Zum ersten Mal: Nature unterstützt Joe Biden

„Wir können nicht tatenlos zusehen, wie die Wissenschaft untergraben wird“

„Joe Bidens Vertrauen in Wahrheit, Beweise, Wissenschaft und Demokratie macht ihn zur einzigen Option bei den US-Wahlen“ so das angesehene britische Forschungsmagazin Nature, neben der amerikanischen Science die weltweit angesehenste Zeitschrift für Naturwissenschaften, die sich in ihrer 151jährigen Geschichte noch nie in eine Präsidentschaftswahl eingemischt hat. Zuvor hatte bereits Scientific American (SA) in seiner Oktober-Ausgabe zum ersten Mal in seiner 175jährigen Geschichte eine Wahlempfehlung für Biden ausgesprochen. Trump lehne die Wissenschaft ab und schade damit dem Land und der Bevölkerung, schrieben die Herausgeber in einem Leitartikel.

Weißes Haus, Washington - Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Weißes Haus, Washington – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

„Scientific American unterstützt Joe Biden – Wir haben in unserer 175-jährigen Geschichte noch nie einen Präsidentschaftskandidaten unterstützt – bis jetzt,“ überschrieben die Herausgeber des angesehene Wissenschaftamagazins einen ungewöhnlichen Artikel. Dieses Jahr sähen sie sich gezwungen, das zu tun. „Wir tun dies nicht leichtfertig.“ Tatsachen und Wissenschaft zeigten, dass Donald Trump den USA und ihren Menschen schweren Schaden zugefügt habe – weil er Faken und Wissenschaft ablehne. „Das verheerendste Beispiel ist seine unehrliche und unpassende Reaktion auf die COVID-19-Pandemie.“ Er habe auch öffentliche Wissenschaftseinrichtungen, Umweltschutz, medizinische Versorgung und Forscher angegriffen, die dazubeitragen würden, das Land auf seine größten Herausforderungen vorzubereiten. „Deshalb bitten wir Sie dringend, für Joe Biden zu stimmen, der faktenbasierte Pläne zum Schutz unserer Gesundheit, unserer Wirtschaft und der Umwelt anbietet. Diese und andere Vorschläge, die er vorgelegt hat, können das Land wieder auf den Weg in eine sicherere, wohlhabendere und gerechtere Zukunft bringen.“ Soweit Scientific American.

Die Redaktion von Nature unterstützte die Argumentation der SA-Herausgeber: „Kein US-Präsident hat in der jüngeren Geschichte unerbittlicher so viele wertvolle Institutionen angegriffen und untergraben, von wissenschaftlichen Einrichtungen bis hin zu den Medien, den Gerichten, dem Justizministerium – und sogar das Wahlsystem. Trump behauptet, ‚Amerika an die erste Stelle‘ zu setzen (America first). Aber in seiner Antwort auf die Pandemie hat Trump sich selbst an die erste Stelle gesetzt, nicht Amerika.“ Seine Regierung habe zudem Konflikte mit den langjährigen Freunden und Verbündeten der USA vom Zaun gebrochen und wichtige internationalen Wissenschafts- und Umweltabkommen und -organisationen gekündigt: vor allem das Pariser Klimaabkommen von 2015, den Atomdeal mit Iran, die UNESCO. Wissenschafts- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen, und sogar – mitten in einer Pandemie undenkbar – von der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Einige weitere Punkte:

  • „An der innenpolitischen Front wird eines der gefährlichsten Vermächtnisse dieser Regierung ihre beschämende Bilanz der Einmischung in Gesundheits- und Wissenschaftsbehörden sein – und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in eben jene Institutionen untergraben, die für die Sicherheit der Menschen unerlässlich sind.“ (Scientific American)
  • „Mit inzwischen über 215.000 Toten hat das Coronavirus in den Vereinigten Staaten mehr Menschen getötet als irgendwo sonst. Selbst wenn man die Bevölkerungszahl berücksichtigt, hat das Land spektakulär schlecht abgeschnitten. Obwohl Trump über enorme wissenschaftliche und finanzielle Ressourcen verfügte, scheiterte er katastrophal.“ (Nature)
  • „Das Weiße Haus legte sogar ein Memo vor, in dem es die Fachkompetenz des führenden Arztes der Nation für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, angriff, in einem verabscheungswürdigen Versuch, weiteres Misstrauen zu säen.“ (Scientific American)
  • Trump habe auf Amerikas schlimmste öffentliche Gesundheitskrise seit einem Jahrhundert mit den Worten reagiert: „Ich übernehme überhaupt keine Verantwortung“. (Scientific American)
  • Am Beginn der Pandemie habe sich Trump gegen eine umfassende nationale Strategie entschieden, Tests und Rückverfolgung von Kontakten zu verstärken und die Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitswesens zu stärken. „Stattdessen missachtete und verhöhnte er öffentlich die wissenschaftlich fundierten Gesundheitsrichtlinien der US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) für die Verwendung von Gesichtsmasken und soziale Distanzierung.“ (Nature)
  • „Trump drängt auch weiterhin darauf, die Gesundheitsvorschriften der Umweltschutzbehörde abzuschaffen, wodurch die Menschen einem größeren Risiko für Herz- und Lungenkrankheiten aufgrund von Umweltverschmutzung ausgesetzt sind. Er hat Wissenschaftler in den Beratungsgremien der Behörde durch Vertreter der Industrie ersetzt.“ (Scientific American)

Joe Biden hingegen komme „vorbereitet mit Plänen zur Kontrolle von COVID-19, zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung, zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen und zur Wiederherstellung der Rolle der legitimen Wissenschaft in der Politikgestaltung.“ Zu COVID-19 stellte er richtig fest, dass „es falsch ist, von der ‚Wahl‘ zwischen unserer öffentlichen Gesundheit und unserer Wirtschaft zu sprechen…. Wenn wir das Virus nicht besiegen, werden wir nie wieder zu unserer vollen Wirtschaftskraft zurückfinden“. Biden plant die Einrichtung eines nationalen Testausschusses. Außerdem will er ein Public Health Job Corps von 100.000 Personen einrichten, von denen viele während der Pandemiekrise entlassen wurden, um als Kontaktverfolger und in anderen Gesundheitsberufen zu dienen. Er wird die Arbeitsschutzbehörde anweisen, Sicherheitsstandards am Arbeitsplatz durchzusetzen, um die Art tödlicher Ausbrüche zu vermeiden, wie sie in Fleischverarbeitungsbetrieben und Pflegeheimen aufgetreten sind. Während Trump damit drohte, Schulbezirken, die nicht wiedereröffnet wurden, ungeachtet der Gefahr durch das Virus Geld vorzuenthalten, will Biden 34 Milliarden Dollar ausgeben, um Schulen dabei zu unterstützen, sicheren Unterricht vor Ort und Fernlernen durchzuführen.“ (Scientific American)

Kein Präsident habe je versucht, Regierungsbehörden zu politisieren und sie in diesem Umfang von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entblößen. „Die Maßnahmen der Trump-Administration beschleunigen den Klimawandel, zerstören die Wildnis, verschmutzen die Luft und töten mehr Wildtiere – und auch Menschen“, stellt Nature fest. Der Ruf der Vereinigten Staaten als ein offenes und gastfreundliches Land für Studenten und Forscher in der Welt habe gelitten. Internationale Talente hätten eindeutig eine entscheidende Rolle dabei gespielt, das Land zu einem Forschungs- und Innovationsmotor zu machen. Aber „Trumps Bemühungen, Grenzen zu schließen, die Einwanderung zu begrenzen und die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit – insbesondere mit Forschern aus China – zu behindern, sind genau das Gegenteil von dem, was nötig ist, wenn die Welt die vor uns liegenden wachsenden globalen Herausforderungen erfolgreich bewältigen soll.“

In der Frage des Klimawandels würde Biden die Vereinigten Staaten auf das Pariser Abkommen zurückführen und schlägt die ehrgeizigste Klimapolitik vor, die je von Kandidaten der wichtigsten Parteien des Landes vertreten wurde. Ein Plan in Höhe von 2 Billionen US-Dollar würde in saubere Energie und kohlenstoffarme Infrastruktur investieren, mit dem Ziel, die Vereinigten Staaten bis 2035 von der Stromerzeugung aus fossilen Brennstoffen zu entwöhnen. Sollte Biden gewählt werden, hätte er die Chance, die unter Trump zurückgenommenen Klima- und Umweltvorschriften wieder einzuführen und zu stärken, die erschöpften wissenschaftlichen Kapazitäten des WPA wiederherzustellen und die Führungsrolle der CDC bei der Pandemie zurückzugeben. Joe Biden muss Gelegenheit erhalten, das Vertrauen in die Wahrheit, in die Beweise, in die Wissenschaft und in andere Institutionen der Demokratie wiederherzustellen, eine gespaltene Nation zu heilen und mit der dringenden Aufgabe zu beginnen, das Ansehen der Vereinigten Staaten in der Welt wieder aufzubauen. (Nature)

->Quellen: