„Auf absehbare Zeit keine wirtschaftlichen Anreize“

Wasserstoff-Stahl: ArcelorMittal und HAW Hamburg legten bereits 2017 Studie vor

Als innovatives Stahlwerk ist ArcelorMittal Hamburg ständig auf der Suche nach alternativen, klima- und umweltverträglichen Stahl-Herstellungsprozessen und hat bereits 2017 eine die Direkt-Reduktion von Eisenerz mit Hilfe von Wasserstoff bewertende Studie veröffentlicht. Deren lakonisches Fazit: „Eine Abschätzung von Umwandlungskosten macht deutlich, dass es unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten auf absehbare Zeit keine wirtschaftlichen Anreize geben wird, in einen solchen Prozess zu investieren.“

In der Studie wurden zwei Aspekte bewertet:

  1. Ist eine Reduktion mit Wasserstoff technisch machbar?
  2. Wie stellen sich die Umwandlungskosten für Wasserstoff-Stahl dar?

Aufgrund der fast 50-jährigen Betriebserfahrung mit der Direktreduktionsanlage am Hamburger Standort könne geschlussfolgert werden, dass es technologisch keine Hemmnisse gebe, einen Prozess mit ausschließlich Wasserstoff umzusetzen. Sowohl der Reduktionsprozess als auch die Verwendung von Elektrolyseuren seien „technisch gut beherrschbar und erprobt“.

Viel spannender stelle sich die wirtschaftliche Frage dar: Aktuell wird das Reduktionsgas über Erdgas erzeugt, was bereits höhere Umwandlungskosten bedingt als z.B. der Betrieb eines Hochofens. Für CO2-freien Stahl dürften aber für die Erzeugung von Wasserstoff nur Erneuerbare Energien (Grundlast!) eingesetzt werden, was die Kosten weiter in die Höhe treiben würde.

In der Studie wurden Energiekosten von 100 €/MWh angesetzt, da der Strom grundlastfähig zur Verfügung stehen muss und somit zusätzliche Kosten für die Besicherung entstehen. Auf dieser Basis würden sich die Umwandlungskosten um mindestens den Faktor fünf erhöhen, so dass es aktuell keine Wirtschaftlichkeit für eine entsprechende Technologie gibt. Hinzu kommen die immensen Investitionskosten für die Power-to-Gas-Anlagen, die für eine Jahrestonnage von einer Million Tonnen bei mindestens 200 Millionen Euro liegen würden.

„Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass klimafreundlicher Stahl technisch machbar ist. In der aktuell schwierigen Lage der Stahlindustrie würde die Umstellung auf Wasserstoff aber eine enorme Erhöhung der Erzeugungskosten bedeuten, die von den Kunden nicht getragen werden. Es gibt aktuell keine wirtschaftlichen Anreize für eine Prozessumstellung. Somit ist die Politik gefordert, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine CO2-freie Stahlherstellung begünstigen und nicht eine Verlagerung der Stahlindustrie in Staaten außerhalb des europäischen CO2-Handels.“

Im vorgestellten Konzept wurde aufgezeigt, wie ein Prozess zur Reduktion von Eisenerz mit regenerativ erzeugtem Wasserstoff aussehen könnte und welcher Energiebedarf zu erwarten ist. Aufgrund der Erfahrungen im Betrieb einer konventionellen Direktreduktionsanlage kann das Konzept als technisch machbar angesehen werden. Es stellt eine Weiterentwicklung des bestehenden Prozesses dar, der aktuell mit rund 60 % Wasserstoff im Reduktionsgas arbeitet. Die erforderlichen Technologien sind größtenteils bereits vorhanden und technisch erprobt, so dass hier keine Hemmnisse bestehen. Eine Kostenabschätzung ergibt aber, dass es unter den aktuellen Rahmenbedingungen keine Anreize gibt, in eine entsprechende Technik zu investieren. Insbesondere die enormen Kosten für den Betrieb einer Power-to-Gas-Anlage bzw. einer H2BI-Anlage machen dieses Konzept unwirtschaftlich. Es bleibt somit eine politische Entscheidung, ob entsprechende Förderungen für eine klimaneutrale Stahlerzeugung geschaffen werden. Ansonsten droht das Verfehlen der Klimaschutzziele oder eine Verdrängung der deutschen Stahlproduzenten durch Wettbewerber außerhalb der EU.

Autoren

  • Prof. Dr.-Ing. Marc Hölling, Professor für Chemische Verfahrenstechnik, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg
  • Dr.-Ing. Matthias Weng, Energiemanager, ArcelorMittal Hamburg GmbH
  • Dr.-Ing. Sebastian Gellert, Betriebsleiter Reduktionsanlage, ArcelorMittal Hamburg GmbH

Quellen: