Realisierung der Fusionsenergie rückt näher

Neues mathematisches Verfahren beschleunigt Berechnung der Spulen

Mit einem neuen mathematischen Verfahren zur Berechnung der Spulenform von Kernfusionsanlagen vom Typ Stellarator rückt deren Realisierung „deutlich näher“, so am 21.08.2019 eine Medienmitteilung des Princeton Plasma Physics Laboratory (PPPL) – einer Unterabteilung des US-Energieministeriums. Dort hat Caoxiang Zhu eine mathematische Technik entwickelt, um das Design der Spulen zu vereinfachen und Stellaratoren zu einer potenziell kostengünstigeren Anlage zur Erzeugung von Fusionsenergie zu machen. Die neue Berechnungsmethode ermögliche, im Vorhinein zu wissen, welche Formen und Anordnung der Magnetspulen die Gefäßwände unbeschädigt lassen.

Stellaratoren, kurvenreiche Maschinen, die Fusionsreaktionen beherbergen, verlassen sich auf komplexe Magnetspulen, die bei Konstruktion und Bau eine Herausforderung darstellen. Diese Spulen haben bizarre Formen und  bilden ein Magnetgefäß für das Millionen Grad heiße Plasma, das die materiellen Wände des Fusionsreaktors nicht berühren darf. Nur so lässt sich das Plasma bändigen. Diese zu berechnen, ist so aufwändig, dass nur noch wenige Forschergruppen in der Welt diese aussichtsreiche Technik voranzubringen versuchen. Dazu zählt ein Team des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik in Garching bei München, das einen großen Stellarator in Greifswald betreibt. Dieser erzeugt allerdings noch keinen Strom.

Zhu ist Hauptautor eines Papiers, das über die Ergebnisse der Kernfusionsforschung  berichtet: „Unser Hauptergebnis ist, dass wir eine neue Methode zur Identifizierung der unregelmäßigen Magnetfelder entwickelt haben, die von Stellaratorspulen erzeugt werden“.  Und damit könne er im Voraus erkennen, welche Spulenformen und -platzierungen den magnetischen Einschluss des Plasmas beeinträchtigen könnten, was eine kürzere Bauzeit und damit geringere Kosten verspreche.

Tokamak versus Stellarator

Die Fusion, die Kraft, die Sonne und Sterne antreibt, ist die Verschmelzung von leichten Elementen im Plasmazustand – dem superheißen Aggregatzustand aus freien Elektronen und Atomkernen -, die massive Energiemengen erzeugt. Drehbare, spritzkuchen-förmige Stellaratoren sind eine Alternative zu donut-förmige Tokamaks, eine Technik, die weltweit bevorzugt vorangetrieben wird. Sie ist zwar leichter zu realisieren als die Stellarator-Technik, hat aber den gravierenden Nachteil, dass ein kontinuierlicher Betrieb unmöglich, beim Stellarator dagegen problemlos zu verwirklichen ist. In Greifswald sind bereits Einschlusszeiten von 30 Minuten erreicht worden. In dieser Zeit blieb das Plasma in seinem „Magnetkäfig“.

Ein wesentlicher Vorteil von Stellaratoren ist die Herstellung hochstabiler Plasmen, die weniger anfällig für die schädlichen Störungen sind, die Tokamaks verursachen können. Aber die Komplexität der Stellaratorspulen war ein Faktor, der die Entwicklung solcher Anlagen behinderte. Denn die Spulen eines Stellarators müssen sehr präzise konstruiert und um die Vakuumkammer herum angeordnet werden, da Abweichungen von der besten Spulenanordnung zu Unebenheiten und Wackeln im Magnetfeld führen, die den magnetischen Einschluss verschlechtern und das Plasma nicht festhalten können. Diese problematischen Magnetfelder können leicht durch Verschiebung der Magnetspulen verursacht werden, so dass die Ingenieure für diese Komponenten enge Toleranzen vorschreiben.

„Die große Herausforderung beim Bau von Stellaratoren besteht darin, herauszufinden, wie man sie einfach und wirtschaftlich herstellen kann“, sagt PPPL-Chefwissenschaftler Michael Zarnstorff. „Zhus Forschung ist wichtig, weil er versucht, einige der Kostentreiber genauer und quantitativer zu betrachten. Seine Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir den Bau von Stellaratoren vereinfachen und damit einfacher und kostengünstiger gestalten können, indem wir nicht auf enge Toleranzen für Dinge bestehen, die keine Rolle spielen.“

In der Vergangenheit haben Wissenschaftler mit Hilfe von Computersimulationen ermittelt, welche Spulenplatzierungen am besten sind, und die Reaktionen des Plasmas auf alle möglichen magnetischen Konfigurationen überprüft, bevor der Stellarator gebaut wurde. Aber da es viele Möglichkeiten gibt, wie die Spulen variieren können, „erfordert dieser Ansatz massive Rechenressourcen und Arbeitsstunden“, sagt Zhu. „In diesem Beitrag schlagen wir eine neue mathematische Methode vor, um gefährliche Spulenabweichungen, die bei der Herstellung und Montage auftreten können, schnell zu identifizieren.“

Die Methode beruht auf der nach Otto Hesse benannten Hesse-Matrix, einem mathematisches Werkzeug, mit dem sich die Veränderung eines Magnetfelds ermitteln lässt, wenn Form und Platzierung der Magnetspulen verändert werden. Zhu hat sein neues Verfahren getestet, indem er das reale Magnetfeld der Spulen am Columbia Non-Neutral Torus, einem kleinen Fusionsexperiment an der Columbia University, mit dem verglich, das er errechnet hatte. Die Ergebnisse früherer Studien, die sich auf konventionelle Methoden stützen, stimmten übereins. Das Team arbeitet nun mit Forschern in China zusammen, um die Spulenplatzierung auf dem im Bau befindlichen Chinese First Quasi-axisymmetric Stellarator (CFQS) zu optimieren.

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