Regierung pusht Wasserstoff

Karliczek: Neue Leitprojekte Innovationsbeschleuniger für Wasserstofftechnologien

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek sieht im Grünen Wasserstoff eine Jahrhundertchance für Deutschland. Dazu hat das BMBF am 13.01.2021 in Berlin drei großangelegte Leitprojekte zur Entwicklung einer Grünen Wasserstoffwirtschaft vorgestellt. Sie sind das Ergebnis des im Juni 2020 gestarteten BMBF-Ideenwettbewerbs „Wasserstoffrepublik Deutschland“. Die Leitprojekte sollen Lösungen für die Überwindung der technologischen Hürden beim Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft finden helfen.

Virtuelle Pressekonferenz: BMBF startet drei H2-Leit-Projekte – mit Kirsten Westphal, Stiftung Wissenschaft und Politik und Vorsitzende Gutachterkommission; Christian Bruch, CEO Siemens Energy; Oliver Tietze, CEO thyssenkrupp Industrial Solutions AG; Robert Schlögl, Direktor Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft – Foto © BMBF-Internetredaktion

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek: „Wir wollen unser Land zum Leitmarkt und globalen Leitanbieter für Wasserstofftechnologien machen. Ich gebe heute mit unseren drei Wasserstoff-Leitprojekten den Startschuss für eine Initiative der Superlative, die große Hürden beim Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft aus dem Weg räumen soll. Unsere Leitprojekte zeigen, dass Deutschland konsequent in die Wasserstoffwirtschaft einsteigt. Denn Grüner Wasserstoff ist Schlüsselrohstoff für ein klimafreundliches Deutschland und langfristiges Wachstum.“

Bis jetzt haben sich aus allen 16 Bundesländern mehr als 230 Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft in die drei Konsortien eingebracht. Dabei haben Unternehmen, die sonst im direkten Wettbewerb miteinander stehen, schon vorher zusammengearbeitet. Das unterstreicht laut Karliczek „eindrucksvoll die zentrale Rolle der Forschungsförderung des Bundesforschungsministeriums als Innovationstreiber. Die Unternehmen haben erkannt, dass sie bei aller Konkurrenz bestimmte Probleme am besten gemeinsam lösen – dabei können sie in Deutschland auf eine weltweit führende Wasserstoffforschung als leistungsfähigen Partner bauen.“ Bis 2025 stehen für die drei Leitprojekte 700 Millionen Euro aus dem Zukunftspaket der Bundesregierung bereit. Das mache die Vorhaben zu einer der größten Initiativen des BMBF in den vergangenen Jahren.

Stefan Kaufmann, MdB, Innovations- und Wasserstoffbeauftragter: „Eine schlagkräftige, innovative und weltweit führende Industrie rund um die Erzeugung, den Transport und die Weiterverarbeitung von Grünem Wasserstoff ist ein Schlüsselbaustein für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands. Unser Land kann zum Antreiber und zum Ausstatter einer globalen Grünen Wasserstoffwirtschaft werden. Wir haben vielleicht nicht so viel Wind und Sonne wie andere Länder – dafür aber das Know-How, ein nachhaltiges, sicheres und leistungsfähiges Energiesystem der Zukunft zu bauen.“

Die Aufbruchsstimmung bei Grünem Wasserstoff sei weltweit enorm. Der internationale Wettbewerb bei Forschung und Innovation ziehe spürbar an. Bei diesem Marathonlauf gelte es, in der weltweiten Spitzengruppe zu bleiben. Diesen Führungsanspruch untermauere Deutschland mit den Leitprojekten, welche die Exzellenz des Innovationslands Deutschland in Wissenschaft und Wirtschaft bei Grünem Wasserstoff bündeln. Zudem zeige man mit den Leitprojekten zu Jahresbeginn, dass  die Zukunftsgestaltung bei allem tagesaktuellen Krisenmanagement kraftvoll vorangetrieben werde.

Die drei Leitprojekte

Die drei von der Bundesregierung mit 700 Millionen Euro geförderten Leitprojekte zur Entwicklung von grünem Wasserstoff  umfassen die Herstellung von Elektrolyseuren, die direkte Erzeugung von Wasserstoff auf Hoher See sowie dessen sicheren Transport. Das Geld aus dem Konjunkturpaket soll bis 2025 ausgezahlt werden. 55 Prozent der Mittelempfänger, die sich im BMBF-Ideenwettbewerb durchgesetzt haben, kommen aus der Wirtschaft, darunter auch viele Startups.

Das größte nun geförderte Vorhaben ist das Projekt „H2Giga“ unter Beteiligung von thyssenkrupp. Ziel ist die Umwandlung von Ökostrom in grünen Wasserstoff mittels Elektrolyseuren in Serienfertigung. Die Bundesregierung will bis 2030 Erzeugungsanlagen bis fünf Gigawatt zu errichten (lassen), weitere 5 GW sollen in den fünf bis zehn Jahren danach entstehen.

  1. Um Deutschlands (derzeit noch nicht absehbaren) Bedarf an Grünem Wasserstoff decken zu können, braucht es viele leistungsfähige und kostengünstige Elektrolyseure. Die sind zwar bereits am Markt – allerdings werden sie noch immer größtenteils in Handarbeit hergestellt. Das Leitprojekt H2Giga wird daher die serienmäßige Herstellung von Elektrolyseuren unterstützen. Deutschlands wird mehrere hundert Millionen Tonnen Grünen Wasserstoff jährlich brauchen. Daher strebt die Nationale Wasserstoffstrategie den Aufbau von zunächst möglichst fünf Gigawatt Elektrolyse-Kapazität bis 2030 an. Damit der Grüne Wasserstoff wettbewerbsfähig wird, braucht es effiziente, langlebige, robuste, günstige und skalierbare Elektrolyseure in serienmäßiger Herstellung, die technologieoffen modular an ihre jeweiligen Einsatzorte angepasst werden können. Gemeinsam bringen etablierte Elektrolyseur-Hersteller, Zulieferer aus verschiedenen Technologiebereichen, darunter viele mittelständische und kleine Unternehmen, sowie Forschungseinrichtungen und Universitäten bestehende Elektrolyse-Technologien weiter voran:
  • PEM-Elektrolyse (Proton Exchange Membrane);
  • Alkalische Elektrolyse (AEL);
  • Hochtemperatur-Elektrolyse (HTEL);
  • Die Forschung soll zudem die Elektrolyse mit anionenleitender Membran (AEM) weiterentwickeln.

Die verschiedenen Elektrolyseur-Typen sind für spezielle Einsatzgebiete jeweils besonders geeignet. Deshalb wird die Entwicklung und Skalierung der einzelnen Technologien mit den Branchen abgestimmt, in denen sie anschließend zum Einsatz kommen. Zudem soll das Leitprojekt einen ständigen Austausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gewährleisten, wobei die Wirtschaft Bedarf und Wissenslücken an die Wissenschaft übermittelt. So sollen zügig effiziente Produktionsverfahren entwickelt werden, die Aspekte wie Recycling und flexiblen Betrieb berücksichtigen. (Flexibel bedeutet, dass Elektrolyseure möglichst schnell an- und ausgeschaltet werden können und dass sie auf unterschiedlichen Leistungsniveaus gefahren werden können). Ein Innovationspool soll zudem garantieren, dass H2Giga seine Innovationsfähigkeit auch mit Blick auf die Zukunft nicht verliert. Des Weiteren wird das Leitprojekt für Ausbildung sowie Weiterbildung sorgen und somit auch zukünftig eine Vielzahl an Arbeitsplätzen schaffen.

2. Das Projekt „H2Mare“ soll „weltweit erstmalig“ eine Integration von grüner Stromerzeugung und Wasserstoffproduktion in  Offshore-Anlagen auf hoher See ermöglichen, betonte Karliczek. Beteiligt an H2Mare ist der Energietechnikkonzern Siemens Energy und der Windturbinenhersteller Siemens Gamesa, wie Firmenchef Christian Bruch sagte. Die Testanlage soll 2026 stehen. Die direkte Herstellung von Grünen Wasserstoffs in Offshore-Anlagen aus Windenergie ohne Netzanbindung kann die Kosten gegenüber der Erzeugung auf Land deutlich senken.
Windenergieanlagen auf See erzeugen deutlich mehr und regelmäßiger Strom als ihre Pendants an Land: So beträgt die mittlere Nennleistung von Onshore-Windrädern an Land rund 3,5 Megawatt, diejenige von Offshore-Anlagen 5 Megawatt. Dieses Potenzial will das Wasserstoff-Leitprojekt H2Mare nutzen, indem es direkt auf See erneuerbaren Strom nutzt, um daraus Wasserstoff und Wasserstoff-Folgeprodukte herzustellen.

Dabei wollen die zukünftigen Partner den Wasser-Elektrolyseur direkt in eine Windkraftanlage integrieren – und damit innovative Technologien bereitstellen, um offshore Grünen Wasserstoff zu erzeugen. Die direkte Kopplung von Windkraftanlage und Elektrolyseur soll die Kosten der Wasserstoffproduktion minimieren. Denn ohne Anbindung ans Stromnetz können Infrastrukturkosten erheblich gesenkt werden. Zudem bedeutet die Entkopplung von Elektrolyse und Netz eine Entlastung für örtliche Netzstrukturen. Ein weiterer Vorteil der Wasserstoff-Herstellung im Meer: Hier stehen weit größere potenzielle Flächen zur Erzeugung von Windenergie zur Verfügung als an Land.

Wegen der zahlreichen Vorteile der Produktion auf See arbeitet H2Mare auch an Lösungen, um mit Grünem Wasserstoff direkt Folgeprodukte wie Grünes Methanol oder Grünen Ammoniak zu erzeugen – offshore Power-to-X also. Damit das gelingt, wollen die Partner auch zukunftsweisende Ansätze wie die Wasserdampf-Elektrolyse und die Meerwasser-Elektrolyse weiter vorantreiben. Zudem braucht es als Eingangsstoffe für die Power-to-X-Produkte zusätzlich Kohlendioxid und Stickstoff, die aus der Luft oder dem Meerwasser gewonnen werden sollen. Zusätzlich sollen Antworten auf offene Fragen zu Sicherheit und möglichen Umweltauswirkungen erarbeitet werden. Ebenso zu Lebenszyklusanalysen und Technologiebewertungen.

Das dritte geförderte Projekt „TransHyde“ soll schließlich die Transportinfrastruktur entwickeln helfen – sowohl für den Import von Wasserstoff (und Ammoniak) als auch für den inländischen Transport. Ohne geeignete Transport-Infrastruktur kann die Wasserstoffwirtschaft nicht funktionieren. Vor allem für den Import werden andere Lösungen als Gas-Pipelines benötigt. Ideen dazu gibt es viele – unklar ist jedoch, welche der Lösungen für welche Anwendung geeignet ist, und wie diese am besten kombiniert werden. Das Leitprojekt TransHyDE entwickelt daher mehrere Technologien zum Wasserstoff-Transport, bewertet und demonstriert sie. Einen Teil des Wasserstoffs wird Deutschland selbst produzieren – der deutlich größere Teil muss aus wind- und sonnenreichen Regionen importiert werden. In beiden Fällen braucht es funktionierende und effiziente Transport-Infrastrukturen. Denn nur selten wird Wasserstoff auch dort genutzt, wo er hergestellt wird.
Deshalb werden dringend Transport-Infrastrukturen für kurze, mittlere und lange Strecken benötigt. Teilweise könnten dafür bereits bestehende Gasnetz- und Gasspeicher-Infrastrukturen genutzt werden, teilweise braucht es gänzlich neue Transport-Technologien. In beiden Fällen besteht noch immer massiver Forschungsbedarf. So fehlt es derzeit noch an geeigneten Standards, Sicherheitsvorschriften und internationalen Regelungen. Zudem wurden zahlreiche Transport-Technologien bisher nur in kleinem Maßstab getestet. Daher soll das Leitprojekt TransHyDE Transport-Technologien umfassend weiterentwickeln – technologieoffen entlang verschiedener möglicher Entwicklungspfade. Genauer wird TransHyDE in vier Demonstrationsprojekte je eine Transport-Technologie testen und hochskalieren:

    • Wasserstofftransport in Hochdruckbehältern;
    • Wasserstoff-Flüssig-Transport;
    • Wasserstoff-Transport in bestehenden und neuen Gasleitungen;
    • Transport von in Ammoniak gebundenem Wasserstoff.

Koordiniert werden die 89 Partner des TransHyDE-Konsortiums durch die RWE Renewables GmbH, das Fraunhofer Institut für Energieinfrastruktur und das Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion.

  • Mit einem eigenen Roadmap-Prozess sollen diese vier Technologien möglichst schnell Teil des Gesamtenergiesystems werden. Damit soll das Projekt fortlaufend analysieren: Wo stehen wir, wo wollen wir hin – und wie genau können wir dieses Ziel erreichen? Schon jetzt ist klar: Für den Markteinstieg von Wasserstoff-Transporttechnologien braucht es neue Standards, neue Normen und neue Zertifizierungen. Daher widmet das Projekt diesem Themenbereich ein eigenes Arbeitspaket. Ebenso dem Thema Materialtestung, Sensorik und Sicherheit. So wird sichergestellt, dass alle entwickelten Lösungen langlebig, effizient und sicher sein werden.

  • ->Quellen: