Batterien mit pflanzenbasierten Elektrolyten auf dem Weg in die Praxis

Batterie-Elektrolyte auf Basis von Lignin aus Holz wirtschaftlich herstellen

Bislang enthalten fast alle Batterien, egal ob kleiner Akku im Smartphone oder großtechnische Redox-Flow-Batterie, Metallverbindungen, basierend auf Lithium, Blei oder Vanadium. Gewinnung und Recycling der metallischen Verbindungen sind aufwändig und oft mit Umweltproblemen verbunden. Nun rückt eine nachhaltige Alternative näher – ein Forscherteam entwickelt derzeit eine praxistaugliche Batterie, deren Elektrolyt auf einer pflanzlichen Verbindung aus Holz basiert: Die CMBlu Energy AG optimiert ihr Verfahren zur Elektrolytgewinnung aus Lignin zur Praxisreife weiter, wie die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe am 22.10.2020 wissen ließ – am gleichen Tag, als Solarify einen ähnlichen Erfolg schwedischer Forscher veröffentlichte: solarify.eu/schwedische-forscher-entwickeln-erste-organische-batterie.

Batterie-Elektrolyte auf Basis von Lignin aus Holz wirtschaftlich herstellen – © Gerhard Hofmann für Solarify

Lignin fällt als Nebenprodukt des Holzaufschlusses in Papier- und Zellstofffabriken weltweit im Millionen-Tonnen-Maßstab an. Elektrolyte auf Holzbasis sind erneuerbar und weder brennbar noch explosiv.

In stationären Redox-Flow-Batterien kann Energie im für die Energiewende erforderlichen, großtechnischen Maßstab gespeichert werden. Herkömmliche Redox-Flow-Batterien benötigten große Mengen Elektrolyte mit gelösten Metallionen. Diese Stoffe sind häufig knapp, teuer und umweltschädlich. Als mögliche Alternativen bieten sich organische Verbindungen pflanzlichen Ursprungs an. Sie versprechen nicht nur eine höhere Wirtschaftlichkeit, sondern sind regenerierbar und damit potenziell auch nachhaltiger als metallische Verbindungen. Als Quelle kommt u. a. Lignin, einer der drei chemischen Hauptbestandteile des Holzes, in Frage. In der Literatur wird Lignin als grundsätzlich gut geeignet zur Gewinnung von Ausgangsstoffen für biobasierte Elektrolyte beschrieben. Der Alzenauer CMBlu Energy AG und ihren Partnern gelang es in einem Vorläuferprojekt, die grundsätzliche Machbarkeit Lignin-basierter Elektrolyte zu demonstrieren.

Im aktuellen Vorhaben will CMBlu das Verfahren gemeinsam mit sechs Partnern aus Wissenschaft und Industrie unter Umwelt- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten weiter optimieren. Peter Geigle, Vorstandsvorsitzender der CMBlu Energy AG: „Das kontinuierliche Verfahren, das wir in FOREST II mit unseren Partnern erarbeiten möchten, erschließt eine nachhaltige und nahezu unbegrenzte Quelle zur Gewinnung von Ausgangsstoffen für unsere organischen Elektrolyte.“

Unter anderem plant das Projektteam die Entwicklung spezieller Filtrationsmembranen und die Erprobung elektrochemischer Syntheserouten, um die Ausbeute der Zielmoleküle bei der Produktion der Elektrolyte aus Lignin zu erhöhen. Im gesamten Prozess von der Ligninfragmentierung bis zur Elektrolytproduktion fallen zudem diverse Nebenströme an, die unter anderem Furfural, Vanillin und Syringasäure enthalten. Die Forscher wollen Trennverfahren zur Gewinnung dieser verwertbaren Stoffe entwickeln. Im Idealfall könnten Zellstofffabriken so zu Bioraffinerien ausgebaut werden, die in einem integrierten System Cellulose zu Zellstoff sowie Lignin zu Ausgangsstoffen für Elektrolyte und weitere Chemikalien umwandeln.

Bei den aus dem Lignin abgetrennten Zielmolekülen handelt es sich chemisch gesehen um Chinone. Diese bringen aufgrund ihrer Eigenschaften grundsätzlich ein hohes Potenzial für eine wirtschaftliche Batterieproduktion mit: Chinone lassen sich mit erheblich günstigeren Elektrodenmaterialien als herkömmliche Aktivmaterialien kombinieren. Zudem handelt es sich im Vergleich zu Metallionen um deutlich größere Moleküle, sodass man auch günstigere Membranen für den Ladungsausgleich in den Batteriezellen verwenden kann. Zudem sind die organischen Elektrolyte weder brennbar noch explosiv.

Hintergrund

Die CMBlu Energy AG entwickelt als Organic-Flow-Batterien bezeichnete, bis in den Gigawattbereich skalierbare, stationäre Stromspeicher für den Markt. Als Elektrolyte kommen bislang noch organische Moleküle auf Basis fossiler Rohstoffe zum Einsatz. Mit Elektrolyten auf Lignin-Basis würden die Großstromspeicher ihren wichtigen Beitrag zur Energiewende künftig auch in Bezug auf ihre eigene Rohstoffbasis nachhaltig leisten. Vor dem Hintergrund kritischer Diskussionen zu Batterierohstoffen dürften Akteure in der Energiewirtschaft mit Spannung auf das Projekt schauen.

Die einzelnen Projektpartner fokussieren sich im Rahmen des Vorhabens auf unterschiedliche Schwerpunkte:

  • CMBlu erforscht die Reaktionsführung und -optimierung im kontinuierlichen Membranreaktor, Substituenten für Elektrolyte auf Ligninbasis für eine gute Wasserlöslichkeit und zur Verschiebung des elektrochemischen Potentials sowie optimierte Elektroden für Chinonelektrolyte.
  • Die Technische Hochschule Mittelhessen konzentriert sich zum einen darauf, mittels keramischer Membranen die bei der Fragmentierung entstehenden Zielprodukte (Syringaldehyd, Vanillin) sowie die Nebenprodukte, beispielsweise Furfural, Syringasäure, Vanillinsäure, aus dem Prozess abzutrennen. Zum anderen werden Verfahren entwickelt, um im Einsatz verbrauchten bzw. degradierten Elektrolyten aus dem Prozess auszuschleusen und einer Regeneration zuzuführen.
  • Die MANN+HUMMEL GmbH entwickelt keramische Membranen und Membranmodule, welche bei der Aufbereitung und Filtration des Lignins und bei der thermisch-chemischen Umwandlung zu Zwischen- und Endprodukten im Rahmen der Elektrolytherstellung eingesetzt werden. Diese Membranen erfordern eine hohe Beständigkeit gegenüber den hohen Prozesstemperaturen und den vorliegenden chemischen Substanzen.
  • Die AG Janek / Nachwuchsgruppe Schröder an der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) wird sich mit der Charakterisierung der eingesetzten Elektrodenmaterialien sowie der elektrochemischen Analyse der organischen Aktivmaterialien in verschiedenartigen Lösemitteln beschäftigen.
    – Die AG Wegner der JLU beschäftigt sich mit der Synthese von neuen Leitstrukturen organischer Aktivmaterialien und ihren Struktur-Eigenschafts-Beziehungen sowie der metallfrei katalysierten Ligninspaltung.
    – Zur Optimierung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen von Elektrolyten und zum Verständnis möglicherer Degradationsmechanismen werden in der AG Mollenhauer der JLU quantenchemische Rechnungen durchgeführt.
  • Die Johannes Gutenberg-Universität Mainz entwickelt elektrochemische Syntheserouten zur effizienteren und nachhaltigeren Gewinnung Chinon-basierter Aktivmaterialien und stellt Analyseverfahren zur Erforschung von Degradationsmechanismen zur Verfügung.
  • Das Vorhaben „Neuartige Lignin-basierte Elektrolyte für den Einsatz in Redox-Flow-Batterien (FOREST II)“ wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert.

Die Teilvorhaben im Überblick:

  • Redox-Flow-Zelle und Ligninspaltung
    CMBlu Energy AG (Projekt 2220HV053A)
  • Trenn- und Reinigungsverfahren
    Technische Hochschule Mittelhessen (Projekt 2220HV053B)
  • Elektrochemie
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Projekt 2220HV053C)
  • Chemische Synthese und Ligninspaltung
    Justus-Liebig-Universität Gießen – AG Wegner (Projekt 2220HV053D)
  • Elektrolyte
    Justus-Liebig-Universität Gießen -AG Janek (Projekt 2220HV053E)
  • Membranen
    MANN+HUMMEL GmbH (Projekt 2220HV053F)
  • Quantenchemische Berechnungen und Degradationsmechanismen
    Justus-Liebig-Universität Gießen – AG Mollenhauer (Projekt 2220HV053G)

Über Redox-Flow-Batterien

Forscher gehen davon aus, dass die Kapazität stationärer Energiespeicher in Deutschland bei bis zu 176 GWh (= 176.000.000 kWh) liegen könnte (s.: agora-energiewende.de/Speicherdurchbruch_2015-10-27.pdf). Zum Vergleich: Ein Vier-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr im Durchschnitt gut 4.000 kWh. Redox-Flow-Batterien eignen sich grundsätzlich gut für die Aufgabe der Energiespeicherung in diesem Bereich, da ihre Speicherkapazität unabhängig von ihrer elektrischen Leistung skaliert werden kann: Die beiden Elektrolyte für die negative und positive Elektrodenseite werden in separaten Tanks gelagert. Damit ist die Speicherkapazität nur durch die Größe der Tanks und die Menge der Elektrolyte limitiert.

Über die FNR

Die FNR ist seit 1993 als Projektträger des BMEL für das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe aktiv. Sie unterstützt außerdem Forschungsthemen in den Bereichen nachhaltige Forstwirtschaft und innovative Holzverwendung.

->Quellen und mehr: