Schleswig-Holstein mit BR-Initiative zur Reform des EEG

„Klimapolitische Weichen stellen“

Schleswig-Holstein will mit einer Bundesratsinitiative das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformieren. Dazu gehört die Abschaffung von Solardeckel und Netzausbaugebiet. Energiewendeminister Jan Philipp Albrecht: „Jetzt ist die Zeit, um die klimapolitischen Weichen zu stellen“. Der Grüne Albrecht drängt auf eine rasche Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes durch den Bund. „Schleswig-Holstein wird kurzfristig einen entsprechenden Antrag im Bundesrat mit Vorschlägen für eine Neufassung des EEG einbringen“, sagte Albrecht am 08.05.2020 im schleswig-holsteinischen Landtag: „Jetzt ist die Zeit, um die klimapolitischen Weichen zu stellen. Der Klimaschutz darf Corona nicht zum Opfer fallen. Wir brauchen so schnell wie möglich eine grundlegende Reform des gesamten Systems der Abgaben und Umlagen im Energiebereich, die gleichzeitig wichtige Eckpunkte für ein ökologisch ausgerichtetes Konjunkturprogramm nach der Corona-Krise liefert.“

Wind und PV im deutschen Solar Valley – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

In dem Bundesratsantrag wird der Bund aufgefordert, sich klar zu den Ausbauzielen für Erneuerbare Energien zu bekennen und die Sektorkopplung künftig angemessen zu berücksichtigen. Neben eindeutigen Ausbauvorgaben muss im Zuge der Reform für mehr Flexibilisierung beim Einsatz Erneuerbarer Energien gesorgt werden. Die Rahmenbedingungen für die Eigen- und Direktstromnutzung müssen attraktiver ausgestaltet werden, bis eine echte Reform bei der Grünstromvermarktung erfolgt ist.

Albrecht plädiert dafür, den Ausbau der Windkraft im Süden stärker voranzutreiben, ohne den Ausbau im Norden zu blockieren. Um das zu erreichen, müssen Ausbaubremsen wie das Netzausbaugebiet zügig bundesweit gelöst werden, so der Minister. Die Einführung von bundesweit geltenden Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung, die über existierende Regelungen hinausgehen, wird abgelehnt. Im Bereich Offshore soll das Ausbauziel bis 2035 von derzeit 15 GW auf 30 GW verdoppelt werden. Zudem wird für eine Aufhebung des so genannten 52 GW-Deckels für Photovoltaik plädiert.

Der Ausbau der Erneuerbaren über alle Sektoren hinweg ist die Basis für die Klimawende. Ohne genügend Erneuerbaren Strom kann es auch keine klimapolitisch sinnvolle Sektorkopplung und letztlich auch keinen erneuerbaren Wasserstoff geben, sagte Albrecht. Er verwies auf die Wasserstoffstrategie des Landes, die derzeit erarbeitet wird. Gerade angesichts der wirtschaftlichen Herausforderung der aktuellen Pandemie braucht es jetzt ein klares Signal, dass hier der Knoten durchschlagen wird. Mit der deutlich besseren Förderung dieser Zukunftstechnologien muss ein massives Konjunkturprogramm für die ökologische Transformation unseres Wirtschaftens auf den Weg gebracht werden. Die meisten Akteure, besonders hier im Land zwischen den Meeren, stehen bereits in den Startlöchern, ihre Technologien und Konzepte endlich in den Markt zu bringen, sagte Albrecht.

Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) begrüßt Bundesratsinitiative aus Schleswig-Holstein

„Die Bundesratsinitiative aus Kiel zeigt den dringenden energiepolitischen Handlungsbedarf auf. Erneuerbare Energien können einen wichtigen Beitrag zur Wiederbelebung der Wirtschaft schon während der Coronakrise leisten, denn sie erweisen sich als krisensicher und zukunftsfest. Für den weiteren Ausbau müssen vorhandene Bremsen und Hemmnisse endlich beseitigt werden. Dies ist kurzfristig möglich. Die Große Koalition sollte ein klares Signal der Länder erhalten, dass eine neue Dynamik bei den Erneuerbaren Energien unverzichtbar ist. Es braucht eine EEG-Novelle, die über schlichte Reparaturen hinausgeht“, betont Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE). Schleswig-Holsteins Energieminister Jan Philipp Albrecht hat am15.05.2020 im Bundesrat einen Antrag mit Vorschlägen für eine Neufassung des EEG eingebracht, die kommende Woche in den Ausschüssen beraten wird.

„Erneuerbare Energien stärken die heimische Wirtschaft, schaffen Arbeitsplätze und sorgen für stabile Steuereinnahmen. Zudem sind sie ein zentraler Klimaschutzfaktor. Die Bundesländer haben diese Chance erkannt. Es ist gut, dass sie die Große Koalition dazu drängen, endlich den energiepolitischen Stillstand zu beenden“, so Peter. „Durch bessere Rahmenbedingungen können die Erneuerbaren zu einem Konjunkturmotor bereits in der Krise werden, was auch den zukünftigen Herausforderungen gerecht wird.“

Im Wortlaut: Der SH-Antrag: „Entschließung des Bundesrates zur EEG-Reform: Ausbau der Erneuerbaren Energien voranbringen“

  1. Als Beitrag zur Wiederbelebung der Wirtschaft nach der Corona-Epidemie und zur Erreichung der Ausbauziele bei den Erneuerbaren Energien bedarf es einer zügigen Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), um neue Perspektiven für Innovation und Wachstum bei gleichzeitig sinkenden Treibhausgasemissionen als Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele zu schaffen. Ein weiterer zielstrebiger, effizienter und marktorientierter Ausbau der Erneuerbaren Energien ist sowohl Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende und Klimaschutzpolitik auf dem Weg zur Klimaneutralität als auch Grundlage für Wertschöpfung und neue Arbeitsplätze in Zukunftsbranchen.
  2. Der Bundesrat bekräftigt das Ziel, bis zum Jahr 2030 mindestens 65 Prozent des deutschen Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien zu erzeugen. Hierbei ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass durch Zukunftstechnologien der Sektorenkoppelung, wie beispielsweise der Grünen Wasserstofferzeugung oder der E-Mobilität, zusätzliche Stromnachfrage entstehen wird. Neben eindeutigen Ausbauvorgaben muss im Zuge der Reform für mehr Flexibilisierung beim Einsatz Erneuerbarer Energien gesorgt werden.
  3. Die Rahmenbedingungen für die Eigen- und Direktstromnutzung müssen attraktiver ausgestaltet werden, bis eine echte Reform bei der Grünstromvermarktung erfolgt ist. Zudem sollte der Weg der schrittweisen Absenkung der EEG-Umlage und der Stromsteuer im Wege einer systematischen Reform der Abgaben und Umlagen im Energiebereich mit schrittweise steigenden CO2-Preisen in den Sektoren Wärme und Verkehr weiterverfolgt werden und ggf. zur Konjunkturbelebung eine deutlichere Entlastung bei den Stromnebenkosten als bislang geplant angestrebt werden.
  4. Um die bundesweit vorhandenen Potenziale für den Ausbau der Windenergieanlagen an Land heben zu können, sind Maßnahmen erforderlich, die den Ausbau im Süden vorantreiben, ohne den Ausbau im Norden zu blockieren. Hierzu sind neben geeigneten Instrumenten im EEG auch geeignete Maßnahmen zur Bereitstellung von Flächen in allen Ländern zu ergreifen. Ausbaubremsen wie das Netzausbaugebiet müssen zügig bundesweit gelöst werden. Der Bundesrat verweist in diesem Zusammenhang auch auf den Beschluss zur BR-Drs. 436/19.
  5. Mit Anpassungen u.a. der § 14, § 15, ggf. § 36c EEG sind die Regelungen für Zuschaltbare Lasten („nutzen statt abregeln und entschädigen“) technologieoffen und für deutlich größere Volumina auszugestalten. Die bisherige Begrenzung auf „Power-to-heat“-Anlagen hat sich als Hemmschuh für die Nutzung der Regelung erwiesen. Um die Potenziale Zuschaltbarer Lasten bundesweit heben zu können, sollten zudem die Regelungen in § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG – Steuerbare Verbrauchseinrichtungen in Niederspannung) auf die Mittelspannungsebene ausgedehnt werden.
  6. Die Rahmenbedingungen für Biomasseanlagen sind in § 50, § 50a, § 50b und Anlage 3 des EEG so anzupassen und an robuste Qualitätskriterien zu knüpfen, dass bestehende Biogasanlagen auf eine flexible, hocheffiziente stromgeführte KWK-Fahrweise umgerüstet werden. Um den Einsatz von Reststoffen aus der Landwirtschaft (insbesondere Gülle, Festmist etc.) sowie von Blühstreifen, Blühmischungen, (mehrjährigen) Blütenpflanzen, Zwischen- und Folgefrüchten stärker anzureizen bzw. dies überhaupt zu ermöglichen, sind Anpassungen des § 9 EEG (gasdichte Verweilzeit), § 39h und § 44 EEG sowie der Biomasseverordnung erforderlich. Zudem ist mit einer Anpassung von § 44 EEG die Sondervergütungsklasse für Güllekleinanlagen auf 150 kW Bemessungsleistung zu erhöhen.
  7. Zur Verbesserung der Ausbaubedingungen Erneuerbarer Energien auf See sind Änderungen im Windenergie auf See Gesetz (WindSeeG) erforderlich. So ist in § 1 WindSeeG das Ausbauziel für Windenergieanlagen auf See bis 2035 auf 30 GW anzuheben. Dann können die für die weitere Fachplanung zuständigen Behörden, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und die Bundesnetzagentur (BNetzA), bereits jetzt die langfristigen Planungen rechtssicher auf den Weg bringen. Das WindSeeG ist zudem dahingehend zu erweitern, dass ein Verweis auf das Netzausbaubeschleunigungsgesetz (§ 3a NABEG) er-folgt und damit eine Zusammenarbeit der Länder mit der Bundesnetzagentur bei Off-shore-Netzanbindungen verpflichtend durchgeführt wird. Zusätzlich sind die von der Bundesnetzagentur bestätigten Offshore-Anbindungsleitungen ins Bundesbedarfsplangesetz aufzunehmen, um die Planfeststellungsverfahren zügig und rechtssicher durchführen zu können.
  8. Der Bundesrat lehnt die Einführung von bundesweit geltenden Mindestabständen zwischen Windenergieanlagen und Wohnbebauung, die über existierende Regelungen hinausgehen, ab.
    9. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, den Bundesratsbeschluss (BR Drucksache 426/19 (Beschluss) zur sofortigen Abschaffung des so genannten 52 GW PV Deckels unverzüglich in den Bundestag einzubringen, die entsprechende Anpassung des § 49 EEG zu beschließen und eine Perspektive für die künftige Finanzierung der Förderung Erneuerbaren Energien zu erarbeiten.
    10. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Bürgerenergieprojekte durch wirksame Maßnahmen zu unterstützen. Denkbare Optionen sind z.B. geringere Sicherheitsleistungen, bessere Beratungsangebote. Darüber hinaus wird die Bundesregierung aufgefordert, eine von der Bundesregierung eingerichtete Förderung von Bürgerenergieprojekten während der Planungsphase (bis zur Gebotsabgabe) – also außerhalb des EEG – einzuführen. Die temporäre Aussetzung des sogenannten ‚Bürgerenergieprivilegs‘ ist weiterzuführen.

Der Antrag wurde an die Ausschüsse zur weiteren Beratung überwiesen.

->Quellen: