Festlegung: „Um Wasserstoff in großem Stil wirtschaftlich zu erzeugen, müssten große Elektrolyseure direkt neben Windparks errichtet werden. Mit deren Strom spalten die Anlagen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Umgekehrt sollten batterieelektrische Fahrzeuge grünen Strom laden, der möglichst nah an ihrem Einsatzort erzeugt wird. Und das sei nun einmal meist die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Eigenheims und nicht ein Windrad.“

Hoekstra, der Ende 2018 mit einer harschen Kritik an der IEA hervorgetreten ist (siehe: solarify.eu/indien-rueckt-an-die-spitze) bezweifelt weiter die Annahme des ISE-Teams von einer Laufleistung der Fahrzeuge von nur 150.000 Kilometern: Diesel kämen doch 300.000 km weit und E-Autos gar 600.000 km. Die ISE-Autoren halten dem entgegen, dazu gebe es zwar einzelne Berichte, aber keine belastbaren Untersuchungen im größeren Stil. Je länger die gefahrene Strecke ist, desto stärker falle der geringere CO2-Fußabdruck der Akku-Autos im Alltagsbetrieb ins Gewicht. Umstritten weiter, wie viel Energie zur Batterieproduktion verbraucht wird. Hoekstra wirft dem ISE vor, veraltete Werte zu nutzen. Die von ihm genannten Daten seien zum Zeitpunkt der Analyse aber zum Teil noch gar nicht veröffentlicht gewesen, antworten Hebling und Hank. Sie hätten sich an den Angaben orientiert, wie sie für die Zellfertigung in Asien gelten. Von dort stammen heute die meisten Akkus. Schlussendlich schneidet bei Hoekstra das batterieelektrische Fahrzeug in Sachen Klimaschutz besser ab. Die Freiburger wehren sich aber entschieden gegen den Vorwurf, Fehler gemacht zu haben. „Wir haben schlicht andere Annahmen getroffen“, erklärt Hebling, über die man verschiedener Ansicht sein könne.

Wer hat nun recht?

Edison fragt: „Wer hat nun recht? Vermutlich keine Seite. Weil die Diskussion zeigt, dass selbst geringe Änderungen an den Ausgangsbedingungen sich massiv auf das Ergebnis auswirken. Was ein Indiz sein könnte, das die Prognosemodelle wenig präzise sind. Zudem haben weder ISE noch Hoekstra wirklich alle Faktoren berücksichtigt. Was passiert mit Batterie und Brennstoffzelle nach ihrem Leben im Auto? Werden sie weiter genutzt, etwas als Energiespeicher bzw. -erzeuger im Eigenheim? Und dann sollten beide Systeme am Ende ihrer Lebenszeit idealerweise wiederverwertet werden. Was vermutlich bei der relativ einfach aufgebauten Brennstoffzelle leichter möglich ist als bei einem Lithiumionen-Akku, der aus einem komplexen Gemisch verschiedenster Stoffe besteht. Und auch der Aufbau der Infrastruktur beeinflusst die Klimabilanz. Brennstoffzellen-Fahrzeuge sind auf ein Netz an Wasserstofftankstellen angewiesen, Batterie-Stromer auf flächendeckend installierte Ladesäulen.“

Ist der Streit der Gelehrten damit sinn- und zwecklos? fragt Edison abschließend – und kommt zu dem Schluss: „Keineswegs, weil die Diskussion klar macht: Batterie- und Brennstoffzellen-Fahrzeuge helfen nur dann, die Erderwärmung zu verlangsamen, wenn sie konsequent mit Erneuerbaren Energien produziert und betrieben werden.“

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