Kerosin aus CO2 – vorerst nur im Labor

Netto-Null-Emissionen im Flugverkehr möglich

Forschende der Universität Oxford um Chemieprofessor Peter Edwards haben eigenen Angaben und Nature Communications zufolge möglicherweise einen (weiteren) Weg gefunden, die Umweltauswirkungen von Flugreisen zu reduzieren, wenn stromgetriebene Flugzeuge  nicht praktikabel sind. Das amerikanische Monats-Magazin Wired berichtet, Wissenschaftler hätten erfolgreich CO2 in Düsentreibstoff umgewandelt, ein alternativer Treibstoff (siehe: solarify.eu/alternative-kraftstoffe-synthetische-treibstoffe-designer-fuels-e-fuels), der nicht nur konventionell angetriebene Flugzeuge klimaneutral machen könnte.

Flugzeuge auf Berliner Flughafen TXL – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Am 22.12.2020 publizierte das Team der Universität Oxford nun ein experimentelles Verfahren, mit dem Kohlendioxid in Düsentreibstoff umgewandelt werden könnte. Das Experiment kehrt den normalen Verbrennungsprozess von Kohlenwasserstoffen um und rückverwandelt Kohlendioxid mittels der sogenannten organischen Verbrennungsmethode (OCM – Organic combustion Method) wieder in einen Brennstoff. Bei 350 Grad Celsius Hitze konnte das Team aus CO2 mit Zitronensäure, Wasserstoff und einem Katalysator aus Eisen, Mangan und Kalium flüssigen Kraftstoff herstellen, der in einem Düsentriebwerk oder Motor verbrannt werden könnte. Das Experiment wurde in einem Edelstahlreaktor durchgeführt und produzierte (vorerst) nur ein paar Gramm der Substanz. Es muss noch hochskaliert werden. Aber die Chemieingenieure, die den Prozess entwickelt und durchgeführt haben, sind zuversichtlich, dass er das Klima verändern könnte.

„Der Klimawandel beschleunigt sich, und wir haben enorme Kohlendioxid-Emissionen“, sagt Tiancun Xiao, Senior Fellow am Oxford Department of Chemistry, Mitbegründer von Oxford Sustainable Fuels und einer der Autoren der Studie. „Die Infrastruktur für Kohlenwasserstoff-Brennstoffe ist bereits vorhanden. Dieser Prozess könnte helfen, den Klimawandel zu lindern und die aktuelle Kohlenstoff-Infrastruktur für eine nachhaltige Entwicklung zu nutzen.“

Xiao und Kollegen sagen, dass die neue Methode auch billiger sei als bekannte, die etwa durch Hydrierung Wasserstoff und Wasser in Treibstoff umwandeln, vor allem deshalb, weil sie weniger Strom verbrauche. Xiao stellt sich vor, eine Treibstoffanlage neben einer Stahl- oder Zementfabrik oder einem Kohlekraftwerk zu installieren und das überschüssige Kohlendioxid abzusaugen (die Vorstellung ist bereits Realität – siehe solarify.eu/carbon2chem), um den Treibstoff herzustellen. Der Prozess könnte auch Kohlendioxid aus der Atmosphäre abscheiden (Direct Air Capture – siehe solarify.eu/direct-air-capture-dac).

Der Katalysator, der die Reaktion ermöglicht, ist auf der Erde reichlich vorhanden und erfordert weniger Schritte als andere Methoden zur Synthese von Chemikalien mit hoher Wertschöpfung, so die Autoren. Die Forscher sind im Gespräch mit Industriepartnern und sehen keine großen wissenschaftlichen Hürden. Auch für Flotten könnte es eine der praktikabelsten Optionen sein.

In einer solchen „Kohlenstoff-Kreislaufwirtschaft“ würde eine alternative Düsentreibstofffabrik mit grünem Strom aus Wind- oder Sonnenenergie betrieben werden. Auf diese Weise wären sowohl der Düsentreibstoff als auch die CO2-Quelle nachhaltig, so Oskar Meijerink, Projektleiter für zukünftige Treibstoffe bei der niederländischen SkyNRG, die nachhaltige Flugtreibstoffe produziert und vertreibt. „Man muss erneuerbaren Strom verwenden“, sagt Meijerink. „Die Herausforderung ist, wenn wir CO2 aus einem Stahlwerk verwenden, wie können wir das Stahlwerk dazu bringen, selbst klimaneutral zu werden? Die perfekte Lösung wäre, dass all diese Industrien nachhaltiger werden und dies für die direkte Luftabscheidung nutzen.“

Manfred Lindinger in der FAZ: „Dieser Ansatz dürfte bei der Luftverkehrswirtschaft auf Interesse stoßen. In der vergangenen Woche verkündete der Bundesverband der deutschen Luftverkehrswirtschaft einen Masterplan, wie man im Flugverkehr, der für rund drei Prozent der globalen Emissionen verantwortlich ist, Klimaneutralität erreichen könne. Dabei spielen neben Energieeinsparungen an Flughäfen, synthetisch hergestellte Treibstoffe eine zentrale Rolle. Einen genauen Zeitplan für die Ziele will man Anfang 2021 präsentieren.“

Abstract aus Nature („Transforming carbon dioxide into jet fuel using an organic combustion-synthesized Fe-Mn-K catalyst“)

„Angesichts der wachsenden Besorgnis über den Klimawandel stößt die Nutzung oder Umwandlung von Kohlendioxid in nachhaltige, synthetische Kohlenwasserstoff-Kraftstoffe, vor allem für Transportzwecke, weiterhin auf weltweites Interesse. Dies gilt insbesondere für die Suche nach nachhaltigen oder erneuerbaren Flugzeugkraftstoffen. Diese bieten ein erhebliches Potenzial, da die Kraftstoffe statt mit fossilem Erdöl mit nachhaltigem, erneuerbarem Wasserstoff und Energie aus Kohlendioxid hergestellt werden. Wir berichten hier über ein synthetisches Verfahren zur Fixierung von Kohlendioxid durch direkte Umwandlung in Flugzeugtreibstoff unter Verwendung neuartiger, kostengünstiger Katalysatoren auf Eisenbasis. Wir stellen den Fe-Mn-K-Katalysator durch die sogenannte Organic Combustion Methode her, und der Katalysator zeigt eine Kohlendioxidumwandlung durch Hydrierung zu Kohlenwasserstoffen im Bereich von Flugzeugtreibstoff von 38,2 %, mit einer Ausbeute von 17,2 %, einer Selektivität von 47,8 %, und mit einer dazugehörigen niedrigen Kohlenmonoxid- (5,6 %) und Methanselektivität (10,4 %). Bei der Umsetzungsreaktion entstehen mit einer Ausbeute von 8,7 % auch die leichten Olefine Ethylen, Propylen und Buten, wichtige Rohstoffe für die petrochemische Industrie und derzeit ebenfalls nur aus fossilem Erdöl herstellbar. Da dieses Kohlendioxid aus der Luft entnommen und bei der Verbrennung im Flug wieder aus dem Düsentreibstoff emittiert wird, handelt es sich insgesamt um einen kohlenstoffneutralen Treibstoff. Dies steht im Gegensatz zu Düsentreibstoffen, die aus fossilen Kohlenwasserstoffen hergestellt werden, bei denen durch den Verbrennungsprozess der fossile Kohlenstoff freigesetzt und als Luftkohlenstoff – Kohlendioxid – in die Atmosphäre abgegeben wird.

CO2 ist ein vollständig oxidiertes, thermodynamisch stabiles und chemisch inertes Molekül. Darüber hinaus begünstigt die Kohlenwasserstoffsynthese über die Hydrierung von CO2 in der Regel die Bildung von kurzkettigen statt der erwünschten langkettigen Kohlenwasserstoffe. Daher konzentrierten sich die meisten Forschungen in diesem Bereich auf die selektive Hydrierung von CO2 zu CH4, den Oxygenaten, CH3OH, HCOOH und leichten Olefinen (C2-C4-Olefine). Es gab nur wenige Studien zur Herstellung von flüssigen Kohlenwasserstoffen mit Molekularität C5+.

Es gibt zwei Möglichkeiten, CO2 in flüssige Kohlenwasserstoffe umzuwandeln; eine indirekte Route, bei der CO2 in CO oder Methanol und anschließend in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt wird, oder die direkte CO2-Hydrierungsroute, die üblicherweise als eine Kombination aus der Reduktion von CO2 zu CO über die umgekehrte Wassergasverschiebungsreaktion (RWGS) und der anschließenden Hydrierung von CO zu langkettigen Kohlenwasserstoffen über die Fischer-Tropsch-Synthese (FTS) beschrieben wird. Aus den Produkten kann dann nach industriell anerkannten Behandlungen wie Destillation oder Hydroisomerisierung Flugzeugtreibstoff gewonnen werden. Der zweite, direkte Weg gilt allgemein als wirtschaftlicher und umweltverträglicher, da er weniger chemische Prozessschritte beinhaltet und der Gesamtenergieverbrauch für den gesamten Prozess geringer ist.“

->Quellen: