PV wird größter Stromerzeuger weltweit

IEA World Energy Outlook 2020: Neue beherrschende Kraft weltweiter Strommärkte

„Das Jahrzehnt der Photovoltaik ist angebrochen. Die Solarstromerzeugung wird in den nächsten Jahren schneller wachsen als die aller anderen Technologien, wie der am 13.10.2020 publizierte World Energie Outlook (WEO) der Internationalen Energieagentur IEA zeigt“, schreibt Sven Ullrich in Erneuerbare Energien. Und Petra Hannen auf pv magazine: „Den Szenarien der Internationalen Energie-Agentur zufolge werden erneuerbare Energien bis 2030 insgesamt 80 Prozent des weltweiten Strombedarfs abdecken. Allerdings muss das starke Wachstum mit robusten Investitionen in die Stromnetze verbunden werden.“ Doch es gibt auch Kritik: „Pfad in den Untergang der menschlichen Zivilisation“ sagt die Kurzanalyse der Energy Watch Group Berlin.

World Energy Outlook 2020 – Titel © IEA

Der weltweite Zubau der Photovoltaik werde weiter Fahrt aufnehmen, so Ullrich. In den kommenden Jahren bis 2030 wachse der Markt jedes Jahr um durchschnittlich 13 Prozent – mit dem Ergebnis, dass 2030 die dann installierten Solarmodule allein ein Drittel des weltweiten Strombedarfs decken werden. Das ist eine der für die Solarbranche zentralen Erkenntnisse des gerade veröffentlichten WEO. Wasserkraft soll die größte erneuerbare Quelle bleiben, aber auf die Photovoltaik entfalle das größte Wachstum – gefolgt von Onshore- und Offshore-Windkraftanlagen. Konkret steige die Stromerzeugung aus Solarmodulen in der jetzt laufenden und in der nächsten Dekade von 664 auf 4.813 Terawattstunden – wenn die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht verändert werden. „Ich sehe die Solarenergie als den neuen König der weltweiten Energiemärkte”, betont Fatih Birol, Direktor der IEA. „Basierend auf den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen ist die Technologie auf dem Weg, neue Rekorde bei der jährlichen Entwicklung nach 2022 aufzustellen.”

Wenn die einzelnen Regierungen Hürden aus dem Weg räumen, welche die Solarenergie derzeit noch behindern und sie sowie die Investoren mehr Engagement in deren Entwicklung stecken, könne sie sogar noch schneller wachsen, sagte Birol mit Blick auf die Zukunftsszenarien. So könnte die Solarstromerzeugung bis 2040 sogar auf 8.135 TWh steigen, wenn die Regierungen ihre Politik stärker an Nachhaltigkeitszielen ausrichteten.

Der World Energy Outlook 2020 konzentriert sich darauf, wie sich die COVID-19-Pandemie auf die Zukunft der Energie auswirkt. Demnach kommt es darauf an, wie die Regierungen auf die heutigen Herausforderungen reagieren, ob diese Krise die Energiewende und das Erreichen der Klimaziele behindern oder beschleunigen wird. Als direkte Corona-Folge geht die IEA davon aus, dass der weltweite Energiebedarf 2020 um 5 Prozent sinken wird, die energiebezogenen CO2-Emissionen um 7 Prozent und die Energieinvestitionen um 18 Prozent. Je nach Szenario soll es drei bis fünf Jahre dauern, bis die globale Energienachfrage wieder das Vorkrisenniveau erreicht.

Photovoltaik preiswerteste Technologie

Die Analysten der IEA führen das vor allem auf die Unterstützung der Photovoltaik seitens der Politik in vielen Ländern zurück. Denn die ersten Regierungen haben das Potenzial der Technologie mit Blick auf die Preisentwicklung erkannt. Schließlich ist die Technologie der Photovoltaik ausgereift und sie ist inzwischen preiswerter als Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken. Zudem werden die Lösungen für eine sichere Stromversorgung mit volatil erzeugenden Technologien immer ausgefeilter.

Als Grund nennt der Report vor allem die deutlich gesunkenen Gestehungskosten für Photovoltaik-Strom, die in den wichtigen Regionen der Welt unter die Kosten neuer Kohle- und Gaskraftwerke gesunken seien. Der niedrigste Preis, der bisher bei einer Auktion erzielt worden sei, habe in Portugal im August 2020 bei 13 US-Dollar pro Megawattstunde gelegen. Auf diesem Preisniveau sei die Photovoltaik eine der kostengünstigsten Stromquellen in der Geschichte. Für neue Investitionen beziffert der Report die Photovoltaik im Versorgungsmaßstab in Europa und den USA mit 30 bis 60 US-Dollar pro Megawattstunde, in China und Indien mit 20 bis 40 US-Dollar pro Megawattstunde. Damit sei die Photovoltaik heute in vielen Ländern der Welt die kostengünstigste neue Stromquelle.

Der World Energy Outlook betont jedoch, dass das starke Wachstum der erneuerbaren Energien mit robusten Investitionen in Stromnetze verbunden sein müsse. Ohne ausreichende Investitionen würden die Netze zum Schwachpunkt bei der Umgestaltung des Stromsektors, was Auswirkungen auf die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Stromversorgung habe. Auch Speicher werden dem Report zufolge eine immer wichtigere Rolle spielen.

Mit Blick auf die fossilen Brennstoffe zeichnet der Report ein gemischtes Bild. Die Nachfrage nach Kohle wird demnach nicht auf das Vorkrisenniveau zurückkehren, und auch die Ära des globalen Wachstums der Ölnachfrage werde im kommenden Jahrzehnt zu Ende gehen. Die Nachfrage nach Erdgas werde jedoch erheblich wachsen, vor allem in Asien. Dennoch konstatiert der WEO „Große Dilemmata für Öl- und Gasproduzenten und Risiken für Investitionen“, denn „niedrigere Preise und eine durch die Pandemie verursachte Korrektur der Nachfrage nach unten haben den Wert der zukünftigen Öl- und Gasproduktion um etwa ein Viertel reduziert. Viele Öl- und Gasproduzenten, insbesondere im Nahen Osten und in Afrika wie Irak und Nigeria, sehen sich aufgrund der hohen Abhängigkeit von Kohlenwasserstoffeinnahmen einem akuten fiskalischen Druck ausgesetzt. Grundlegende Anstrengungen zur Diversifizierung und Reform der Volkswirtschaften einiger großer Öl- und Gasexporteure scheinen heute mehr denn je unumgänglich.

Die US-amerikanische Schiefergas-Industrie hat in den letzten zehn Jahren fast 60% des Anstiegs der weltweiten Öl- und Gasnachfrage gedeckt, aber dieser Anstieg wurde durch leichte Kredite angeheizt, die nun ausgetrocknet sind. Bislang haben führende Öl- und Gasunternehmen im Jahr 2020 den ausgewiesenen Wert ihrer Aktiva um mehr als 50 Milliarden Dollar reduziert, was ein spürbarer Ausdruck einer veränderten Wahrnehmung der Zukunft ist. Die Investitionen in die Öl- und Gasversorgung sind im Vergleich zu 2019 um ein Drittel zurückgegangen, und es ist unklar, in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Ausgaben wieder steigen werden. Ebenso unklar ist die Fähigkeit der Industrie, rechtzeitig darauf zu reagieren: Dies könnte neue Preiszyklen und Risiken für die Energiesicherheit voraussetzen.

Um die globalen Emissionen entscheidend zu reduzieren, tut die Welt dem Report zufolge jedoch noch nicht genug. „Nur schnellere strukturelle Veränderungen in der Art und Weise, wie wir Energie produzieren und verbrauchen, können den Emissionstrend endgültig brechen“, so Birol. Vor allem müssten Emissionen aus bestehenden Infrastrukturen reduziert werden.

EWG gewohnt kritisch mit WEO

Der World Energy Outlook 2020 sei „ein klarer Pfad in den Untergang der menschlichen Zivilisation“ sagt die Kurzanalyse der Energy Watch Group Berlin über den WEO – er sei „weiterhin unvereinbar“ mit der 1,5°C-Grenze, „obwohl er in Teilbereichen Verbesserungen aufzeigt“. Der WEO setze den Schwerpunkt auf Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung als Reaktion auf die Corona-Krise, doch bleibe der Bericht – „wie gewohnt“ – weit hinter dem zurück, was klima- und energiepolitisch notwendig wäre. „Zwar nähern sich die Zahlen der IEA zu den Kosten und Ausbauraten der Erneuerbaren Energien der Realität, aber auch mit dem WEO 2020 bleibt die IEA ihrer Verantwortungslosigkeit für den Klimaschutz treu und ermuntert zur weiteren langfristigen Nutzung von fossilen Energieträgern. Geradezu grotesk ist die Einschätzung der IEA zum Klimaschutz im Sustainable Development Szenario (SDS) des WEO. So hält die IEA es mit 50prozentiger Wahrscheinlichkeit für möglich, eine globale Erwärmung von 1,65°C über dem vorindustriellen Niveau nicht zu überschreiten, wenn erst bis 2070 Netto-Null-Emissionen verwirklicht werden.“ Angesichts der von Klimaforschern des EU-Klimaforschungsinstituts Copernikus gerade gemessenen globalen Temperaturerhöhung von 1,3° C sei das völlig absurd. Im vergangenen Jahrzehnt sei die Welttemperatur um 0,18°C gestiegen, in diesem und dem nächsten sind jeweils Temperatursprünge von mindestens 0,2° C zu erwarten, so dass 1,7° C spätestens 2040 überschritten sein werden.

„Botschaft der IEA extrem gefährlich für den Klimaschutz“

Die EWG-Analyse weiter: „Der Erdölverbrauch im Verkehr soll bis 2030 nur geringfügig sinken, die hohe Dynamik der Elektromobilität wird hier nicht antizipiert. Immerhin soll die Kohlenutzung bis 2050 deutlich sinken, während die Stromerzeugung aus Erdgas bis 2050 nur von 6.300 TWh auf 4.550 TWh zurückgehen soll. Damit spielt fossiles Gas weiterhin eine große Rolle im SDS. Diese Botschaft der IEA ist extrem gefährlich für den Klimaschutz. Denn die Methanemissionen nehmen drastisch zu, obwohl fossiles Gas nicht weniger klimaschädlich ist als Kohle. Da der WEO vielerorts nach wie vor als zielgenaue Prognose des zukünftigen Energiesystems gesehen wird, hat der Bericht das Potenzial, zukünftige private und öffentliche Investitionen in Billionenhöhe zu beeinflussen. Darüber hinaus werden die Szenarien des WEO auch Orientierungspunkte für jedwede Klimaziele sein, die im Vorfeld der Weltklimakonferenz beschlossen werden.“

Fazit der EWG: „Auch mit dem diesjährigen WEO bleibt die IEA ihrer Verantwortungslosigkeit treu und ermuntert zur weiteren langfristigen Nutzung von fossilen und atomaren Energieträgern, anscheinend ohne die Notwendigkeit und die Chancen einer schnellen und umfassenden Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien mit einzubeziehen. Dabei haben in den vergangenen Jahren verschiedene Forschungsinstitute die Machbarkeit von 100% Erneuerbare Energien auch vor 2050 aufgezeigt. Damit macht sich die IEA als weltweit einflussreichste Instanz für Energiefragen mitschuldig, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, warum die Weltgemeinschaft keinen Weg zum Klimaschutz findet.“

Zukunft ERDGAS erfreut

„Der World Energy Outlook zeigt, dass es auch in der Krise eine stabile Nachfrage nach Erdgas gibt”, so Timm Kehler, Vorstand der Brancheninitiative Zukunft ERDGAS. Die IEA erwartet weltweit für 2020 zwar einen Rückgang bei Erdgas von 3 Prozent, das ist aber deutlich weniger als beispielsweise bei Öl (minus 8 Prozent) oder Kohle (minus 7 Prozent). Im Strombereich geht die IEA sogar nur von einem leichten Rückgang um 1 Prozent aus. „Vor allem erkennt der Bericht aber, wie gut Erdgas zu einem schnellen Erfolg beim Einsparen von CO2 führen und welch wertvollen Beitrag Erdgas so zur Energiewende leisten kann. Daher fordern wir sinnvolle Anreize für den Neubau der benötigten Gaskraftwerke”, so Kehler weiter. Der Bericht prognostiziert in seinen beiden Hauptszenarien bei Gaskraftwerken einen erforderlichen Kapazitätszuwachs von 8 Prozent bis zum Jahr 2030 in der EU. Für Kehler ein klares Signal, auch in Deutschland weiter in Gaskraftwerke und -infrastruktur zu investieren: „Besonders die Förderung der dezentralen und witterungsunabhängigen Stromerzeugung muss in den Mittelpunkt gerückt werden. So können die Stromnetze entlastet werden, die die IEA als schwaches Glied der Energiewende im Strommarkt bezeichnet.”

Der Bericht unterstreicht die Bedeutung von grünen Gasen, also Biogas und Wasserstoff, für das Gelingen der Dekarbonisierung. Die IEA sieht weiterhin ein großes Wachstumspotential für Biogas und sagt für die EU einen Anstieg sowohl in der Biogasverstromung als auch der Kapazitäten voraus. Für Deutschland fasst Kehler die Empfehlungen der IEA wie folgt zusammen: “Der World Energy Outlook ermöglicht verschiedene Perspektiven auf die Zukunft, die Gesetzgebern als Entscheidungsgrundlage dienen sollen. Für Deutschland lassen sich ganz klar zwei Leitlinien entnehmen: Gaskraftwerke und die Gasinfrastruktur müssen weiter ausgebaut werden – für die Nutzung von Erdgas und später grüner Gase. Des Weiteren muss Biogas weiter gefördert und der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft beschleunigt werden.”

->Quellen: