Klimagrenzen: UBA fordert höhere Spritpreise und Tempolimit

Studie schon vor Regierungspaket abgeschlossen

Um die in Paris bei COP21 beschlossenen (aber gefährdeten) Klimagrenzen doch noch einzuhalten, fordert eine (bis Anfang Dezember 2019) interne Studie des Umweltbundesamts (UBA) unter dem Titel „Kein Grund zur Lücke“ drastische Veränderungen, vor allem im Verkehr: Privilegien etwa für Dienstwagen müssten gestrichen werden, Diesel müsse deutlich mehr kosten (70 ct mehr Steuern bis 2030) und auf Autobahnen ein Tempolimit (120 kmh) eingeführt, auch die Pendlerpauschale müsse abgeschafft werden – schreibt Michael Bauchmüller, Süddeutsche Zeitung. Die Bundesregierung war offenbar schon seit Sommer in Besitz und Kenntnis der Studie – vor Verabschiedung des Klimapakets. Die Maßnahmen gehen weit über das Klimapaket der Regierung hinaus.

E-Mobilität und Fahrrad - umweltfreundliche Verkehrsmittel - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

E-Mobilität und Fahrrad – umweltfreundliche Verkehrsmittel – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Das jedoch wird nach Einschätzung des UBA bei Weitem nicht ausreichen. „Nach unseren Abschätzungen bleibt eine Klimaschutzlücke von 20 bis 30 Millionen Tonnen Treibhausgasen“, sagt Behördenchefin Maria Krautzberger. Das Verkehrsministerium tue häufig so, als sei es unmodern und rückwärtsgewandt, ökologische Folgen in Preisen auszudrücken, kritisierte die ausscheidende UBA-Chefin. „In Wirklichkeit scheut es sich, diese unpopulären Maßnahmen einzuführen.“

Ob die oberste deutsche Umweltbehörde eine Einschätzung publik machen darf, entscheidet das Bundesumweltministerium. Man habe die Erarbeitung konkreter Vorschläge dem Verkehrsministerium überlassen wollen, habe es laut Bauchmüller von dort geheißen. Grundsätzlich aber seien die Maßnahmen aus der Studie „geeignet, um die Klimaziele im Verkehrsbereich zu erreichen“, erklärte ein Sprecher. Die Klimaziele im Verkehr seien „ambitioniert, aber machbar“, heißt es im Papier selbst. Deutschland will bis 2030 im Vergleich zu 1990 seinen Ausstoß an Treibhausgasen um 55 Prozent reduzieren. Entscheidend sei allerdings der Ausgleich sozialer Härten.

Der Verkehr weist von allen Sektoren die übelste Klimabilanz auf: Industrie, Landwirtschaft oder Gebäude haben Emissionen seit 1990 gesenkt – beim Verkehr stagnieren sie: Die Zahl der Autos, der Güterverkehr auf der Straße und die Flüge haben zugenommen. Nach Plänen der Bundesregierung sollten die klimaschädlichen Emissionen des Verkehrs ursprünglich bis 2030 bei 98 Millionen Tonnen CO2 liegen. Zuletzt waren es aber noch weit über 160 Millionen.

Die Bundesregierung will gegensteuern: Mit der Förderung von Elektroautos und alternativen Kraftstoffen. Die Preise fürs Bahnfahren sollen sinken, die für Flugtickets steigen. Ein stufenweise steigender CO2-Preis soll den Sprit zunächst um drei Cent je Liter verteuern. Was genau das für das Klima bringt, wird derzeit berechnet; Ergebnisse werden aber erst zu Anfang des neuen Jahres erwartet. Viel kann es nicht sein, wenn man bedenkt, dass nach Expertenurteil im Klimapaket irrtümlicherweise die Inflation nicht eingerechnet worden ist.

Bauchmüller: „Tatsächlich wären die Folgen massiv. Der CO2-Preis könnte in Etappen auf bis zu 205 Euro steigen – in Form einer Energiesteuer, die dann Benzin und Diesel verteuert. Die Einnahmen daraus könnten aber an jeden Bundesbürger zu gleichen Teilen ausgeschüttet werden. Auch der Wegfall der Pendlerpauschale lasse sich für Steuerzahler kompensieren. Obendrein werde der Verbrauch von Autos bis 2030 um rund 15 Prozent sinken. Das mildere den Aufpreis beim Tanken. Und schließlich brauche es deutlich mehr Elektroautos – etwa durch eine Quote für Neufahrzeuge. Diese müsste bis 2030 auf 70 Prozent steigen. Realisierbar sei dies alles nur, ‚wenn noch in dieser Legislaturperiode weichenstellende Entscheidungen getroffen werden‘, heißt es.“

CO2-Abgabe, bzw. -steuer und Ökobonus-Modell der Schweiz
Die Schweiz erhebt seit 2008 eine CO2-Abgabe, um den sparsamen Umgang mit fossilen Brennstoffen zu fördern. Ab 2018 beträgt der Abgabesatz 96 Franken pro Tonne CO2. Dies ergibt eine jährliche Abgabesumme von rund 1,2 Mrd. Franken (€ 1,1 Mrd.). Ein Drittel der Steuereinnahmen fließt in ein Förderprogramm zur energetischen Sanierung von Gebäuden, zwei Drittel werden gleichmäßig an alle in der Schweiz wohnhaften Personen in Form eines Ökobonus zurück verteilt. Dabei erhält jede Person ungeachtet ihres Energieverbrauchs den gleichen Betrag. Dies begünstigt Haushalte mit niedrigen Einkommen, weil sie im Durchschnitt einen geringeren Energieverbrauch haben als Haushalte mit hohen Einkommen. Die Einnahmen aus der CO2-Abgabe, die von der Wirtschaft entrichtet wurden, werden entsprechend der Lohnsumme der Unternehmen zurück verteilt. (Siehe: solarify.eu/co2-abgabe-bzw-steuer-in-der-schweiz)

Kritik vom BUND und ADAC

Umweltorganisationen sehen sich laut mdr durch die Untersuchungsergebnisse des UBA in ihrer Kritik am Klimapaket der Bundesregierung bestätigt. Greenpeace bekräftigte die Forderungen nach grundlegenden Nachbesserungen. Dagegen kritisierte der Automobilclub ADAC die UBA-Vorschläge als „lebensfremd“. Der Pkw sei in vielen Regionen alternativlos. Also könne man seine Nutzung nicht maßlos verteuern. Klimaschutz dürfe nicht für einen „ideologisch geprägten Kampf“ gegen das Auto missbraucht werden. Der Autoclub lobte denn auch das Klimapaket der Bundesregierung. Es biete Anreize für emissionsarme Antriebe und einen besseren öffentlichen Verkehr.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist gegen die UBA-Vorschläge: „Wir sind gerade mitten in der konkreten Umsetzung des ausgewogenen Klimapakets. Das ist gemeinsam so beschlossen – und nichts anderes. Die Bürger erneut mit Verzicht, Verbot und Verteuerung à la Bundesumweltamt in Panik zu versetzen, ist der falsche Ansatz.“

Franz Alt kommentiert: „Regierungsbehörde beschämt Bundesregierung“

Das jetzt erst bekannt gewordenen Gutachten des UBA sei „ein beschämendes Zeugnis des Versagens der GroKo in Berlin beim Jahrhundertthema Klimaschutz“. Alle Forderungen des Amtes würden seit Jahrzehnten diskutiert, aber diese Regierung habe keine einzige umgesetzt. Alt wörtlich: „CDU/CSU und SPD sprechen zwar ständig von Klimaschutz, aber sind zu feige, das was sie sagen auch zu tun. Und das nach bald einem Jahr andauernder Proteste der ‚Fridays for Future‘-Bewegung“.

Die SPD sei „noch immer so sehr Kohlepartei wie die CDU/CSU Autopartei“. Beide hingen am Tropf der alten Energie- und Autokonzerne „wie ein Junkie an der Nadel“. Der Rat von Wissenschaftlern, Fachleuten und Umweltverbänden, den das Umweltbundesamt jetzt zusammengefasst habe, werde einfach ignoriert. Weil die Wahlen von den über 60-Jährigen entschieden würden, werde „weiter die Zukunft der Jungen verbrannt.“

„Wer Politik nur mit dem Kopf, aber herzlos gegenüber der eigenen Jugend macht, wird immer mehr Wähler verlieren. Klimaschutz kostet, das ist richtig, aber kein Klimaschutz kostet die Zukunft, das ist genau so richtig. Vor allem die Zukunft unserer  Kinder und Enkel.“ Die deutsche Klimaschmutzpolitik sei gerade kein Vorbild für die COP25 in Madrid. Deutschland – vor 15 Jahren noch Vorreiter im Klimaschutz und in der Energiewende – gehöre heute international zu den Bremsern. Die ganze Welt brauche in Deutschland entwickelte Technologien wie Solar-, Wind- und Bioenergien. Deutschland verschläft mit dieser Regierung nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch die Zukunft.

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