Infrastrukturbedarf einer klimaneutralen Industrie in Europa

Policy Brief: Dekarbonisierung der Grundstoffindustrie braucht integrierte und koordinierte Strategie für erneuerbare Energien

Am 10.06.2020 veröffentlichte das Wuppertal Institut das Policy Brief zur Studie „Infrastructure needs for deep decarbonisation of heavy industries in Europe“, das den Infrastrukturbedarf für eine vollständige Dekarbonisierung der Chemie-, Stahl- und Zementindustrie in Europa bis 2050 analysiert.

Zeche Zollverein, altes Stahlwerk - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Zeche Zollverein, altes Stahlwerk – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Eine klimaneutrale Transformation der Schwerindustrie in Europa sei machbar, stelle die jeweiligen Industrien sowie die Versorgungs- und Infrastruktursysteme allerdings vor große Herausforderungen. Dadurch wachse zunehmend und räumlich konzentriert die Nachfrage nach sauberer Energie, was bestehende regionale Defizite tendenziell vergrößere, heißt des in der Pressemeldung des Wuppertal-Instituts. Einige Industrieregionen, wie das Industriedreieck zwischen Belgien, den Niederlanden und Nordrhein-Westfalen, benötigten dann neue, leistungsfähige Importstrukturen für Strom und Wasserstoff, während andere Industrieregionen den zusätzlichen Bedarf weitgehend durch erneuerbare Energien aus ihrer Umgebung decken könnten.

„Deshalb sollten die Dekarbonisierungsstrategien der verschiedenen Industriecluster in der Europäischen Union auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene koordiniert werden, um ihre Umsetzung voranzutreiben und die notwendige Infrastruktur vorausschauend und zeitnah anpassen zu können. Und dies sollte unter Einbeziehung der lokalen industriellen Akteure geschehen“, sagt Prof. Stefan Lechtenböhmer, Leiter der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut und Mitautor des Policy Brief.

Dennoch werde die grüne Transformation der Schwerindustrie in Europa im Jahr 2050 zu hohen zusätzlichen Bedarfen führen, also mindestens 419 Terawattstunden pro Jahr erneuerbarer Strom, 114 Terawattstunden pro Jahr grüner Wasserstoff sowie CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) für unvermeidliche Prozessemissionen.

„Dies erfordert sowohl eine ehrgeizige Realisierung der Effizienzpotenziale als auch der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten in Europa – einschließlich Offshore-Windenergie – sowie einen parallelen Ausbau der Strominfrastruktur zusätzlich zu den aktuellen Erweiterungsplänen, um insbesondere industrielle Kernregionen zu versorgen“, kommentiert Frank Merten, Co-Leiter des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen am Wuppertal Institut und ebenfalls einer der Mitautoren des Policy Brief.

Dies sei nur möglich, wenn die Politik die industrielle Dekarbonisierung und Energiewende gemeinsam in den Mittelpunkt des European Green Deal und in entsprechende Politiken wie die TEN-E-Verordnung für Energienetze sowie die Industrie- und Ressourceneffizienzstrategie stelle, prognostizieren die Forschenden.

Während der eigentlichen Studie, die 2019 durchgeführt und vom EIT Climate-KIC finanziert wurde, analysierten die Forschenden des Wuppertal Instituts drei ausgewählte industrielle Hot-Spot-Regionen in Südfrankreich, Südpolen und Nordwesteuropa. In interaktiven Workshops vor Ort untersuchten sie mögliche Infrastrukturlösungen und bewerteten diese mit regionalen Industrieexperten.  Begleitet wurde diese Veröffentlichung von einem Webinar, welches erörterte, inwieweit die Europäische Union (EU) und Mitgliedstaaten ihre Anstrengungen im Bereich der Infrastrukturplanung intensivieren müssen, um die Ambitionen der EU-Industriestrategie und des EU Green Deals zu erfüllen.

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