Juristen streiten über 17. Atomgesetzänderung

(Späte) Vorsorge vor Terrorangriffen

Die geplante Änderung des Atomgesetzes ist in einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit am 05.05.2021 auf geteiltes Echo gestoßen. Umweltverbände kritisierten in der von der Ausschussvorsitzenden Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen) geleiteten Sitzung den Entwurf eines Siebzehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes (19/27659), während andere Experten grundsätzlich zustimmten.

AKW Isar 2 – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die Novelle betrifft Regelungen der Sicherung von kerntechnischen Anlagen und Tätigkeiten und dabei vor allem den Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (SEWD) – also in erster Linie Terrorangriffe. Im Zentrum steht dabei der sogenannte atomrechtliche Funktionsvorbehalt der Exekutive, dem zufolge die Risikoabschätzung durch die Behörden nur eingeschränkt von Gerichten überprüft werden darf. Bisher ist dieser Funktionsvorbehalt nicht ausdrücklich im Atomgesetz verankert.

Hier bestehe Handlungsbedarf, sagte Herbert Posser von der Rechtsanwaltskanzlei Posser Spieth Wolfers & Partner. Denn die heutige Rechtslage habe „absurde“ Folgen: Weil die Behörden bei Prozessen ihre maßgeblichen Dokumente wegen der Geheimschutzanforderungen nicht offenlegen dürften, stünden sie vor der Wahl zwischen – strafbewehrtem – Geheimnisverrat oder Prozessverlust. Grundsätzlich sei es im Interesse der Rechtssicherheit zu begrüßen, dass der atomrechtliche Funktionsvorbehalt jetzt im Atomgesetz verankert werde, sagte auch Olaf Däuper von der Kanzlei Becker Büttner Held. Positiv bewertete er den vom Bundesrat in seiner Stellungnahme vorgebrachten Vorschlag, in der atomrechtlichen Hauptsache ein In-Camera-Verfahren einzuführen – ein Verfahren, bei dem geheime Unterlagen zwar einem eigens eingerichteten Fachsenat vorgelegt werden, nicht aber dem Gericht in der Hauptsache und den Prozessbeteiligten.

Die Normierung des atomrechtlichen Funktionsvorbehalts der Exekutive stelle „einen eklatanten Eingriff in die Gewaltenteilung“ dar, kritisierte Juliane Dickel vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Sie lehnte die Novelle in dieser Form ab und schlug vor, die Thematik gründlich zu diskutieren und erst in der nächsten Wahlperiode darüber zu entscheiden. Für den Gesetzentwurf sprach sich Wolfgang Ewer von der Weissleder Ewer Rechtsanwälte Partnerschaft mbB aus. Niemand könne die Gefahr von Terrorangriffen besser beurteilen als die Experten der Behörden. In Bezug auf das In-Camera-Verfahren äußerte Ewer allerdings erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.

Dem widersprach Linda Compagnini vom Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Einführung des In-Camera-Verfahrens in der Hauptsache würde laut ihrer schriftlichen Stellungnahme „aus rechtlicher Sicht die Stärkung des effektiven Rechtsschutzes bedeuten“. Keinen Handlungsbedarf sah hingegen Ulrich Wollenteit von der Rechtsanwälte Günther Partnerschaftsgesellschaft, der im Rahmen der Verbändebeteiligung im Auftrag von Greenpeace und BUND eine Stellungnahme zum Referentenentwurf abgegeben hatte. Die Atomkraftwerke würden demnächst ohnehin abgeschaltet, sodass das Thema derzeit nicht regelungsbedürftig sei. Außerdem sei ihm kein Fall bekannt, bei dem eine Behörde vor der Alternative Geheimnisverrat oder Prozessverlust gestanden habe. Dörte Fouquet von der Kanzlei Becker Büttner Held begrüßte die Novelle, regte aber an, dem Vorschlag des Bundesrats für ein In-Camera-Verfahren zu folgen. Harald Thielen von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit gGmbH (GRS) äußerte sich als einziger Sachverständiger nicht zu juristischen Aspekten, sondern schilderte die Richtlinien, die den Nachweis zum Schutz vor SEWD regeln. (hib/CHB)