Wasserstoff bald weniger als 2 Euro?

Neue Power to Gas-Analyse von IHS Markit optimistisch

Grüner Wasserstoff wird in  knapp drei Jahren wettbewerbsfähig. „Bis 2023 sinkt der Preis für grünen Wasserstoff unter zwei Dollar pro Kilogramm – die Schallmauer hin zur Wettbewerbsfähigkeit mit fossil produziertem Wasserstoff. Für die drastische Preissenkung gibt es mehrere Gründe“, schreibt Sven Ullrich am 07.12.2020  auf Erneuerbare Energien. Laut den Analysten von IHS Markit werden die Investitionen in die Produktion grünen Wasserstoffs bis 2023 eine Milliarde US-Dollar (€ 830 Mio.) übersteigen – das veröffentlichten sie am 03.12.2020. Wo produziert wird, spielt praktisch keine Rolle.

Eine Zukunft für „grünen Wasserstoff“ zeichne sich immer deutlicher ab – so IHS „(Information Handling Services“) Markit. Die guten Investitionsaussichten werden den sinkenden Kosten und der politischen Unterstützung von Regierungen zugeschrieben, die eine Umstellung auf kohlenstoffarme Wirtschaften anstreben. Die Betriebskapazität für die Wasserspaltung mittels Elektrolyse liegt laut dem IHS Markit Power-to-X Tracker derzeit bei 82 MW mit einer Pipeline von mehr als 23 GW. Diese Pipeline – einschließlich angekündigter, geplanter und im Bau befindlicher Projekte – ist in den Analysen und Modellen gewachsen – ausgehend von weniger als 8 GW Ende 2019 und 5 GW Ende 2018. Die Elektrolyse-Produktion läuft an, mehrere „Giga-Fabriken“ sind in der Entwicklung.

Catherine Robinson, Geschäftsführerin Wasserstoff und erneuerbares Gas bei IHS Markit: „Die Investitionen in die Elektrolyse boomen weltweit. Bis 2030 sollen über 23 GW Kapazität entwickelt werden – mehr als das 280-fache der derzeitigen Kapazität. Das zunehmende Interesse wurde durch sinkende Kosten für Elektrolyse und erneuerbare Energien sowie durch die zunehmende Konzentration der Regierung auf grünen Wasserstoff vorangetrieben.“

  • Die Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff sind seit 2015 um 40% gesunken, es wird erwartet, dass sie bis 2025 um weitere 40% sinken werden. Kostensenkungen bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien machen zwei Drittel der seit 2015 beobachteten Kostensenkung für grünen Wasserstoff aus, wobei ein Drittel auf Kostensenkungen bei der Elektrolyseausrüstung zurückzuführen ist. Es wird erwartet, dass bis 2025 die Entwicklung größerer Elektrolyse-Projekte die Hauptantriebskraft für Kostensenkungen bei grünem Wasserstoff sein wird. IHS Markit geht davon aus, dass die Kosten für grünen Wasserstoff bis 2030 unter 1,65 €/kg sinken könnten, wo er mit aus Erdgas durch Kohlenstoffabscheidung (CCS) gewonnenem Wasserstoff (blauer W.) konkurrieren würde.
  • Ziele und Förderrahmen werden definiert. Kohlenstoffarmer Wasserstoff ist ein Hauptbestandteil vieler Regierungen für die Zeit nach dem CO2-Ausstoß und ihrer langfristigen Klimastrategien. Sechs europäische Länder, die Europäische Kommission, Russland und Chile haben alle seit Mai 2020 Wasserstoffstrategien veröffentlicht. Die Strategien legen Produktionsziele für kohlenstoffarmen Wasserstoff und Elektrolyse fest und beginnen mit der Definition der Unterstützung, die den Projektentwicklern zur Verfügung stehen wird.

Soufien Taamallah, Direktor Energietechnologien und Wasserstoff bei IHS Markit: „IHS Markit geht davon aus, dass die Kosten für grünen Wasserstoff bis 2030 unter zwei Dollar pro Kilogramm sinken könnten. Diese Kosten sind der Heilige Gral für die Elektrolyse, denn hier beginnt der grüne Wasserstoff gegenüber dem traditionellen Wasserstoff wettbewerbsfähig zu werden.“

Die Entwicklung von grünem Wasserstoff in der Größenordnung, wie sie die derzeitige Pipeline demonstriert, wird einen ganz neuen Sektor der Energienachfrage schaffen. Die derzeitige Elektrolyse-Pipeline impliziert, dass bis Mitte der 2020er Jahre die an Elektrolyseure weltweit gelieferte Elektrizität dem Gesamtstromverbrauch Belgiens oder des US-Bundesstaates New Jersey entsprechen könnte. Die Modellierung von IHS Markit zeigt, dass Anfang der 2040er Jahre die Produktion von grünem Wasserstoff der größte einzelne Stromverbrauch sein könnte, der den industriellen Stromverbrauch übersteigt. Um diesen Bedarf zu decken, wird sich der Einsatz kohlenstoffarmer Stromerzeugung – vor allem in Regionen mit hochwertigen erneuerbaren Ressourcen – beschleunigen.

Frederick Ritter, Senior Research Analyst, Global Gas, IHS Markit: „Die Wasserstoffproduktion hat das Potenzial, ein ganz neuer Sektor der Stromnachfrage zu werden. Um sie zu unterstützen, wird eine groß angelegte Entwicklung der Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien erforderlich sein – insbesondere in Regionen mit hochwertigen erneuerbaren Ressourcen.“

Denn die Senkung der Stromkosten machen zwei Drittel der Kostensenkung für den grünen Wasserstoff seit 2015 aus. Wenn die Stromkosten weiter sinken und die Effizienz der Elektrolyse steigt – derzeit liegt sie nach Angaben des holländischen Wasserstoffexperten Ad van Wijk von der TU Delft bei etwa 80 Prozent – sieht der Niederländer sogar die Möglichkeit, dass der Preis für in Europa produziertem Wasserstoff auf einen Euro pro Kilogramm sinken kann – so Sven Ulrich. Dazu kommen noch Skalierungseffekte. „Denn bis 2025 wird der Haupttreiber für die Reduzierung der Kosten die Umsetzung großer Elektrolyseprojekte“, erwartet IHS Markit.

Grüner Wasserstoff aus Afrika teils umstritten

Umstritten bleibt laut Ulrich, Europa mit grünem Wasserstoff aus Afrika zu versorgen. So stoße die Bundesregierung mit ihrer Idee auf heftige Kritik, den Strom aus einem neuen Wasserkraftwerk am Kongo zur Wasserstoffproduktion für Europa zu nutzen. Denn der dort produzierte Strom werde dringend zur Versorgung der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa gebraucht. Weitere afrikanische Länder wie Südafrika, Nigeria und Angola hätten zudem schon ihr Interesse bekundet, den Strom abzunehmen.

Die Meinungen darüber, ob es wirklich so teuer ist, wie vielfach behauptet, den Wasserstoff aus entfernten Kontinenten wie dem Südwesten Afrikas, Australien oder Feuerland nach Europa zu transportieren, gehen auseinander. Experten sprechen von weniger als einem Prozent der Gesamtkosten:

Entwicklung von Synthesekraftstoffen auf der Basis von FT (Fischer-Tropsch) und DAC (Direct Air Capture) in Patagonien, Südamerika – selbst im Vergleich zu deutschen Holzpellets als Erneuerbarer Energieträger erschwinglich. Auch wenn einige Annahmen zu positiv sind, zeigt die Größenordnung des Vergleichs, dass Synthesebrennstoffe von jedem Punkt der Welt eine brauchbare Alternative darstellen. Die Transportkosten fallen nicht ins Gewicht (Robert Schlögl) – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify – Quelle: Mahdi Fasihi et al. / Energy Procedia 99 ( 2016)

Natürlich lebt auch die Desertec-Vision wieder auf, Wasserstoff mit Strom aus Solarkraftwerken in den nordafrikanischen und arabischen Wüsten zu erzeugen. „Desertec 3.0“ nennt sich die Initiative jetzt (siehe: solarify.eu/dii-desert-energy-waegt-chancen-gruenen-wasserstoffs-ab).

Kapazitäten in Europa nutzen

Paul Grunow, Vorstand der Reiner Lemoine Stiftung und des Photovoltaik Instituts Berlin, erläuterte iam 04.12.2020 n einer Kolumne auf Erneuerbare Energien, warum unser Wasserstoff von Bürgern und Bürgerinnen dezentral in Deutschland und nicht in Afrika erzeugt und importiert werden sollte.

Ad van Wijk verweist ebenfalls darauf, dass unbedingt zuerst die in Europa vorhandenen Möglichkeiten genutzt werden müssten. Für den Transport schlägt schlägt er die Nutzung des vorhanden Erdgas- und Erdölnetzes vor, durch das derzeit fossile Brennstoffe aus Nordafrika und dem Nahen Osten nach Europa kämen. Zusätzlich müssten dann aber noch weitere Rohre gebaut werden, um die nötige Menge Wasserstoff nach Europa zu transportieren. Das wäre kostengünstiger als die zusätzlichen HGÜ-Stromautobahnen, die im Falle der ersten Desertec-Vision nötig gewesen wären. Bleibt die Frage, wo in der Wüste das Wasser für die Elektrolyse herkommen soll – dafür Wasser aus dem Mittelmeer zu nehmen und mit Ökostrom zu entsalzen, treibt den Wasserstoffpreis jedoch im Gegensatz zu vielfach gehörten Meinungen kaum nach oben, sagt Desertec 3.0.

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