Wie sieht eine europäische Ladeinfrastruktur für E-Lkw aus?

30.000 aggregierte Haltestandorte und Logistikaktivitäten von rund 400.000 Lkw untersucht

Batterieelektrische Lkw können einen großen Beitrag zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Verkehr leisten – da sie jedoch meist lange Strecken zurücklegen, wird in ganz Europa ein dichtes Ladeinfrastrukturnetz gebraucht, um ihrer begrenzten Reichweite zu begegnen. In diesem Kontext analysiert eine am 09.06.2021 veröffentlichten Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung ISI, die im Auftrag des europäischen Automobilherstellerverbandes erstellt wurde, mögliche Ladepunkte für E-Lkw in Europa.

E-Lkw mit integrierter Photovoltaik unter Berliner Bahnhof Friedrichstraße  – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Die begrenzte Reichweite batterieelektrischer Lkw erfordert Schnellladungen mit hoher Leistung – bei kurzen Pausen im Fern- oder Regionalverkehr – und mit mittlerer Leistung bei längeren Stopps. Daher gilt es Ladeinfrastruktur für E-Lkw in ganz Europa koordiniert aufzubauen. Die Standorte der zukünftigen Ladepunkte sollten idealerweise so gewählt sein, dass sie zum aktuell vorhandenen Logistiknetz passen und einen optimalen Anschluss an aktuelle Standorte für längere Stopps vieler Fahrzeuge gewährleisten.

Um mögliche künftige Standorte zu identifizieren, analysierte die neue ISI-Studie 30.000 aggregierte Lkw-Haltestandorte. Die Standort-Daten basieren auf detaillierten Informationen über die Logistikaktivitäten von rund 400.000 Lkw und 750.000 einzelnen Halteorten und wurden von sieben OEM (engl: Original Equipment Manufacturer, OEM, dt.: Originalausrüstungshersteller) in Europa gesammelt. Der Datensatz kann bei der Planung einer zukünftigen Ladeinfrastruktur für batterieelektrische Lkw helfen und liefert detaillierte Informationen für Langstrecken- Halteorte in 35 Ländern und regionale Halteorte in 23 Ländern.

Lkw-Haltestandorte konzentrieren sich auf wichtige Industriegebiete und Städte

Die Studie zeigt, dass sich die Lkw-Halteorte um stark besiedelte Gebiete in Mitteleuropa konzentrieren. Dies gilt im Besonderen für wichtige Industriegebiete und Großstädte – zum Beispiel für Norditalien, Paris, den Großraum Manchester, Berlin oder Frankfurt. Zudem sind sie entlang europäischer Hauptverkehrsachsen angesiedelt. Die Halteorte der Lkw im Regionalverkehr liegen meist sehr nah an jenen des Lkw-Fernverkehrs. Eine Zusammenfassung der regionalen Lkw-Standorte zu Clustern offenbarte, dass 90% dieser regionalen Cluster-Standorte weniger als 600 Meter von Fernverkehrs-Lkw-Cluster-Standorten entfernt sind. Dementsprechend eignen sich die Standorte für regionale Ladepunkte auch für Fahrzeuge im Fernverkehr.

Die Studie liefert auch erste Hinweise bezüglich der Standortart: Bei etwa einem Drittel bis zur Hälfte handelt es sich um autobahnnahe Rastplätze, bei einem Viertel bis zu über einem Drittel um Firmenstandorte beziehungsweise wichtige logistische Standorte und bei 1 bis 5% um Häfen und Fährterminals. Für einen nennenswerten Anteil – etwa der Hälfte der analysierten Standorte – bleibt die konkrete Standortart in dieser ersten Analyse allerdings unklar.

Gute Anbindung an bestehende Fernverkehrs-Infrastruktur

Basierend auf diesen Ergebnissen leitet Patrick Plötz, der die Studie am Fraunhofer ISI koordinierte, folgende Schlussfolgerungen hinsichtlich der Ladeinfrastruktur für Elektro-Lkw ab: „Laut unserer Analyse potenzieller öffentlicher Ladestandorte sollte eine künftige Ladeinfrastruktur für Lkw einige hundert Standorte in großen Ländern wie Deutschland, Großbritannien und Frankreich, einige Dutzend Standorte für die meisten anderen europäischen Länder und weniger als zehn Standorte für kleinere Länder wie Luxemburg, Irland, Lettland, Kroatien oder Estland umfassen.“

Plötz hebt dabei besonders die gute Anbindungsmöglichkeit an die bestehende Infrastruktur des Lkw-Fernverkehrsnetzes hervor: Schließlich liegt die durchschnittliche Entfernung von diesen potenziellen öffentlichen Ladestationen zu allen anderen Lkw-Halteorten typischerweise zwischen 2 und 5 Kilometern.

Es gibt zwei Hauptkategorien von Haltezeiten: weniger als drei Stunden (mit 35% zwischen 30 und 60 Minuten) und länger als acht Stunden. Die hohe Häufigkeit kürzerer Stopps sowie die Regeln für die Lenk- und Ruhezeiten verdeutlichen den Bedarf an leistungsstarken Ladepunkten, die geeignet sind, Lkw in kurzer Zeit wieder aufzuladen.

Die Analyse liefert einen guten Hinweis auf geeignete Standorte für Ladeinfrastruktur aus logistischer und betrieblicher Sicht. Weitere Analysen anhand anderer Kriterien (z. B. verfügbare Stromnetzkapazität, lokale Erwägungen, Vorhandensein von Ladeinfrastruktur für Elektroautos usw.) werden für Investitionsentscheidungen erforderlich sein.

Weitere Informationen

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert Entstehung und Auswirkungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage werden den Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung gestellt. Die Expertise des ISI liegt in der fundierten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

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