Reaktionen auf EU-Klimagesetz

FAZ: „Erste Raketenstufe auf dem Weg zum Mond“

Trotz der vollmundigen Überschrift in der FAZ kritisierten – ebenso wie Greta Thunberg („Kapitulation“) – auch Umweltverbände und Grüne am EU-Klimagesetz, es gehe nicht weit genug. „Der Entwurf für das EU-Klimagesetz ist eine Enttäuschung“, erklärte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei der Vorstellung ihres Green Deal die Klimaschutz-Ambitionen der Europäischen Union mit der Mondlandung verglichen. Doch statt des großen Schritts für die Menschheit bleibt es bei zaghaftem Getrippel.“ Laut PIK-Direktor Ottmar Edenhofer ist es „an der Zeit, nicht mehr herum trippeln, sondern sich in Bewegung zu setzen. Es genügt aber nicht, die richtigen Ziele zu setzen. Wir brauchen klar definierte Wege und kurzfristige Einstiegspunkte, um die Ziele tatsächlich zu erreichen.“

Rauch und CO2 - Kohlekraftwerk Schkopau, Uniper - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Rauch und CO2 – Kohlekraftwerk Schkopau, Uniper – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Nach der Präsentation des neuen Klimagesetzes hatte Thunberg laut FAZ-Wirtschaftskorrespondent Hendrik Kafsack im Europäischen Parlament ziemlich deutlich nachgelegt, die EU täusche ihre Führerschaft im Klimaschutz lediglich vor: „Ihre Fernziele bedeuten gar nichts, wenn das derzeitige hohe Emissionsniveau einfach beibehalten wird.“ Wenn das Haus brennt, „wartet man nicht noch ein paar Jahre, bevor man es löschst“. Doch genau das tue die Europäische Kommission. „Das ergibt überhaupt keinen Sinn.“ Was „die Wissenschaft“ sage, werde von der EU offenkundig nicht ernst genommen.

Die 17jährige schwedische Klimaaktivistin steht mit ihrer Kritik an dem nur 12 Seiten langen Gesetz wahrlich nicht allein. Klimaschutzgruppen, SPD und Grüne werfen der Kommission gleichermaßen vor, eine leere Hülle vorgelegt zu haben. Ihre Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass das Gesetz jenseits des 2050-Ziels keinerlei konkrete Zwischenziele nennt.

Edenhofer: „Ein fairer Preis auf CO2-Emissionen könnte helfen“

Für Ottmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor für Klima-Ökonomie an der Technischen Universität Berlin, ist das EU-Gesetz ein „wichtiger Schritt in die richtige Richtung – für die Sicherung nachhaltigen Wohlstands ist es an der Zeit, nicht mehr herum trippeln, sondern sich in Bewegung zu setzen. Es genügt aber nicht, die richtigen Ziele zu setzen. Wir brauchen klar definierte Wege und kurzfristige Einstiegspunkte, um die Ziele tatsächlich zu erreichen. Aus ökonomischer Sicht ist eine klug gemachte und umfassende CO2-Bepreisung die effizienteste und sozial gerechte Maßnahme für eine sichere Klimazukunft. Die EU sollte das jetzt angehen, wenn sie den Ausstoß von Treibhausgasen substanziell senken möchte. Ein fairer Preis auf CO2-Emissionen könnte helfen, mit Mechanismen wie Kompensationsregeln und Lastenteilung die EU-Mitgliedsstaaten zu einigen und zugleich ihre Verschiedenheit zu berücksichtigen. Das könnte der nächste Schritt sein.”

VDMA: „Enttäuscht“

VDMA-Präsident Carl Martin Welcker sagte: „Europa will im Klimaschutz vorangehen und Klimaneutralität bis 2050 anstreben. Dazu kann die europäische Maschinenbauindustrie mit ihrem Wissen, mit Innovationen und konkreten Produkten einen erheblichen Beitrag leisten und auch andere Regionen der Welt positiv beeinflussen. Klimaschutz braucht einen verlässlichen, marktwirtschaftlichen Rahmen und ein kosteneffizientes Vorgehen, um Innovationen voranzubringen. Wir begrüßen, dass die EU-Kommission technologisch machbare und gleichzeitig verantwortbare Ansätze, wie zum Beispiel die Treibhausgas-Abscheidung und ?Speicherung (CCS), in ihre Definition von Klimaneutralität mit einbezieht. Positiv ist auch, dass die Aufnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre durch natürliche Ökosysteme laut Klimagesetz eingerechnet wird. Jedoch muss das europäische Klimagesetz es möglich machen, nachhaltige Emissionsminderungen in Drittstaaten anzurechnen, um die europäischen Maßnahmen zu ergänzen und Entwicklungsländern entscheidende Technologien zugänglich zu machen. Wir sind enttäuscht, dass die Kommission keinen Raum lässt für internationale Mechanismen, die im Rahmen des Pariser Abkommen hoffentlich noch dieses Jahr verabschiedet werden. Aus Sicht des VDMA ist es zwingend notwendig, diese Komponenten zu berücksichtigen und in den Gesetzesvorschlag aufzunehmen.“

VKU: „Ziele allein ersetzen keine Strategie“

Zum EU-Klimaschutzgesetz sagt VKU-Präsident Michael Ebling: „Mit dem Entwurf zu einem EU-Klimaschutzgesetz ist die Kommission einen wichtigen Schritt in Richtung der Klimaziele 2050 gegangen. Denn klar ist: Die ambitionierten Ziele lassen sich nur übergreifend und gemeinschaftlich erreichen. Die Europäische Kommission muss zu einem Taktgeber für die Umsetzung des Klimaschutzes in den Mitgliedsstaaten werden. Daher ist richtig, dass auf europäischer Ebene Zwischenschritte definiert werden und es regelmäßige Monitorings geben soll. Der Klimawandel macht nicht an nationalen Grenzen halt. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Verständnis, wie wir die Ziele erreichen und auch wie wir mit den Folgen des Klimawandels umgehen. Ein wichtiger Aspekt des Gesetzes ist daher auch, die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen die Folgen des Klimawandels in Europa voranzubringen. National wie europäisch gilt: Ziele allein ersetzen keine Strategie. Wir brauchen daher neben einem gemeinsamen Zielverständnis einen konkreten Fahrplan, wie mehr Klimaschutz vor allem durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erreicht werden kann. So wollen wir in Deutschland bis 2030 zwar einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch erreichen. Die Maßnahmen, die dazu notwendig sind, werden jedoch viel zu zögerlich ergriffen. Hier muss die Energiewende wieder schneller an Fahrt aufnehmen.“

BUND: „Statt Mondlandung droht Bruchlandung“

Den Entwurf der EU-Kommission für ein europäisches Klimaschutzgesetz kommentiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Der Entwurf für das EU-Klimagesetz ist eine Enttäuschung. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bei der Vorstellung ihres Green Deal die Klimaschutz-Ambitionen der Europäischen Union mit der Mondlandung verglichen. Doch statt des großen Schritts für die Menschheit bleibt es bei zaghaftem Getrippel. Der Entwurf enthält nicht viel mehr als das bekannte Bekenntnis Europas zu Klimaneutralität bis 2050. Die alles entscheidende Frage: Wie sieht das aktuelle Klimaziel der Europäischen Union für die nächsten zehn Jahre aus, vertagen von der Leyen und ihr Klimakommissar Timmermans auf später. Erst nach dem Sommer soll ein Vorschlag für die Erhöhung des EU-Klimaziels auf 50 bis 55 Prozent vorgelegt werden.

Das ist besorgniserregend. Denn die jetzigen Ziele der EU bis 2030 verstoßen gegen das Pariser Klimaabkommen. Wenn alle Länder so niedrige Ziele hätten wie die EU, würde die globale Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts auf bis zu drei Grad ansteigen. Um einen fairen Anteil am globalen Klimaschutz und der Umsetzung des Pariser Abkommens zu leisten, müssten die Emissionen in Europa bis 2030 um mindestens 65 Prozent reduziert werden. Positiv an dem Klimaschutzgesetz ist: Alle Länder sind angehalten, ihre Ziele nach 2030 alle fünf Jahre zu verschärfen. Um die Klimakrise zu verhindern, muss Europa jedoch vor 2030 viel mehr Klimaschutz machen als bisher geplant. Die Folgen der Klimakrise sind später erheblich teurer. Vor diesem Hintergrund ist es ein Armutszeugnis, dass die EU Entscheidungen über Nachbesserungen ihres ungenügenden Klimaziels bis 2030 durch langwierige Studien in den Herbst verschiebt. Wenn von der Leyen beim Klimaschutz so weitermacht, dann gibt es eine Bruch- statt einer Mondlandung. Mit dem EU-Klimagesetz jedenfalls setzt sich von der Leyen bis zum 9. März, dem Stichtag ihrer ersten hundert Tage im Amt, kein Denkmal.“

DUH und BEE: „Chance verpasst“ und „Schlüssel: Erneuerbare Energien“

Petra Hannen fasste auf pv magazine zusammen: „Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe bleibt das geplante EU-Klimagesetz weit hinter den Erwartungen zurück. ‚Die Kommission hat die Chance verpasst, verbindliche Zwischenziele festzulegen und eindeutig klimaschädliche Praktiken, wie die Förderung einer fossilen Infrastruktur, zu beenden‘, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Neben dem Ziel der Klimaneutralität sei die einzig große Neuerung eine weitreichend neue Kompetenz der Kommission, ab 2030 klimapolitische Zwischenziele zu bestimmen. Das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten müssten aus dem Vorschlag jetzt ein zukunftsfähiges Klimagesetz machen.

Der Bundesverband Erneuerbare Energie sieht in dem EU-Klimaschutzgesetz zwar den überfälligen gesetzlichen Rahmen, um die EU-Länder auf Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu verpflichten. ‚Leider fehlt aber ein wichtiger Meilenstein bis dahin: eine ambitionierte Zielsetzung für 2030, die für das Erreichen der Paris-Klimaziele unabdingbar ist und für die Verhandlungen auf dem UN-Klimagipfel in Glasgow im November gebraucht wird‘, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Der Schlüssel, um das Netto-Null-Emissionsziel im Jahr 2050 zu erreichen, seien die erneuerbaren Energien. Die Bundesregierung sei gefordert, die deutsche Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr zu nutzen, um für eine beschleunigte Energiewende in Europa zu werben sowie hemmende Deckel und Bremsen bei den Erneuerbaren zu entfernen. Zudem müssten endlich verbindliche Ausbaupfade für das Ziel von 65 Prozent bis 2030 definiert werden.“

Germanwatch: „Meilenstein mit Nachbesserungsbedarf2

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch sieht im vorgestellten Vorschlag für ein EU-Klimagesetz einen Meilenstein in Bezug auf die Verbindlichkeit der EU-Klimapolitik, fordert aber Korrekturen durch das Europaparlament und die Regierungen der EU-Staaten: Ein neues Klimaziel für 2030 muss früher vorgelegt werden und die EU mehr internationale Verantwortung für die Umsetzung des Pariser Abkommens übernehmen. Germanwatch fordert, ein Klimaziel von 50 bis 65 Prozent durch Machbarkeitsstudien zu prüfen.

„Die Kommission hat ein Gesetz vorgelegt, das ein international wichtiges Signal sendet: Die EU wird ihre Klimaziele für 2030 in diesem Jahr deutlich verbessern und die Verbindlichkeit des Klimaschutzes in der EU auf ein neues Niveau heben“, sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. „Allerdings springt die Kommission an wichtigen Stellen im Gesetz zu kurz und gefährdet so die volle Umsetzung der Ziele des Pariser Klimaabkommens. Nachdem die EU-Kommission so viel politisches Kapital in das neue Identifikationsprojekt der EU, den Europäischen Green Deal, gesteckt hat, müssen nun das Parlament und die Mitgliedsstaaten – insbesondere die Bundesregierung – die Bremsen lösen und den diesen Klimagesetz-Vorschlag im Sinne des notwendigen wirkungsvollen Klimaschutzes weiterentwickeln“, so Bals weiter.

Germanwatch kritisiert insbesondere, dass die Vorlage des neuen 2030-Klimaziels erst für September geplant ist. Diese Verzögerung steht im Widerspruch zu dem im Dezember angekündigten Anspruch, bei der Umsetzung des Europäischen Green Deal Tempo machen zu wollen und sendet nicht das notwendige Signal für den gesamten UN-Prozess zur Ambitionssteigerung im Vorfeld der Klimakonferenz in Glasgow.  Dieses zögerliche Vorgehen verkennt die Dringlichkeit der Klimakrise. „Länder wie China und Indien brauchen eine frühe Zielankündigung der EU, um mit diesem Rückenwind ihre eigene Zielanhebung zu Hause und im Dialog mit der EU ausreichend diskutieren zu können“, sagt Christoph Bals. „Darum sollte der Vorschlag spätestens im Juni erscheinen.“ Germanwatch fordert Kommission und Mitgliedsstaaten auf, das Bekenntnis zur Klimaschutz-Vorreiterrolle der EU jetzt in einen starken Impuls zur Stärkung der EU-Klimadiplomatie  und für weitreichende Klimapartnerschaften mit anderen Ländern zu verwandeln. Die EU würde damit einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass das 1,5°-Limit einhaltbar bleibt. Gut am Entwurfstext ist das Signal an die Weltgemeinschaft, dass die EU die Verpflichtung im Pariser Klimaabkommen ernst nimmt, ihre Klimaziele künftig alle fünf Jahre nachzubessern. Wichtig ist überdies, dass die Kommission nun beginnt, den umfassenden Ansatz des Europäischen Green Deal umzusetzen, so dass sämtliche Regulierungen in Zukunft auf ihre Wirkung hinsichtlich der Erreichung der Klimaziele bewertet werden.

BDEW: „Bremsen schnell lösen!“

Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung: „Wichtige Grundvoraussetzung für Klimaneutralität ist der weitere Ausbau der Erneuerbaren Energien. Sie werden nicht nur für die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft, sondern aller Wirtschaftszweige benötigt: Ohne Erneuerbare kein grüner Wasserstoff und auch keine CO2-freie Mobilität. Die Unternehmen sind bereit dafür. Rahmenbedingungen und Planungssicherheit müssen aber stimmen. In Deutschland wird der Erneuerbaren-Ausbau jedoch gerade durch politische Hemmnisse ausgebremst: Der Ausbau von Windkraft an Land bricht ein und der weitere PV-Zubau ist ebenfalls gefährdet. Auch mit Blick auf das gemeinsame europäische Ziel müssen die Bremsen schnell gelöst werden. Jede Branche muss ihren Beitrag zur CO2-Minderung leisten. Die Sektorenziele müssen gelten – kein Bereich darf sich ausnehmen. Wichtig ist zudem, dass der Weg zur Klimaneutralität auf volkswirtschaftlich effiziente Weise beschritten werden kann. Das setzt eine technologieoffene Herangehensweise voraus. Es muss sichergestellt werden, dass die Energieversorgung sicher, bezahlbar und wettbewerbsfähig bleibt. Klar ist damit auch, dass zunehmend dekarbonisiertes und erneuerbares Gas ein Teil der Lösung ist.“

->Quellen  und weitere Informationen: