„Von der Leyens Green Deal – viel heiße Luft“

Kommentar von Klaus Oberzig

Ein neues Gespenst geht um in Europa. Es nennt sich „European Green Deal“ und wird von einer CDU-Politikerin Ursula von der Leyen verantwortet. Sie ist inzwischen EU-Kommissionschefin und behauptet ganz große Brocken rocken zu können. Dieser europäische Deal soll als großes Investitions-, Gesetzes- und Strategiepaket verstanden werden, mit dem viele Lebensbereiche „klimafreundlich“ umgestaltet werden sollen. Also etwa die Landwirtschaft, der Verkehr, die Energiewirtschaft und das Bauwesen. Dazu vorgesehen sind unterschiedliche Instrumente. So soll etwa der Emissionszertifikatehandel (ETS) ausgeweitet werden, der Seeverkehr, der seine Emissionen bislang völlig frei in den Himmel über den Ozeanen pustet, soll erstmals eingebunden werden und bei den Lenkungsinstrumenten könnte möglicherweise auch ein anderer Weg gegangen werden. Da ist inzwischen sogar eine CO2-Grenzsteuer im Gespräch.

Kommentare geben Meinung und Informationen der Kommentierenden wieder, nicht in jedem Fall die von Solarify.

Von der Leyens Green Deal wird vollmundig als Klimaschutzkonzept verkauft. Schaut man genau hin, besteht er zunächst einmal nur aus Ankündigungen und der Bereitschaft, 300 bis 400 Mrd. Euro dafür locker zu machen. Allerdings gibt es darüber unter den 27 EU-Mitgliedern noch längst keinen Konsens. Neben der Finanzierung besteht die Leitidee, wie bei der deutschen GroKo, darin, Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen. Wir hatten dieses Narrativ „klimaneutral“ bereits in der letzten Woche beleuchtet und waren zu dem Schluss gekommen, dass neben dem Einsparen von Energie in der Hauptsache nach Ausgleichsmaßnahmen gesucht wird. So soll das CO2 z.B. durch Aufforsten oder durch Vergraben, also CCS, kompensiert werden. CO2-frei zu werden ist nicht von der Leyens Ziel.

Auch wenn sie ihre Idee des Green Deal mit der Mondlandung der Amerikaner vergleicht und damit den Anspruch verbindet, Europa zum „führenden Kontinent beim Klimaschutz“ zu machen, ändert es nichts daran, dass die Energiegewinnung sich weiterhin auf fossile Brennstoffe, vorzugsweise Erdgas, stützen soll. Soweit erst einmal die Eckpunkte, wie sie bisher vorgetragen wurden. Es handelt sich also um eine Kopie dessen, was auch die GroKo auf der nationalen Ebene in Deutschland versucht, auch wenn dies von den angeschlagenen nationalen Politikern nicht ganz so vollmundig rausposaunt wird, wie dies die neue EU-Chefin tut.

Auch über die konkreten Einzelschritte, die in Brüssel beschlossen werden sollen, existiert kein klares Bild. Bereits in der ersten Hälfte des Jahres 2020 soll ein Klimaschutzgesetz verabschiedet werden. Darüber hinaus sollen, so von der Leyen, „50 Aktionen bis 2050 für ein klima- und umweltfreundliches Europa sorgen“. So ist unter anderem von einem Transitions-Fond die Rede, mit dem den osteuropäischen Ländern der Ausstieg aus der Kohleförderung schmackhaft gemacht werden soll. Das könnte dann, ähnlich der deutschen Politik, zu einer „Industrie- und Biodiversitätsstrategie“ entwickelt werden. Viel Geld soll nach den Vorstellungen von der Leyens vor allem in Wissenschaft und Forschung gepumpt werden, um mit vielen Innovationen vor allem in den Bereichen, in denen Europa sich im vergangenen Jahrzehnt hat abhängen lassen, technologisch wieder an die Spitze zu kommen.

Der Green Deal wird deshalb auch als Jobmotor verkauft. Damit wird aber auch klar, das Gerede vom Klimaschutz ist nur die Hochglanzverpackung für ein recht konventionelles Konjunkturprogramm. So war das ja bereits bei der Mutter aller „New Deals“, dem großen Konjunkturprogramm von US-Präsident Roosevelt in den 30er Jahren gewesen. Allerdings galt damals noch die Philosophie des Keynesianismus, wonach die Kosten dieses Programms vom Staat aufzubringen und zu kontrollieren waren. Heute, im Zeitalter des Neoliberalismus, kommt dem Staat diese Rolle nicht mehr zu. Die Finanzierung läuft über die Finanzmärkte, welche inzwischen Unmengen frisch gedruckten Geldes in die Zirkulation gepumpt haben. Ob die Hoffnung sich erfüllen wird, im Klimaschutz eine neue profitable Kapitalanlage zu finden, bleibt abzuwarten.

Heimliche Regie der mitteleuropäischen Energiekonzerne

Aus Sicht der Kapitalzirkulation ist Klimaschutz letztlich auch nur eine Ware wie viele andere auch. Ob damit die europäische Großindustrie im Wettlauf mit den beiden Konkurrenten USA und China wieder kräftig mitmischen kann, daran sind Zweifel angebracht. Blicken wir also auf das, was bei der europäischen Energie- und Klimapolitik zu erwarten sein dürfte. Gleich wie dem Vorbild Deutschland gibt es auch im Szenario der EU-Chefin von der Leyen keinen Sinneswandel in Sachen Energiewende. Es zeichnet sich im Hintergrund der großen Sprüche vom klimaneutralen Europa die heimliche Regie der mitteleuropäischen Energiekonzerne ab.

Die von den deutschen Energiekonzernen dominierte nationale Energiepolitik ist inzwischen so weit vorgedrungen, dass sie die einst von Bürgern, Bürgergesellschaften und Bürgergenossenschaften geprägte Solarisierung in eine von ihr dominierte Energiewende der anderen Art umgewandelt hat. Das Narrativ Energiewende wird immer weniger von Bürgeraktivitäten und Demokratisierung der Energiestrukturen geprägt. Stattdessen gewinnt das Konzept der zentralen Digitalisierung immer mehr an Boden. Gemeint ist, auch wenn dies höchst selten Gegenstand der Diskussionen ist, ein zentraler Fluktuationsausgleich der eingespeisten Erneuerbaren und die Kontrolle der Netze per Leistungselektronik.

Das Bild, das etwa RWE-Chef Rolf Martin Schmitz in einem Interview im Deutschlandfunk Anfang des Monats zeichnete, läuft darauf hinaus, dass lediglich eine dezentrale Energieerzeugung mit Erneuerbaren akzeptiert werde. Was eigentlich ein Witz ist, denn Dezentralität ist ja das Wesensmerkmal der Erneuerbaren bei der Erzeugung, das weiß eigentlich jeder überzeugte Solarfreund. Die Kontrolle über das Gesamtsystem, also die Verteilung und Vermarktung von Solar- und Windenergie, müssten nach wie vor in den Händen der alten Platzhirsche verbleiben. Bürger und Bürgerenergie spielen in diesem Bild die Rolle des Zulieferers, der – ähnlich bei den Landwirten – die Preisvorgaben der marktbeherrschenden Player hinzunehmen hat.

Ob sich die deutsche Blaupause unter der Regentschaft von der Leyens in Brüssel so wird etablieren lassen, verspricht eine spannende Frage zu werden. Die bisherige Sichtweise der EU-Kommission wie die des EU-Parlamentes war recht differenziert und bürgerenergiefreundlich. Die ausgefeilten Behinderungen der Erneuerbaren, wie sie in Deutschland zum Gesetz geronnen sind, waren bislang nicht Brüssels Sache. Genannt sei hier die neue EU-Richtlinie für Erneuerbare, das „Clean Energy for all Europeans Package“ (auch Winterpaket genannt), die eine Abgabenfreiheit für Anlagen bis 32 kW vorsieht und die sowohl mehr Raum für Eigenversorgung als auch grünen Nachbarschafts- und Gemeinschaftsstrom zulässt. Dies ist auf der nationalen deutschen Ebene ja bislang nicht umgesetzt worden. Es wird sich zeigen, wohin das Pendel ausschlägt.

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